Unabhängig davon, ob es sich um ein lokalisiertes oder ein fortgeschrittenes Magenkarzinom
handelt, hat sich die perioperative Chemotherapie heute als Standard etabliert. Kann
man doch damit die Überlebensraten der Patienten signifikant steigern. Das haben Studien
wie MAGIC[1] [4] für die Kombinationstherapie aus Epirubicin, Cisplatin und 5-Fluorouracil (5-FU)
und die französische Studie FFCD 9703 [3] für eine Cisplatin/5-FU-Kombination - beides Studien mit Patienten mit lokalisiertem
Magenkarzinom - auch für den europäischen Raum eindrucksvoll gezeigt.
Jetzt hat eine aktuelle Metaanalyse aus 34 Studien (n = 6 665) die Bedeutung der perioperativen
Chemotherapie beim lokalisierten Magenkarzinom mit einer Steigerung der Gesamtüberlebensrate
um 18% (p < 0,0001) noch einmal unterstrichen [9]: Nach 5 bzw. 10 Jahren lebten noch 51 bzw. 10% der Patienten, wenn sie nur chirurgisch
behandelt worden waren. Hatten sie jedoch zusätzlich eine Chemotherapie erhalten,
waren zur selben Zeit noch 58 bzw. 48% der Patienten am Leben.
Lokalisiert oder fortgeschritten - Perioperative Chemotherapie ist Standard
Lokalisiert oder fortgeschritten - Perioperative Chemotherapie ist Standard
Ähnlich überzeugend ist die Datenlage für fortgeschrittene Tumorstadien. Auch hier
ist die perioperative Chemotherapie effektiver als das sogenannte "best supportive
care", wobei insbesondere platinhaltige Kombinationsregime klar einen Vorteil gegenüber
einer 5-FU-Monotherapie gezeigt haben, meinte Lordick. Mit der zusätzlichen Gabe von
Taxanen könne man die Therapieergebnisse noch deutlich verbessern, wie zum Beispiel
eine aktuelle Metaanalyse belegt [8]. Die Zugabe von Cisplatin, Irinotecan oder Anthrazyklinen dagegen hatte laut dieser
Analyse keinen weiteren positiven Effekt.
"Die besten Daten hatten wir lange für das Docetaxel", sagte Lordick. Damit lasse
sich die Ansprechrate im Vergleich zu einer Kombinationstherapie aus Cisplatin und
Fluorouracil um 12% auf eine Rate von 37% (p = 0,01) verbessern. Zudem stieg nicht
nur das progressionsfreie Überleben (5,6 versus 3,7 Monate; p < 0,01), sondern auch
das Gesamtüberleben (9,2 versus 8,6 Monate; p = 0,02) signifikant an [10]. Einen positiven Einfluss hat die zusätzliche Gabe von Docetaxel auch auf die Lebensqualität
[2] und den Karnofsky-Performance-Status [1] der Patienten. "Nichtsdestotrotz ist dies ein intensives, relativ toxisches Therapieregime",
so der Onkologe. "Dementsprechend ist auch eine sorgfältige Auswahl der Patienten
notwendig."
Ähnlich gute Gesamtüberlebensraten mit gut 9 Monaten ermöglichen auch epirubicinhaltige
Regime mit Cisplatin bzw. Oxaliplatin und 5-FU bzw. Capecitabin, so die Ergebnisse
der REAL-2[2]-Studie. Am erfolgreichsten war dabei jedoch eine Kombinationstherapie aus Epirubicin,
Oxaliplatin und Capecitabin mit einem medianen Gesamtüberleben von 11,2 Monaten und
Ansprechraten von fast 50% [5].
S-1 - Ein zielgerichtetes Designer-Drug
S-1 - Ein zielgerichtetes Designer-Drug
"Unabhängig davon, in welcher Form orales 5-Fluorouracil verabreicht wird, es muss
immer metabolisiert werden", erklärte Prof. Alberto Sobrero, Genua (Italien). Prinzipiell
stehen hierfür 3 Aktivierungs- bzw. Degradatationswege zur Verfügung, welche die zytotoxische
Aktivität des aktiven Metaboliten, aber auch die verschiedenen 5-FU-Toxizitäten vermitteln
(Abb. [1]).
Abb. 1 Aktivierung und Abbau von 5-Fluorouracil.
Diese Nebenwirkungen sollen die zwei zusätzlichen Komponenten, die in S-1 neben dem
5-FU-Prodrug Tegafur enthalten sind, minimieren, erklärte Sobrero. Zum einen soll
Gimeracil (CDHP = Chlorodihydropyridin) über die Inhibition der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase
(DPD) die Degradatation von 5-Fluorouracil zu toxischen Metaboliten verhindern, zum
anderen bietet Oteracil (Kaliumoxonat) über die Blockade der Orotat-Phosphoribosyl-Transferase
(OPRT) einen Schutz gegen die 5-FU-induzierte Diarrhö.
Mehr als ein Fluoropyrimidin
Mehr als ein Fluoropyrimidin
Zufriedenstellen können diese Therapieerfolge jedoch sicherlich nicht. Einen weiteren
Fortschritt erhofft man sich heute unter anderem durch eine verbesserte 5-FU-Therapie,
quasi dem "Rückgrat" aller genannten Regime, - beispielsweise über die orale Gabe
des Kombinationspräparats S-1 anstelle von infusionalem 5-Fluorouracil oder den oralen
Prodrugs Tegafur bzw. Capecitabin (s. Kasten).
Mit S-1 lassen sich höhere 5-FU-Spiegel bei gleichzeitig geringerer Toxizität erzielen
als mit dem Prodrug Tegafur alleine", berichtete Prof. Jaffer Ajani, Houston (Texas,
USA). In Japan gilt das Präparat bereits als Standard, während die Entwicklung in
der westlichen Welt zunächst wieder im Sande verlief. Denn die ersten Einsätze von
S-1 Ende der 1990er-Jahre waren hier von einer relativ hohen Rate an Diarrhöen überschattet,
und die Behandlung mit S-1 wurde demnach nicht fortgeführt.
"Damals wussten wir nichts über die optimale Dosierung bei Kaukasiern", meinte Ajani,
"und verwendeten die in Japan bereits etablierte Dosis." Aufgrund von Polymorphismen
im CYP2A6-Gen verstoffwechseln Kaukasier Tegafur jedoch schneller als Asiaten, weiß
man heute. Die Folgen sind sehr hohe 5-FU-Serumspiegel mit den entsprechenden Konsequenzen.
Verwendet man jedoch eine deutlich geringere Dosis - in der Kombinationstherapie mit
Cisplatin etwa 25 statt 35mg/m2 2-mal täglich (Tag 1-21) mit einem verlängerten Therapieintervall (q6w statt q3w)
- lässt sich dies vermeiden.
Geringere Dosierung hält die Toxizität in Schach
Geringere Dosierung hält die Toxizität in Schach
Inzwischen stimmen erste Studienergebnisse optimistisch. So konnten Lenz et al. im
letzten Jahr in einer europäischen multizentrischen Phase-II-Studie bei zuvor unbehandelten
Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom, die sie mit S-1 und Cisplatin therapierten,
eine Ansprechrate von 55% und ein Gesamtüberleben von 10,4 Monaten (median) erreichen
[7]. Die Toxizität war dabei ähnlich wie in der japanischen SPIRITS[3]-Studie [6].
Wie valide diese Phase-II-Daten sind, das wird in Kürze die FLAGS[4]-Studie beantworten. In dieser Phase-III-Studie erhalten derzeit 1 053 Patienten
mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom entweder eine "altbewährte"
5-FU/Cisplatin-Therapie oder Cisplatin in einer etwas niedrigeren Dosierung plus S-1.
sts
Quelle: Satellitensymposium "S-1 - Updates and perspectives on a targeted designer
drug" im Rahmen des 10th World Congress of Gastro-Intestinal Cancer, veranstaltet von Sanofi-Aventis