Ein 50-jähriger oligophrener Patient, seit 12 Jahren wegen einer chronischen Glomerulonephritis
               dialysepflichtig, musste wegen zunehmender pflegerischer Probleme im Sommer 2006 in
               einem Heim untergebracht werden. Beim Patient - ein Epileptiker - war keine Krankheitseinsicht
               zu erzielen. Daher war er nicht transplantationsfähig.
            
            
            Seine Dialysebehandlung gestaltete sich zunächst unproblematisch, er wurde 3-mal wöchentlich
               dialysiert (KtV 1,5-1,8), erhielt Calcitriol und Kalziumazetat 660 mg (3-mal 1-2 Tbl/d)
               als Phosphatbinder (PB). Die Blutwerte waren stets stabil: Kalzium 2,12-2,42 mmol/l,
               Phosphat 1,6-1,95 mmol/l, Kalzium-Phos-phat-Produkt < 4,0 mmol2/l2 und iPTH 108-320 pg/ml.
            
             
         
            
Wenn sich die Ernährung verbessert...
         
         
            
            Wenn sich die Ernährung verbessert...
            
            Bei den Routinekontrollen im Herbst  fiel ein Phosphatanstieg auf 3,15 mmol/l auf,
               das Kalzium-Phosphat-Produkt betrug 7,59 mmol2/l2, das Serumkalzium war normal geblieben. Die Ursache der zunächst unklaren Hyperphosphatämie
               war erfreulich: Die Ernährungssituation unseres Patienten war nunmehr im Pflegeheim
               eine viel bessere als zuvor; die nPCR (Protein-Katabolisierungs-Rate) war von 0,8
               auf 1,3 g/kg KG/d/1,73m2 gestiegen.
            
            
            Bei Dialysepatienten ist ein guter Ernährungsstatus wünschenswert. Daher wurde zunächst
               das Kalziumazetat auf 3-mal 3 Tabletten erhöht. Dies entspricht 1509 mg elementarem
               Kalzium - nach K/DOQI[1]-Leitlinien die Obergrenze der täglichen oralen Kalziumzufuhr über Phosphatbinder.
               Um jedoch den Phosphatzielwert zu erreichen, war zusätzlich ein kalziumfreier  Phosphatbinder
               (3-mal 800 mg Sevelamer) zwingend erforderlich. Um die Gesamtkalziumbilanz möglichst
               konstant zu halten, wurde außerdem das Dialysatkalzium von 1,5 auf 1,25 mmol/l reduziert.
               Nach 2 Monaten war das Serumphosphat auf 2,35 mmol/l gesunken, das Kalzium-Phosphat-Produkt
               betrug 5,43 mmol2/l2.
            
             
         
            
... bessert sich die Compliance nicht automatisch
         
         
            
            ... bessert sich die Compliance nicht automatisch
            
            Um das Phosphat weiter in den KDOQI-Zielbereich (1,13-1,78 mmol/l) zu senken, wurde
               die Sevelamer-Dosis im September von 3-mal 800 auf 3-mal 1600 mg erhöht. Einen weiteren
               Monat später hatten sich verblüffenderweise die Phosphatwerte nicht verbessert. Wie
               die Nachforschung ergab, waren Compliance-Probleme die Ursache: Der Patient hatte
               weiterhin die ursprüngliche, niedrigere Dosis eingenommen. Die höhere Dosierung wurde
               erneut nachdrücklich empfohlen: 2 Monate später lagen alle Werte de facto im Zielbereich
               (P = 1,82 mmol/l).
            
             
         
            
An Interaktionen denken
         
         
            
            An Interaktionen denken
            
            Eines Tages erschien der Patient nicht zur Dialyse: Er hatte einen epileptischen Anfall
               erlitten, nachdem er zuvor über Jahre anfallsfrei war. Warum? Der Carbamezepinspiegel
               war mit weniger als 4 µg/ml subtherapeutisch niedrig (Zielbereich 4-12 µg/ml).
            
            
            Da die Medikamentencompliance dank pflegerischer Aufsicht zuletzt gut war, erklärt
               sehr wahrscheinlich die verdoppelte Sevelamerdosis das Absinken des Carbamazepinspiegels.
               Die Dosis wurde von 600 auf 900 mg/d erhöht. Seitdem ist der Patient wieder anfallsfrei.
               Die Sevelamerdosis wurde beibehalten, die Kalzium- und Phosphatspiegel lagen auch
               bei der Kontrolle im April 2008 im Zielbereich.
            
             
         
            
Korrespondenz
         
         
            
            Korrespondenz
            
             
                  
                     Dr. Christoph C. Haufe
                     
               
            
            
            
               Abteilung für Nephrologie
               
            
            
            
               Helios Klinikum Erfurt
               
            
            
            
               Nordhäuser Str. 74
               
            
            
            
               99089 Erfurt
               
            
            
            
               eMail: christoph.haufe@helios-kliniken.de
               
            
            
            Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Genzyme GmbH, Neu-Isenburg
            
             
         
            
Was war gut, wie hätte die Therapie optimiert werden können?
         
         
            
            Was war gut, wie hätte die Therapie optimiert werden können?
            
               
               
                  
                     
                     Wie seit der DOPPS[2]-Studie [3] bekannt ist, steigt das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko abhängig vom Serumkalzium
                        an. Um eine Hyperkalzämie zu vermeiden, wurde daher das Dialysatkalzium gesenkt und
                        ein kalziumfreier Phosphatbinder verordnet. Inzwischen gilt längst ein Kalziumgehalt
                        im Dialysat von 1,25 mmol/l als Standard; weit besser als mit hoher Kalziumzufuhr
                        wird das erhöhte PTH durch die modernen Therapien der sHPT (Phosphatsenkung, Vitamin-D-Rezeptor-Aktivierung,
                        Calcimimese) supprimiert. Eine negative Kalziumbilanz muss dabei wegen eines potenziellen
                        konsekutiven PTH-Anstiegs und eine unnötige Kalziumbeladung wegen des Kalzifizierungsrisikos
                        vermieden werden. Zunehmend mehr Patienten werden sogar mit Dialysatkalziumkonzentrationen
                        unter 1,25 mmol/l behandelt - mit gutem Erfolg.
                     
                     
                     Liegt das Serumkalzium im Zielbereich, so ist ein zu hoher Phosphatwert dann mit kalziumfreien
                        Phosphatbindern zu korrigieren, da das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko parallel
                        zum Serumphosphat ebenfalls deutlich ansteigt [2], [3]. Für Sevelamer kann die Dosis bis auf 5-mal
                     
                     
                     800 mg pro Mahlzeit (3-mal täglich) gesteigert werden. Sevelamer ist ein nicht resorbierbares,
                        Amin(hydrochlorid)polymer. Die Bindungseigenschaften von Sevelamer ähneln den von
                        Ionentauschern. So kann es Gallensäuren und LDL-Cholesterin binden, was in klinischen
                        Studien bei Hämodialysepatienten das LDL um bis zu 31% senkte. Wie bei Phosphatbindern
                        auf Aluminium- und Kalziumbasis bekannt, werden auch bei Sevelamer in sehr seltenen
                        Fällen Interaktionen (Hypothyreose) zu L-Thyroxin beobachtet [1]. Auch die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin verringert sich auf circa 50 %, wenn
                        es gleichzeitig mit Sevelamer verabreicht wird. Zur Sicherheit sollten solche Präparate
                        zeitversetzt zu Sevelamer eingenommen werden. Die Fachinformation sieht ein Intervall
                        von 1 Stunde vor und 3 Stunden nach der Einnahme des Phosphatbinders vor, wenn eine
                        Reduktion der Bioverfügbarkeit eines medizinischen Präparats gegeben ist. Es empfiehlt
                        sich eine enge Therapieüberwachung auch bei Antikoagulantien-, Digitoxin-, Antiarrhythmika-
                        und Antikonvulsivatherapie. Wenn nötig muss deren Dosis erhöht werden. Damit sowie
                        durch Verschiebung der Einnahme-Intervalle können unerwünschte Interaktionen minimiert
                        werden.