Dialyse aktuell 2008; 12(5): 280
DOI: 10.1055/s-0028-1085082
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wissenschaft ganz praxisnah – Die Erfurter Dialysefachtagung

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Dr. Bettina Albers

Weimar

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Publication Date:
06 August 2008 (online)

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Bereits zum 17. Mal jährte sich die Erfurter Dialysefachtagung im altehrwürdigen Kaisersaal. Die von Jahr zu Jahr wachsenden Besucherzahlen fordern vom Veranstalter, dem Verein „Colloquium nephrologicum Thüringen e. V.” unter dem Vorsitz von Dr. Christoph C. Haufe, zunehmend mehr Kreativität und Gestaltungskraft. Das Angebot der Fachtagung, das alle in den nephrologischen Teams vertretenen Berufsgruppen berücksichtigt, war breit aufgestellt: Neben der medizintechnischen und pharmazeutischen Ausstellung gab es den „Techniker–Nachmittag” sowie ein weit gefächertes Programm an Fachvorträgen. Assoziiert fand zudem ein Satellitensymposium für Ärzte statt, das in diesem Jahr die Firma Amgen unterstützte und das besonders die Themen „Zystenniere” und „Impfung” behandelte.

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Zystennieren – Heilung in greifbare Nähe gerückt?

Prof. Peter Gross, Dresden, referierte über neue, hoffnungsvolle Ansätze in der Therapie von Zystennieren. Die autosomal–dominante, polyzystische Nierenerkrankung ist mit einer Inzidenz bis zu 1 ‰ eines der häufigsten monogenen Erbleiden und bisher nur symptomatisch behandelbar. Die Zystenprogression führt über einen Verlauf von durchschnittlich 50 Jahren zur terminalen Niereninsuffizienz.

Als Multisystemerkrankung ist das klinische Bild vom individuell variablen Verlauf und extrarenalen Komplikationen geprägt: zerebrale und aortale Aneurysmen, Leber–, Pankreas– und Gallengangszysten, Kolondivertikel (oft bei Transplantationen problematisch).

Beschwerden sind allein durch die Größe der Zystennieren möglich. Zysteneinblutungen können Schmerzen verursachen und zur Makrohämaturie führen. Anfangs kommt es nicht zur Beeinträchtigung der Organfunktion, sodass viele Patienten erst zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr von ihrem Schicksal erfahren. Sie werden daraufhin ohne Hoffnung auf eine Spontanremission, wie es etwa Glomerulonephritis–Patienten haben können, dialysepflichtig.

Schon vor 10 Jahren zeigten Wilson et al. [4], dass Zystenepithel im Gegensatz zu Tubulusepithel in Kultur signifikant schneller proliferiert und spontan Lakunen formiert, aus welchen sich Zysten mit einem Druck bis zu 10 mmHg bilden. Die Mitoserate in der Zystenwand ist erhöht, der Zysteninhalt ist stark chloridhaltig und ebenso der Gehalt an cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) [2].

Die Entdeckung der Genprodukte Polycystin 1 und 2 klärte weitere Zusammenhänge: Diese Proteine kontrollieren normalerweise tubuloepitheliale Kalziumkanäle sowie die mTOR–Proteine (mTOR: „mammalian target of rapamycin”). Mutationen führen zur mTOR–Enthemmung und einer gestörten intrazellulären Kalziumverteilung, was wiederum die Adenylatzyklase aktiviert. Diese kurbelt die cAMP–Bildung an, was die aktive Chloridsekretion in die Zysten fördert. Die Blockade der cAMP–Bildung bzw. die Hemmung der gesamten Signaltransduktion verhindert erfolgreich das cAMP–vermittelte Zystenwachstum.

Zur Blockade verwendeten die Wissenschaftler verschiedene Substanzen: So führten Vasopressinrezeptor–Antagonisten in verschiedenen Tiermodellen zu signifikant geringeren Zystenvolumina, Nierengewichten, cAMP–Gehalt und Fibroseindizes. Vielversprechend zeigt sich auch der Einsatz [3] von Somatostatin und mTOR–Inhibitoren (Sirolimus).

Impfempfehlungen für CKD 1–5

  • Tetanus und Diphterie: immer bei fehlendem Schutz

  • Hepatitis B: je früher, desto besser; bei Non–Response an der Dialyse 2–malig komplette Impfzyklen mit doppelter Antigendosis

  • Influenza: jährlich wegen der Gefahr schwerwiegender bakterieller Folgeinfektion und Überlastung des Herz–Kreislauf–Systems

  • Pneumokokken: besonders bei respiratorischen Infektionen in der Anamnese und immer mit 23–valentem Impfstoff, da er die Mehrzahl der relevanten Pneumokokkenstämme abdeckt

  • Polio IPV (inaktivierte Polio–Vakzine): Totimpfstoff immer bei fehlendem Schutz

  • Hepatitis A: bei Reisen in südliche Länder

  • pädiatrische Impfungen sind bei Dialysepflicht generell unbedenklich (inklusive Lebendimpfstoffe wie Mumps, Masern, Röteln, Varizellen); es gelten keine Kontraindikationen

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Impfungen bei chronischer Niereninsuffizienz und nach Transplantation

Über den aktuellen Status Quo zum Thema „Impfstrategie bei chronisch Nierenkranken” gab Prof. Matthias Girndt, Homburg, einen Überblick. Die beeinträchtigte Lymphozytenfunktion bei Nierenerkrankungen führt einerseits zu einem erhöhten Infektionsrisiko und andererseits zu möglichem Impfversagen wegen verminderter Aktivierung nativer T–Zellen. Da kein echter T–Zell–Defekt vorliegt, sind jedoch viele Impfungen oft wirksamer und unbedenklicher als angenommen und somit gerade für gefährdete Patienten besonders wichtig.

Auffrischungen von bereits vor der CKD („chronic kidney disease”) erfolgten Impfungen bewirken generell gute „Recall”–Antworten. Es besteht eine eingeschränkte Antwort auf einige Erstimpfungen mit gering immunogenen viralen Impfstoffen, jedoch nicht auf alle, da manche Impfstoffe (mit großen Polysaccharidantigenen) direkt die B–Zellen stimulieren.

Nach einer Transplantation sind Impflücken oft nicht mehr zu schließen. Generell problematisch sind bei Immunsupprimierten Lebendimpfstoffe wie Mumps, Masern, Röteln und Gelbfieber. Trotz möglicherweise eingeschränkter Response sollten folgende Totimpfungen bei gegebener Indikation auch bei Transplantierten durchgeführt bzw. aufgefrischt werden: Tetanus, Diphterie, Polio, Hepatitis A, FSME, Pneumokokken, Pertussis, Influenza und Hepatitis B. Wie eine Studie [1] an Herztransplantierten mittels Biopsien nachweisen konnte, kommt es nach aktiven Impfungen nicht, wie oft befürchtet, zur Rejektionsinduktion.

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Literatur

  • 1 Blumberg EA, Fitzpatrick J, Stutman PC. et al. . Heart Lung Transplant. 1998;  17 1075-1080
  • 2 Mangoo–Karim R, Uchic M, Lechene C, Grantham JJ.. Proc Natl Acad Sci USA. 1989;  86 6007-6011
  • 3 Torres VE, Harris PC, Pirson Y.. Lancet. 2007;  369 1287-1301
  • 4 Wilson PD, Schrier RW, Breckon RD, Gabow PA.. Kidney Int. 1986;  30 371-378
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Dr. Bettina Albers

Weimar

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Literatur

  • 1 Blumberg EA, Fitzpatrick J, Stutman PC. et al. . Heart Lung Transplant. 1998;  17 1075-1080
  • 2 Mangoo–Karim R, Uchic M, Lechene C, Grantham JJ.. Proc Natl Acad Sci USA. 1989;  86 6007-6011
  • 3 Torres VE, Harris PC, Pirson Y.. Lancet. 2007;  369 1287-1301
  • 4 Wilson PD, Schrier RW, Breckon RD, Gabow PA.. Kidney Int. 1986;  30 371-378
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Dr. Bettina Albers

Weimar