Zu den Voraussetzungen für eine optimale Dialysequalität gehört ein qualitativ einwandfreies
Permeat. Um dies zu gewährleisten müssen Dialysewasseranlagen regelmäßig auf ihre
mikrobiologische Belastung mit Keimen und Endotoxinen hin überprüft werden. Im Dialysezentrum
Bocholt werden die vorgeschriebenen Grenzwerte seit 7 Jahren deutlich unterschritten.
Manfred Selke, Nephrologe im Zentrum Bocholt, sprach mit uns über die Gründe für das
gute Abschneiden.
? Worauf führen Sie die guten mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse im Dialysezentrum
Bocholt zurück?
Manfred Selke: Wir verfügen über eine moderne Wasseraufbereitungsanlage mit Integration eines Ultrafilters
und regelmäßiger Heißreinigung des Leitungssystems bis in das Dialysegerät. Die aktuell
geforderte mikrobiologische Permeatqualität nach der europäischen Pharmakopoe von
1997 mit < 10² KBE/ml (koloniebildende Einheit) und < 0,25 EU/ml ("endotoxin units")
als Minimalstandard wird durch diese Technik deutlich unterschritten. Auch die zukünftig
zu erwartende Forderung nach ultrareinem Permeat mit < 10-¹ KBE/ml und < 0,03 EU/ml
Endotoxin wird weitgehend erfüllt.
? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang Ihrer Ansicht nach das Ringleitungsmaterial?
Selke: Eine besondere Rolle als Kontaminationsquelle spielt das Leitungssystem, auf dessen
Oberfläche sich Schichten von Mikroorganismen, Lipopolysaccharide und Peptidoglukane
ablagern können. Aus diesem "Biofilm" können sich unter anderem Bakterienfragmente
ablösen, die pyrogene Eigenschaften besitzen und insbesondere im Rahmen der Rückfiltration
bei großporigen High-flux-Membranen Fieberreaktionen auslösen können.
Eine Möglichkeit der vorbeugenden Verhinderung einer Biofilmbildung ist die thermische
Desinfektion der Ringleitung mit über 80° C heißem Permeat. Bei einer Einwirkzeit
von mindestens 30 Minuten werden die vegetativen Zellen von Mikroorganismen sicher
abgetötet. Wir haben in unserem Dialysezentrum seit 7 Jahren eine PE-Xa-Ringleitung
(vernetztes Polyethylen) und erzielen damit sehr gute Ergebnisse.
? Warum ist ein hoher Hygienestandard so wichtig?
Selke: Die nach wie vor sehr hohe kardiovaskuläre Mortalitätsrate bei Dialysepatienten von
zirka 10 % pro Jahr hat ihre Ursache unter anderem in chronischen Entzündungszuständen,
die neben urämieassoziierten Faktoren auch durch die Dialysetherapie selbst bedingt
sind. Sowohl die Biokompatibilität bestimmter Dialysatoren als auch die Kontamination
von Permeat können langfristig durch chronische Stimulation des Immunsystems zu einer
anhaltenden Mikroinflammation mit Produktion von Entzündungsmediatoren oder Zytokinen
führen, die ihrerseits eine kausale Rolle in der Atherogenese spielen und sich in
Arterioskleroseplaques manifestieren können.
Bei einer konventionellen Dialysebehandlung hat der Patient regelmäßig Kontakt mit
zirka 150 Litern Permeat pro Dialyse. Voraussetzung muss daher sein, Mikroorganismen
und Endotoxine weitestgehend zu eliminieren.
Abb. 1 Mikrobiologische Langzeitauswertung des Dialysezentrums Bocholt
? Welchen Nutzen hat ein Dialysewasser weit unterhalb der Grenzwerte für Patient und
Arzt?
Selke: Von den bakteriellen zytokininduzierenden Substanzen (ZIS) können lediglich die Lipopolysaccharide
in dem gebräuchlichen Limulus-Test (LAL) erkannt werden, während zum Beispiel bakterielle
DNA-Fragmente nur durch Zytokininduktion in Monozyten nachgewiesen werden können.
Endotoxine werden teilweise durch bestimmte synthetische High-flux-Membranen durch
Absorption am Transfer durch die Dialysemembran gehindert. Da aber prinzipiell eine
Permeabilität für alle ZIS besteht, ist der aktuelle Grenzwert viel zu hoch. Zukünftig
sollte ultrareines Permeat zum klinischen Standard gehören. Hierfür sind eine moderne
zentrale Umkehrosmoseanlage mit integrierter Heißreinigung und permanenter Ultrafiltration
erforderlich. In unserer Dialysegemeinschaft wurde bereits bzw. wird bei Sanierung
oder Neubau in allen Zentren dieser Standard umgesetzt. Die mikrobiologische Qualität
der Wasseraufbereitung wird innerhalb eines qualitätsgesicherten Verfahrens überwacht.
? Was ist Ihre Empfehlung aus diesen Ergebnissen?
Selke: Die chronische Niereninsuffizienz und die Urämie verstehen wir heute zunehmend als
Inflammationszustand. Das therapeutische Eingreifen ist schwierig und verlangt einen
polypragmatischen Therapieansatz zur Vermeidung oder Verringerung chronischer Entzündungszustände.
Eine von vielen intervenierbaren Therapieoptionen ist daher eine sterile und pyrogenfreie
Dialysierflüssigkeit. Mikrobiologische Analysen der Wasserqualität sollten gemäß dem
Dialysestandard 2006 mindestens vierteljährlich erfolgen.
! Vielen Dank für das Interview Herr Selke.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der DWA GmbH & Co. KG, Ubstadt-Weiher