Dialyse aktuell 2008; 12(6): 382
DOI: 10.1055/s-0028-1086187
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Ziel ist ultrareines Permeat - Ultrafiltration und Heißreinigung sollten Standard sein

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Publication Date:
08 September 2008 (online)

 

Zu den Voraussetzungen für eine optimale Dialysequalität gehört ein qualitativ einwandfreies Permeat. Um dies zu gewährleisten müssen Dialysewasseranlagen regelmäßig auf ihre mikrobiologische Belastung mit Keimen und Endotoxinen hin überprüft werden. Im Dialysezentrum Bocholt werden die vorgeschriebenen Grenzwerte seit 7 Jahren deutlich unterschritten. Manfred Selke, Nephrologe im Zentrum Bocholt, sprach mit uns über die Gründe für das gute Abschneiden.

? Worauf führen Sie die guten mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse im Dialysezentrum Bocholt zurück?

Manfred Selke: Wir verfügen über eine moderne Wasseraufbereitungsanlage mit Integration eines Ultrafilters und regelmäßiger Heißreinigung des Leitungssystems bis in das Dialysegerät. Die aktuell geforderte mikrobiologische Permeatqualität nach der europäischen Pharmakopoe von 1997 mit < 10² KBE/ml (koloniebildende Einheit) und < 0,25 EU/ml ("endotoxin units") als Minimalstandard wird durch diese Technik deutlich unterschritten. Auch die zukünftig zu erwartende Forderung nach ultrareinem Permeat mit < 10-¹ KBE/ml und < 0,03 EU/ml Endotoxin wird weitgehend erfüllt.

? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang Ihrer Ansicht nach das Ringleitungsmaterial?

Selke: Eine besondere Rolle als Kontaminationsquelle spielt das Leitungssystem, auf dessen Oberfläche sich Schichten von Mikroorganismen, Lipopolysaccharide und Peptidoglukane ablagern können. Aus diesem "Biofilm" können sich unter anderem Bakterienfragmente ablösen, die pyrogene Eigenschaften besitzen und insbesondere im Rahmen der Rückfiltration bei großporigen High-flux-Membranen Fieberreaktionen auslösen können.

Eine Möglichkeit der vorbeugenden Verhinderung einer Biofilmbildung ist die thermische Desinfektion der Ringleitung mit über 80° C heißem Permeat. Bei einer Einwirkzeit von mindestens 30 Minuten werden die vegetativen Zellen von Mikroorganismen sicher abgetötet. Wir haben in unserem Dialysezentrum seit 7 Jahren eine PE-Xa-Ringleitung (vernetztes Polyethylen) und erzielen damit sehr gute Ergebnisse.

? Warum ist ein hoher Hygienestandard so wichtig?

Selke: Die nach wie vor sehr hohe kardiovaskuläre Mortalitätsrate bei Dialysepatienten von zirka 10 % pro Jahr hat ihre Ursache unter anderem in chronischen Entzündungszuständen, die neben urämieassoziierten Faktoren auch durch die Dialysetherapie selbst bedingt sind. Sowohl die Biokompatibilität bestimmter Dialysatoren als auch die Kontamination von Permeat können langfristig durch chronische Stimulation des Immunsystems zu einer anhaltenden Mikroinflammation mit Produktion von Entzündungsmediatoren oder Zytokinen führen, die ihrerseits eine kausale Rolle in der Atherogenese spielen und sich in Arterioskleroseplaques manifestieren können.

Bei einer konventionellen Dialysebehandlung hat der Patient regelmäßig Kontakt mit zirka 150 Litern Permeat pro Dialyse. Voraussetzung muss daher sein, Mikroorganismen und Endotoxine weitestgehend zu eliminieren.

Abb. 1 Mikrobiologische Langzeitauswertung des Dialysezentrums Bocholt

? Welchen Nutzen hat ein Dialysewasser weit unterhalb der Grenzwerte für Patient und Arzt?

Selke: Von den bakteriellen zytokininduzierenden Substanzen (ZIS) können lediglich die Lipopolysaccharide in dem gebräuchlichen Limulus-Test (LAL) erkannt werden, während zum Beispiel bakterielle DNA-Fragmente nur durch Zytokininduktion in Monozyten nachgewiesen werden können.

Endotoxine werden teilweise durch bestimmte synthetische High-flux-Membranen durch Absorption am Transfer durch die Dialysemembran gehindert. Da aber prinzipiell eine Permeabilität für alle ZIS besteht, ist der aktuelle Grenzwert viel zu hoch. Zukünftig sollte ultrareines Permeat zum klinischen Standard gehören. Hierfür sind eine moderne zentrale Umkehrosmoseanlage mit integrierter Heißreinigung und permanenter Ultrafiltration erforderlich. In unserer Dialysegemeinschaft wurde bereits bzw. wird bei Sanierung oder Neubau in allen Zentren dieser Standard umgesetzt. Die mikrobiologische Qualität der Wasseraufbereitung wird innerhalb eines qualitätsgesicherten Verfahrens überwacht.

? Was ist Ihre Empfehlung aus diesen Ergebnissen?

Selke: Die chronische Niereninsuffizienz und die Urämie verstehen wir heute zunehmend als Inflammationszustand. Das therapeutische Eingreifen ist schwierig und verlangt einen polypragmatischen Therapieansatz zur Vermeidung oder Verringerung chronischer Entzündungszustände. Eine von vielen intervenierbaren Therapieoptionen ist daher eine sterile und pyrogenfreie Dialysierflüssigkeit. Mikrobiologische Analysen der Wasserqualität sollten gemäß dem Dialysestandard 2006 mindestens vierteljährlich erfolgen.

! Vielen Dank für das Interview Herr Selke.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der DWA GmbH & Co. KG, Ubstadt-Weiher

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