Dialyse aktuell 2008; 12(7): 410
DOI: 10.1055/s-0028-1100476
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Therapeutische Optionen - Die Bedeutung von Adenosin für die Pathophysiologie der Niere

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Publication Date:
22 October 2008 (online)

 
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Prof. Hartmut Osswald, Tübingen, erläuterte in seinem Vortrag zur renalen Wirkung von Adenosin auf dem Nephrologenkongress in Tübingen die Auswirkungen von Adenosin auf die Niere.

Adenosin entsteht durch intra- und extrazellulären Abbau von ATP. Als Gewebshormon entfaltet das Adenosin seine Wirkungen über 4 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (A1-, A2a-, A2b- und A3-Rezeptoren). Sie wurden als Purin-P1-Rezeptoren klassifiziert und von den P2-Rezeptoren abgegrenzt, die durch Nukleotide wie ATP gesteuert werden. Der Adenosingehalt im Gewebe steigt unter Hypoxie an, wobei die extrazelluläre Adenosinbildung aus ATP eine entscheidende Rolle spielt.

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Vaskuläre Adenosinwirkungen

Während in allen Organen Adenosin eine Vasodilatation auslöst, sieht man in der Niere durch intraarterielle Gabe eine präglomeruläre Vasokonstriktion. Diese Vasokonstriktion im Vas afferens wird über A1-Rezptoren vermittelt und lässt sich durch selektive und nicht selektive Adenosinrezeptoren blockieren. Endogen gebildetes Adenosin, dessen Gewebsgehalt in der Niere nach 30 Sekunden Ischämie auf das 3-Fache ansteigt, löst in der postischämischen Rezirkulationsphase eine Vasokonstriktion aus, völlig im Gegensatz zu der reaktiven Hyperämie, die man in allen anderen Gefäßgebieten sieht. Die Adenosin-bedingte Vasokonstriktion lässt sich in Hunden, Ratten, Mäusen, Kaninchen und Menschen zeigen. Außer dieser vaskulären Wirkung steigert Adenosin im proximalen Tubulus die Flüssigkeitsreabsorption. Die diuretischen Wirkungen von Theophyllin und Koffein bleiben aus, wenn diese Substanzen Mäusen mit defizienten Adenosin-A1-Rezeptoren gegeben werden. Außerdem senkt Adenosin die Reninsekretion [2].

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Adenosin und tubuloglomeruläres Feedback

Das tubuloglomeruläre Feedback (TGF) ist die vaskuläre Antwort auf tubuläre Ereignisse. Das morphologische Substrat dieser Rückkopplung ist der juxtaglomeruläre Apparat. Das Signal für den TGF ist der Anstieg der Natrium-, Kalium- und Chloridkonzentrationen in der Tubulusflüssigkeit am Macula densa (MD)-Segment. Die MD-Zellen wandeln dieses Signal in ein oder mehrere Mediatoren um, die dann eine Vasokonstriktion des benachbarten Vas afferens auslösen. Hierbei scheint die ATP-Freisetzung aus MD-Zellen ins extraglomeruläre Interstitium der 1. Schritt zu sein, worauf der ATP-Abbau über CD39 (Ecto-Apyrase) und CD73 (Ecto-5'Nukleotidase) zur lokalen Adenosinbildung führt. Mäuse, bei denen der Adenosin-A1-Rezeptor defizient gemacht wurde, zeigen keinen TGF mehr. Diese Beobachtung und andere pharmakologische Beobachtungen haben zu dem Schluss geführt, dass das Adenosin der Mediator des TGF ist [2].

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Pathophysiologische Aspekte

Das postischämische Nierenversagen lässt sich durch Adenosinrezeptor-Antagonisten (AR-A) abschwächen, wie viele tierexperimentelle Arbeiten gezeigt haben. Auch andere Modelle des akuten Nierenversagens, wie beispielsweise durch Glycerin- oder Kontrastmittelgabe, zeigen eine Verbesserung der Nierenfunktion nach Gabe von AR-A. Bei Patienten mit kontrastmittelinduziertem Nierenversagen konnte ebenfalls mit dem AR-A Theophyllin eine Verbesserung der Nierenfunktion gezeigt werden [2]. Eine weitere Indikation für Antagonisten der Adenosin-A1-Rezeptoren ist die Verbesserung der Nierenfunktion bei chronischer Herzinsuffizienz. Zwei klinische Studien zu diesem Thema wurden kürzlich publiziert. Sie zeigen eine deutliche GFR-Steigerung und eine Verbesserung der diuretischen Wirkung von Furosemid. Diese neue Indikation wird zur Zeit in weiteren multizentrischen Studien untersucht, sodass es möglich erscheint, die sogenannte "Diuretikaresistenz" mit Adenosinantagonisten erfolgreich zu durchbrechen [1].

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Fazit

Für die Modulation der renalen Adenosinrezeptoren ergeben sich therapeutische Optionen für die Behandlung oder Prävention der Hypofiltration bei verschiedenen Formen der Nierenfunktionsverschlechterung mit Adenosin-A1-Rezeptor-Antagonisten. Im Gegensatz dazu lässt sich eine Hyperfiltration, wie sie im frühen Stadium des Diabetes mellitus auftritt, mit Adenosin-A1-Rezeptor-Agonisten behandeln. Zur Abklärung dieser Optionen sind weitere klinische Studien notwendig.

Prof. Dr. Hartmut Osswald, Tübingen

Dieser Text erschien zuerst im Current Congress zum 39. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie sowie der 41. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie

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Literatur

  • 01 Givertz MM . Massie BM . Fields TK . et al . The effects of KW-3902, an adenosine A1-receptor antagonist, on diuresis and renal function in patients with acute decompensated heart failure and renal impairment or diuretic resistance.  J Am Coll Cardiol. 2007;  50 1551-1560
  • 02 Vallon V . Muhlbauer B . Osswald H . Adenosine and Kidney Function.  Physiol Rev. 2006;  86 901-940
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Literatur

  • 01 Givertz MM . Massie BM . Fields TK . et al . The effects of KW-3902, an adenosine A1-receptor antagonist, on diuresis and renal function in patients with acute decompensated heart failure and renal impairment or diuretic resistance.  J Am Coll Cardiol. 2007;  50 1551-1560
  • 02 Vallon V . Muhlbauer B . Osswald H . Adenosine and Kidney Function.  Physiol Rev. 2006;  86 901-940