Dialyse aktuell 2008; 12(7): 414
DOI: 10.1055/s-0028-1100478
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Nephrotisches Syndrom - Das Dilemma des Relaps'

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Publication Date:
22 October 2008 (online)

 
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Ziel der Therapie des nephrotischen Syndroms ist eine komplette Remission, bedeutet diese doch meist die günstigste Prognose hinsichtlich künftiger Nierenfunktion und möglicher Komplikationen. Bei circa 50 % der Patienten mit nephrotischem Syndrom tritt allerdings ein Relaps auf, das heißt nach anfänglichem Ansprechen auf die meist hochdosierte Steroidtherapie tritt beim Versuch der Dosisreduktion beziehungsweise wenige Wochen nach dem Ausschleichen erneut eine hochgradige Proteinurie auf.

Während meist eine erneute Intensivierung der Steroidbehandlung wieder eine (Teil)remission bewirkt, ergibt sich das Dilemma hinsichtlich der weiteren Therapie aus der Frage, ob diese durch

  • eine dauerhafte Steroidtherapie, unter Umständen deutlich über der Cushingschwelle, oder

  • eine immunsuppressive Therapie mit anderen Substanzen oder

  • eine alleinige supportive Therapie erfolgen soll.

Wenngleich eine Vollremission wünschenswert ist, birgt die langfristige und hochdosierte Immunsuppression für sich relevante Morbidität und Mortalität. In manchen Fällen stellt sich so die Frage, ob die Behandlung für den Patienten nicht problematischer ist als die Erkrankung. Anstatt für alle Patienten ein Schema zu empfehlen, sollte vielmehr für den individuellen Patienten eine Nutzen-Risikoabwägung zwischen den Strategien erfolgen. Wesentliche Entscheidungshilfen ergeben sich aus

  • der renalen Grunderkrankung und damit dem Risiko des Nierenfunktionsverlustes,

  • bislang eingetretenen oder zu erwartenden extrarenalen Komplikationen und

  • dem Ansprechen auf eine supportive Therapie.

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Progrediente Niereninsuffizienz

Die Gefahr einer progredienten Niereninsuffizienz variiert neben dem generellen Ansprechen auf Steroide vor allem mit der ursächlichen renalen Erkrankung. Während bei "minimal change"-GN (Glomerulonephritis) auch bei Steroidabhängigkeit nahezu nie eine terminale Niereninsuffizienz droht, ist dies bei steroidempfindlicher FSGS (fokal segmentale Glomerulosklerose) mit einem Relaps von circa 20 % nach 10 Jahren zu beobachten. Bei membranöser GN gibt es andererseits bei bis zu einem Drittel der Patienten Spontanremissionen. Das Risiko des späteren Funktionsverlustes, welcher bei etwa 30 % der Patienten auftritt, korreliert mit der Hypertonie, Nierenfunktion und Proteinurie bei Diagnosestellung. Im Falle eines Relaps' verringert die erneute Therapie das Risiko der Dialysepflichtigkeit auf unter 10 %.

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Extrarenale Komplikationen eines nephrotischen Syndroms

Extrarenale Komplikationen des nephrotischen Syndroms, also arterielle wie venöse Thromboembolien, vermehrte Infekte und eine Hyperlipidämie, treten einerseits in Abhängigkeit vom Ausmaß der Proteinurie beziehungsweise Hypalbuminämie auf, sind aber zudem gerade bei membranöser GN gegenüber den anderen Ursachen deutlich häufiger.

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Supportive Therapie

Beim Einsatz supportiver Therapiestrategien ist im Einzelfall die Möglichkeit der Optimierung zu überdenken. Wurde bereits eine Thrombose nachgewiesen oder erfolgt wegen klinischer Hochrisikosituation eine systemische Antikoagulation? Traten hierunter Rezidivthrombosen oder relevante Blutungen auf? Ist die zur Reduktion der Proteinurie erforderliche Blockade des Renin-Angiotensin-Systems, etwa durch eine Kombination verschiedener Klassen, bereits erfolgt? Wurde eine begleitende Hyperlipidämie mit Statinen therapiert?

Weiteres Ziel der supportiven Therapie sollte die Minimierung zusätzlicher Nebenwirkungen der Steroidtherapie, wie zum Beispiel Osteoporose und diabetische Stoffwechsellage, sein.

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Immunsuppressive Therapie

Ergeben sich nach diesen Überlegungen Anhaltspunkte für ein hohes Progressionsrisiko oder schwerwiegende, supportiv nicht beherrschbare Komplikationen, ist eine intensivere immunsuppressive Therapie zu erwägen. Die erneute Therapie mit Kortikosteroiden, 1 mg/kg Körpergewicht pro Tag, stellt dabei meist den 1. und wesentlichen therapeutischen Schritt dar. Als weitere Immunsuppressiva sind Cyclosporin beziehungsweise Cyclophosphamid durch klinische Studien geprüft und ermöglichen ferner eine Steroidreduktion.

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Risiken der immunsuppressiven Behandlung vs. Risiken supportiver Therapie

Als Risiken der immunsuppressiven Therapie sind neben deren Wirkung und der damit verbundenen vermehrten Neigung zu Infekten auch intrinsische Nebenwirkungen wie Osteoporose bei Steroiden, vermehrte Tumorentwicklung unter Cyclophosphamid und Cyclosporin, Nephrotoxizität von Cyclosporin oder Myelosuppression durch Cyclophosphamid anzuführen. Wenngleich das Nebenwirkungsprofil neuerer Substanzen, wie etwa Mycophenolat oder Rituximab günstiger erscheint, ist doch zu bedenken, dass der Nutzen derartiger Therapien noch weniger durch die derzeitige Studienlage abgesichert ist.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sollte im Einzelfall der Nutzen einer intensivierten immunsuppressiven Therapie, zum Beispiel durch höherdosierte Kortikosteroidtherapie oder zusätzliche Therapie mit Cyclophosphamid, Cyclosporin oder neueren Substanzen gegenüber der damit verbundenen Toxizität abgewogen werden. Für Hochrisikopatienten, die etwa an einem Relaps bei FSGS oder membranöser GN leiden, empfiehlt sich ein immunsuppressives Regime, während bei Niedrigrisikopatienten, wie zum Beispiel Patienten mit "minimal change" mit geringer Proteinurie und Symptomfreiheit, eine symptomatische Therapie mit niedrigdosierter Steroidtherapie möglich sein kann.

Prof. Dr. Michael Fischereder, München

Dieser Text erschien zuerst im Current Congress zum 39. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie sowie der 41. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie