Diabetes aktuell 2008; 6(5): 194
DOI: 10.1055/s-0028-1101430
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Schlaganfall - Das Behandlungsfenster wird weiter

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Publication Date:
05 November 2008 (online)

 
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Patienten können noch bis zu 4,5 Stunden nach einem Schlaganfall davon profitieren, wenn ihnen ein Medikament verabreicht wird, das Blutgerinnsel im Gehirn auflöst. Bislang waren 3 Stunden als sinnvolle Grenze für die Gabe von Thrombolytika angesehen worden. Das Ergebnis der European Cooperative Acute Stroke Study (ECASS) ist jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden (Hacke W et al. Thrombolysis with alteplase 3 to 4.5 hours after acute ischemic stroke. N Engl J Med 2008; 359: 1317-1329).

"Diese neuen Erkenntnisse könnte zehntausenden Patienten zugute kommen, deren Hirndurchblutung wieder hergestellt werden kann", sagte der Leiter der Studie, Prof. Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, der die Studie auf dem Weltschlaganfallkongress in Wien vorstellte.

Ingesamt 826 Patienten in 130 europäischen Schlaganfallzentren, die 3-4,5 Stunden nach dem Schlaganfall in der Klinik behandelt wurden, erhielten entweder das Thrombolytikum Alteplase oder ein Placebo gespritzt. Eine Hirnblutung als Ursache des Schlaganfalls war zuvor mithilfe der Computertomografie ausgeschlossen worden.

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Je früher behandelt wird, desto besser ist das Ergebnis

Rund 52 % der mit Alteplase behandelten Patienten sprachen gut auf die Therapie an und trugen keine oder nur geringfügige Behinderungen davon. Dagegen waren es in der Placebogruppe nur rund 45 %. Todesfälle nach 3 Monaten traten in beiden Gruppen gleich häufig auf (8 %).

Die Wissenschaftler empfehlen aufgrund dieser Ergebnisse, Schlaganfallpatienten auch nach 3 Stunden mit Thrombolytika zu behandeln. "Dass wir mehr Zeit haben, heißt jedoch nicht, dass wir uns mehr Zeit nehmen dürfen", warnte Hacke. Nach wie vor sollten Patienten mit Schlaganfallzeichen so schnell wir möglich in die Klinik gebracht und behandelt werden, denn die ECASS-Studie habe auch gezeigt, dass die Patienten um so mehr Behinderungen davon trügen, je später sie behandelt würden.

Aber auch darüber hinaus wird diese Studie wichtige Weichen stellen: Seit über 12 Jahren hatte es keine positive Studie zur akuten Schlaganfalltherapie mehr gegeben, und ECASS 3 ist erst die zweite Akutstudie überhaupt, die beim Schlaganfall ein erfolgreiches Resultat gebracht hat. "Diese Studie wird Auswirkung auf das gesamte Feld der Schlaganfallmedizin haben. Endlich wurde wieder gezeigt, dass der Schlaganfall behandelbar ist, und das wird viele Wissenschaftler und Firmen ermutigen, weiter dieses Feld zu bearbeiten", so Hacke.

Über den Schlaganfall: Mehr als 250 000 Menschen in Deutschland erleiden jährlich einen Schlaganfall in Deutschland, mehr als 10 Millionen Patienten sterben jährlich weltweit am Schlaganfall, der damit weltweit Krebs als zweithäufigste Todesursache überholt hat. Mit steigender Lebenserwartung wird in Deutschland, vor allem aber in Entwicklungsländern, mit einer dramatischen Zunahme der Schlaganfälle gerechnet. Schlaganfall ist kein Schicksal, er ist vermeidbar und behandelbar!

Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg