Wer in einer Zeitung blättert, den Briefkasten öffnet oder den Fernseher anschaltet,
wird neben dem, was er eigentlich sucht, immer auch Beiträge einer anderen Art finden,
in denen Kaufleute und Dienstleister etwas anzeigen, nämlich ihre Produkte oder Dienstleistungen.
Obwohl uns vielleicht manchmal die geballte Ladung Werbung, die da so ständig auf
uns herniedergeht, gehörig auf den Geist geht, so hält sie uns doch auch irgendwie
auf dem Laufenden. Meist geht es nicht um die Information, dass es ein Produkt oder
eine Dienstleistung gibt, sondern dass man „nur” soundso viel dafür bezahlen muss.
„Konkurrenz belebt das Geschäft” heißt das Prinzip, und tatsächlich tut sich Kaufmann
Meier schwer, uns seine Bananen für 5 € das Kilo zu verkaufen, wenn es Kaufmann Müller
gelungen ist, uns darüber in Kenntnis zu setzen, dass er von uns nur die Hälfte will.
Lag diese Erfahrung aus dem täglichen Leben den Überlegungen des Sachverständigenrates
des Bundesgesundheitsministeriums zu Grunde, gegen die ständig zunehmenden Kosten
im Gesundheitswesen mit den Waffen der Marktwirtschaft zu Felde zu ziehen? „Mehr Wettbewerb
ins System!” riefen denn die verantwortlichen Gesundheitspolitiker wie einen Zauberspruch
in die Mikrofone der Journalisten und machten eine Gesundheitsreform. Damit's nicht
gleich so weh tut, hatten sie sich diesmal etwas Besonderes ausgedacht: eine Reform
mit Etappen wie bei der Tour de France. Ohne dass es weiterer großer Ankündigungen
und kontroverser Diskussionen bedarf, wird wohl mit Beginn des neuen Jahres eine weitere
Etappe eingeläutet, eine wahre Königsetappe...
Ab 2009 sollen alle Mitglieder aller Gesetzlichen Krankenkassen den gleichen Beitragssatz
bezahlen, in einen großen gemeinsamen Topf, den Gesundheitsfond. Die Idee dahinter
ist, dass Krankenkassen dann nicht mehr mit einem niedrigen Beitragssatz um Mitglieder
werben können, der ja nur durch einen besonders hohen Anteil gesunder (junger) Mitglieder
oder durch eine angezogene Handbremse bei den Leistungen erreicht werden kann. Vielmehr
haben dann (theoretisch) alle Krankenkassen die gleiche „Kriegskasse” und wer damit
für seine Mitglieder besonders attraktive Rahmenbedingungen gestaltet, hat die Nase
vorn.
Die Sache hat allerdings einen Haken. Da manche Kassen besonders viele ältere und/oder
kränkere Mitglieder haben, funktioniert ein „fairer” Wettbewerb nur, wenn dies bei
der Weitergabe der Beiträge aus dem Gesundheitsfonds berücksichtigt wird. Morbiditätsassoziierter
Risikostrukturausgleich, im Fachjargon „Morbi–RSA” heißt das Instrument. Für die ca.
80 häufigsten bzw. teuersten Erkrankungen gibt es dann feste „Kopfprämien” aus dem
Gesundheitsfonds. Damit werden plötzlich kranke Mitglieder für die Krankenkasse ungleich
interessanter als gesunde.
Zu Ende gedacht heißt das, wer sich für Prävention engagiert, also Geld ausgibt, dass
seine Mitglieder gesund bleiben (oder die Krankheit möglichst nicht schlimmer wird),
kriegt kein oder nur wenig Geld. Zu Ende gedacht heißt das auch, wäre die osteopathische
Behandlung reguläre Kassenleistung, dann bekäme sie am Ende noch – erfolgsbedingt
– Probleme... Da ist es schon fast ein Segen, wenn Therapeut und Patient sich ohne
Rücksicht auf übergeordnete Interessen darauf verständigen können, dass eine gute
Leistung einen guten Preis wert ist. Also „preiswert” und damit konkurrenzfähig. Geht
etwa am Ende „Wettbewerb” auch ganz anders und sehr viel segensreicher für alle Beteiligten
als es sich Sachverständige und Gesundheitspolitiker je träumen lassen?
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