Aktuelle Dermatologie 2009; 35(1/02): 39-42
DOI: 10.1055/s-0028-1103495
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Multiple Keratoakanthome als Differenzialdiagnose einer Prurigo nodularis bei monoklonaler Gammopathie

Multiple Keratoakanthomas as a Differential Diagnosis to Prurigo Nodularis Accompanied by Monoclonal GammopathyC.  Hann1 , P.  von den Driesch1
  • 1Klinik für Dermatologie und Allergologie, Zentrum für Hautkrankheiten am Klinikum Stuttgart
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Prof. Dr. Peter von den Driesch

Klinik für Dermatologie und Allergologie
Zentrum für Hautkrankheiten am Klinikum Stuttgart

Priessnitzweg 24
70374 Stuttgart

Email: pdriesch@klinikum-stuttgart.de

Publication History

Publication Date:
29 January 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Keratoakanthome sind rasch wachsende, meist an unbedeckter, lichtexponierter Hautregion entstehende epitheliale Tumore. Die Ätiologie ist ungeklärt. Es erkranken typischerweise Menschen weißer Rasse, Männer doppelt so häufig wie Frauen. Als Sonderformen sind Riesenkeratoakanthome, familiäre Keratoakanthome (Ferguson-Smith), generalisiert eruptive Keratoakanthome und das Keratoacanthoma centrifugum marginatum beschrieben. Wir stellen eine 83-jährige Patientin mit generalisierten Keratoakanthomen dar, die klinisch täuschend einer Prurigo nodularis ähneln und aus ihr entstehen können. Dieser Typ wurde von Boateng et al. 1995 beschrieben.

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Abstract

Keratoacanthomas are rapidly growing epithelial tumours, typically arising on sun-exposed areas. The etiology is unknown. Bright skin colour and male sex are risk factors. Special variants of this tumour are giant keratoacanthoma, familial occurrence of multiple keratoacanthomas (Ferguson-Smith), spontaneous occurrence of multiple keratoacanthomas in sun-exposed areas (Grzybowski). We present a 83-year-old female patient with generalized keratoacanthomas which clinically resemble and are associated with prurigo nodularis. This type has been described by Boateng et al. 1995.

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Einleitung

Keratoakanthome (KA) sind rasch wachsende, meist an lichtexponierten Hautregionen vorkommende Tumore des Haarfollikels, die histologisch Ähnlichkeiten mit einem spinozellularen Karzinom aufweisen.

Es erkranken fast ausschließlich Menschen weißer Rasse, Männer doppelt so häufig wie Frauen, gehäuft ältere Menschen > 60 Jahre.

Die Ätiologie ist weitestgehend ungeklärt, typisch ist ein Auftreten in Arealen mit chronischer UV-Belastung, seltener werden mechanische Traumata, topischer Kontakt mit chemischen Karzinogenen (z. B. Teerinhaltsstoffen) sowie Infektion mit humanen Papillomviren angeschuldigt. Eine Zunahme der Häufigkeit bei immunsupprimierten Patienten sowie eine Assoziation zu Neoplasien innerer Organe (insbesondere des Intestinaltraktes) wurden ebenfalls beschrieben. Extrem selten ist das disseminiert-exanthematische Auftreten von KA, bei dem verschiedene Varianten beschrieben wurden [3] [4]. Die Konstellation einer Kombination einer Prurigo nodularis und disseminierten KA in nicht chronisch UV-exponierten Arealen wurde erstmals von Boateng et al. als Variante des Typs Witten-Zak beschrieben [1] [2]. Neu an unserem Fall ist das gleichzeitige Bestehen einer benignen monoklonalen Gammopathie.

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Kasuistik

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Anamnese

Aufnahme einer 83-jährigen Patientin mit seit ca. einem Vierteljahr bestehenden extrem juckenden Hautveränderungen. Zunächst entwickelten sich die Hautveränderungen an den Unterarmen, Unterschenkeln und an der Kopfhaut, im Verlauf dann Ausbreitung der Effloreszenzen von distal nach proximal ([Abb. 1 a – d]). Die bisherige ambulante Therapie mit topischen Steroiden und Antihistaminika hatte keinerlei Verbesserung erbracht.

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Abb. 1 a – d Auftreten disseminierter Prurigo-artiger Herde, von denen die Mehrzahl sich als Keratoakanthome herausstellte.

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Dermatologischer und körperlicher Aufnahmebefund

Am gesamten Integument, auch in nicht chronisch licht-exponierten Regionen, multiple, scharf begrenzte erythematöse Papeln, z. T. einhergehend mit Kratzexkoriationen, insbesondere an Rücken und streckseitenbetont an beiden Beinen und Armen. Im Bereich des rechten Unterschenkels zeigt sich eine ca. 6 × 4 cm große erythematöse, infiltriert tastbare Plaque, ebenfalls im Bereich beider Handrücken, übergreifend auf den distalen Unterarmbereich zeigen sich erythematöse plaqueartige Effloreszenzen.

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Labor

Pathologisch: Kreatinin 1,0 mg/dl, Lymphozyten 14,6 %, HbA1c 6.1, Thrombozyten 364 T/ul.

Elektrophorese: Albumin 63,1, Alpha-1-Globulin 2,8, Alpha-2-Globulin 12,4, Beta-Globulin 12,2, Gamma-Globulin 9,5.

Immunfixation: monoklonale Gammopathie Typ IgM Kappa.

Restliche Laborparameter im Normbereich: Elektrolyte, Gerinnungsparameter, GOT, GPT, GGT, restliches BB und Differenzial-Blutbild, Hemofec einfach negativ, M. tuberculosis spez. T-Zellen negativ, CEA, Ca-125 sowie Ca-15-3.

Stuhluntersuchung: Bezüglich Salmonellen, Shigellen sowie Clostridium difficile-Toxin jeweils negativ.

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Apparative Diagnostik

Abdomen-Sonographie: unauffällig.

Röntgen-Schädel: kein Anhalt für Plasmozytom-typische Osteolysen.

Röntgen-Thorax: diskrete Verschwielungen im Zwerchfellrippenwinkel bds., sonst normaler Befund.

Knochenmarkspunktion mit entsprechender Knochenmarkszytologie bzw. Histologie: weder direkt noch indirekt Hinweis auf das Vorliegen eines multiplen Myeloms bei normaler Hämatopoese.

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Histologische Befunde

(Lokalisationen Unterschenkel rechts, Oberschenkel links und Unterarm): Immer wieder invasives Wachstum heller eosinophiler keratinozytärer Tumormanifestationen mit geringer Dysplasie und guter Differenzierung. Im Bereich der Hornareale Akkumulation von neutrophilen Granulozyten ([Abb. 2 a – b]).

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Abb. 2 a, b Histologischer Nachweis: Invasiv wachsende helle keratinozytäre Tumorformationen mit zentraler kraterförmiger Verhornung.

Beurteilung: Zu disseminierten, teils eruptiven, teils massiv exkoriierten flachen KA passend.

In anderen Exzidaten klassische Prurigoknoten.

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Therapie und Verlauf

Unter der klinischen Verdachtsdiagnose Prurigo nodularis war die stationäre Aufnahme erfolgt. Die völlige Therapieresistenz und das etwas ungewöhnliche klinische Bild führten dann zur Entnahme mehrer Probebiopsien, welche die Diagnose multipler Keratoakanthome erbrachten. Daraufhin erfolgten multiple Exzisionen mit Primärverschluss und im Bereich des rechten Unterschenkels zweizeitiges Vorgehen mit Transplantatdeckung mittels Meshgraft-Transplantation. Aufgrund der disseminierten Ausbreitung war es nicht möglich, alle Hautveränderungen zu exzidieren, sodass eine zusätzliche Behandlung der zahlreichen Keratoakanthome am Rücken und beider Arme mittels Erbium-YAG-Laser erfolgte. Zusätzlich erfolgte die stationäre Einleitung einer Systemtherapie mit Acitretin 25 mg 1-0-0, welche bis auf das Auftreten von Mundtrockenheit von der Patientin gut vertragen wurde.

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Diskussion

KA treten vorwiegend bei älteren Menschen auf. Es finden sich in der Literatur zahlreiche Fallbeispiele mit Hauptmanifestationsalter > 60 Jahre.

Die Ätiologie ist noch weitestgehend ungeklärt. Diskutiert wird das Auftreten der Erkrankung nach Einwirken aktinischer Noxen, nach mechanischen Traumata oder nach Kontakt mit chemischen Karzinogenen (Teerinhaltsstoffe und fraglich Papillomviren). Eine Zunahme der Häufigkeit wurde auch bei immunsupprimierten Patienten, bei Patienten mit Neoplasien innerer Organe (insbesondere des Intestinaltraktes) und auch bei Patienten mit multiplem Myelom [5] beobachtet. Bekannt ist auch der Fall, dass multiple KA als Komplikation nach einer CO2- Laserbehandlung auftraten [7]. Unterschieden werden Riesenkeratoakanthome mit Ausbildung einer stärkeren Entzündungsreaktion. Prädilektionsstellen sind hier Nase, Augenlider und insbesondere der Handrücken.

Ferguson-Smith beschrieb 1934 erstmalig die familiären KA, auf dem Boden autosomal-dominanter Vererbung (Mutation des Gens MSSE – multiple self-healing squamous epithelioma) kartiert auf Genlokus 9q31 [4] mit Vorkommen häufig an chronisch lichtexponierten Arealen [4].

Zudem werden multiple KA, deren Bildung an den gleichen Prädilektionsstellen nach Karzinogenkontakt, beispielsweise Teer entstehen, unterschieden [4].

Des Weiteren unterscheidet man die sehr seltene Form der generalisiert eruptiven KA, erstmalig 1950 von Grzybowski beschrieben: Auftreten von Hunderten bis Tausenden follikulär gebundener, geröteter, kuppelförmiger, juckender Papeln, vorkommend in Gesicht, Rumpf, auch Mundschleimhaut- und Kehlkopfbefall, selten mit spontaner Remissionsneigung, meist mit chronisch therapieresistentem Verlauf [6].

Als weitere Variante wird das Keratoacanthoma centrifugum marginatum beschrieben, eine Variante des Riesenkeratoakanthoms mit fast ganz fehlender spontaner Rückbildungsneigung. Prädilektionsstellen sind hier die Handrücken und die Beine.

KA sind gelegentlich histologisch schwer vom spinozellulären Karzinom zu differenzieren, manche sehen sie als Variante eines hochdifferenzierten Plattenepithelkarzinoms. Für die Diagnose ist eine Exzisionsbiopsie am besten geeignet, weil die Architektur erhalten bleibt. Typischerweise handelt es sich um einen symmetrischen epithelialen Tumor im oberen Korium, der von normaler bis leicht akanthotischer Epidermis lippenartig begrenzt wird. Zentral weist das KA einen zentralen, mehr oder weniger pseudozystischen Krater, ausgefüllt von ortho- oder parakeratotischem Hornmaterial und Granulozytenabszessen, auf. Das umgebende dermale Bindegewebe zeigt eine dichte, zellulär-entzündliche Reaktion, vorwiegend aus Lymphozyten, Histiozyten, Plasmazellen und typischerweise Eosinophilen.

Behandlungserfolge bei isoliertem Vorkommen werden mittels operativer Maßnahmen beschrieben, jedoch sollten die Läsionen mit einem Sicherheitsabstand zur Seite und zur Tiefe von 2 – 3 mm exzidiert werden, da bei nicht vollständiger Entfernung Rezidivraten von bis zu 30 % möglich sind. Auch operative Verfahren mittels Kürettage und anschließender topischer Anwendung von 5-Fluorouracil, aber auch intraläsionale Therapieerfolge mit wöchentlicher intraläsionaler Injektion mit 5-Fluorouracil über einen Zeitraum von 8 Wochen werden beschrieben [9].

Topisch angewandte Therapieerfolge, gerade bei generalisiert-eruptiven Keratoakanthomen sind eher nicht zu erwarten [4]. Hier sind systemische Therapien mit Acitretin (Neotigason) initial 0,5 – 1 mg/kg KG/Tag mit Reduktion auf eine Erhaltungsdosis mit Erfolg eingesetzt worden [8] [9] – im Gegensatz zu der kleineren follikulären Variante der KA, die auf die systemische Retinoidtherapie nicht ansprachen [7]. Des Weiteren werden in der Literatur Remissionen der Erkrankung unter Methotrexat und auch Fallbeispiele mit einer Remission der Erkrankung unter Cyclophosphamid [3] beschrieben.

Interessant an unserem Fall ist die Assoziation mit einer auch klinisch typischen Prurigo nodularis. Unsere Exzidate ergaben sowohl das histologische Bild von KA als auch von klassischen Prurigoknoten. Genau diese Konstellation wurde unseres Wissens zuerst von Boateng et al. [1] 1995 im Hautarzt beschrieben und als Variante des Witten-Zak angesehen. In beiden Beobachtungen wurden orale Retinoide als vorteilhaft für den Verlauf angesehen. Inwieweit die bei unserer Patientin nachgewiesene monoklonale Gammopathie hier pathogentisch eine prädisponierende Rolle spielt, kann aber derzeit nur spekuliert werden. Bei multiplem Myelom wurden jedenfalls generalisierte KA gesehen [3]. In jedem Fall sollte bei klinisch ungewöhnlichen oder therapieresistenten Prurigo nodularis-Formen eine Biopsie durchgeführt werden.

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Literatur

  • 1 Boateng B, Hornstein O P, von den Driesch P, Kiesewetter F. Multiple Keratoakanthome (Typ Witten-Zak) in Prurigo simplex subakuta.  Hautarzt. 1995;  46 (Feb) 114-117
  • 2 Witten V H, Zak F G. Multiple, primary, self-healing prickle-cell epithelioma of the skin.  Cancer. 1952;  5 (May) 539-550
  • 3 Oakley A, Ng S. Grzybowski's generalized eruptive keratoakanthoma: remission with cyclophophamide.  Australas J Dermatol. 2005;  46 118-123
  • 4 Wee S A. Multiple eruptive keratoacanthomas, de novo.  Dermatol Online J. 2004;  10 (Nov 30) 19
  • 5 Marzano A V, Bellinivia M, Caputo R, Alessi E. Keratosis lichenoides chronica and eruptive keratoacanthoma-like lesions in a patient with multiple myeloma.  J Eur Acad Dermatol Venereol. 2005;  19 129-133
  • 6 Consigli J E, Gonzalez M E, Morsino R. et al . Generalized eruptive keratoacanthoma (Grzybowski variant).  Br J Dermatol. 2000;  142 800-803
  • 7 Gewirtman A, Meirson D H, Rabinovitz H. Eruptive keratoacanthomas following carbon dioxide laser resurfacing.  Dermatol Surg. 1999;  25 666-668
  • 8 Street M L, White Jr J W, Gibson L E. Multiple keratoacanthomas treated with oral retinoids.  J Am Acad Dermatol. 1990;  23 862-866
  • 9 Yoshikawa K, Hirano S, Kato T, Mizuno N. A case of eruptive keratoacanthoma treated by oral etretinate.  Br J Dermatol. 1985;  112 579-583

Prof. Dr. Peter von den Driesch

Klinik für Dermatologie und Allergologie
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Priessnitzweg 24
70374 Stuttgart

Email: pdriesch@klinikum-stuttgart.de

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Literatur

  • 1 Boateng B, Hornstein O P, von den Driesch P, Kiesewetter F. Multiple Keratoakanthome (Typ Witten-Zak) in Prurigo simplex subakuta.  Hautarzt. 1995;  46 (Feb) 114-117
  • 2 Witten V H, Zak F G. Multiple, primary, self-healing prickle-cell epithelioma of the skin.  Cancer. 1952;  5 (May) 539-550
  • 3 Oakley A, Ng S. Grzybowski's generalized eruptive keratoakanthoma: remission with cyclophophamide.  Australas J Dermatol. 2005;  46 118-123
  • 4 Wee S A. Multiple eruptive keratoacanthomas, de novo.  Dermatol Online J. 2004;  10 (Nov 30) 19
  • 5 Marzano A V, Bellinivia M, Caputo R, Alessi E. Keratosis lichenoides chronica and eruptive keratoacanthoma-like lesions in a patient with multiple myeloma.  J Eur Acad Dermatol Venereol. 2005;  19 129-133
  • 6 Consigli J E, Gonzalez M E, Morsino R. et al . Generalized eruptive keratoacanthoma (Grzybowski variant).  Br J Dermatol. 2000;  142 800-803
  • 7 Gewirtman A, Meirson D H, Rabinovitz H. Eruptive keratoacanthomas following carbon dioxide laser resurfacing.  Dermatol Surg. 1999;  25 666-668
  • 8 Street M L, White Jr J W, Gibson L E. Multiple keratoacanthomas treated with oral retinoids.  J Am Acad Dermatol. 1990;  23 862-866
  • 9 Yoshikawa K, Hirano S, Kato T, Mizuno N. A case of eruptive keratoacanthoma treated by oral etretinate.  Br J Dermatol. 1985;  112 579-583

Prof. Dr. Peter von den Driesch

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Abb. 2 a, b Histologischer Nachweis: Invasiv wachsende helle keratinozytäre Tumorformationen mit zentraler kraterförmiger Verhornung.