Dialyse aktuell 2008; 12(8): 522-525
DOI: 10.1055/s-0028-1104661
Forum der Industrie

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Kalzifizierung - Das unterschätzte Risiko von CKD-Patienten?

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01 December 2008 (online)

 
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Die chronische Niereninsuffizienz ("chronic kidney disease": CKD) wird heute nicht mehr als reine Nierenerkrankung betrachtet. Die Komplexität des Geschehens führt im Rahmen des gestörten Mineralstoffmetabolismus parallel zum Abbau von Knochensubstanz, zur massiven Gefäßverkalkung und zur extraossären Kalzifizierung. Die internationale Nomenklatur lautet daher "CKD-MBD" ("Chronic Kidney Disease - Mineral Bone Disease"). Prognosebestimmend sind dabei die kardiovaskulären Schäden und eine dauerhafte Kontrolle der CKD-MBD senkt die Mortalität der Patienten nachweislich (22 937 Patienten) [1].

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Ein gestörter Mineralstoffhaushalt, insbesondere eine Hyperphosphatämie, erhöht das Mortalitätsrisiko sogar stärker als die Faktoren "Anämie" oder "schlechte Dialyse" [2], [3], [4]. Die im Mai auf dem Kongress der ERA-EDTA ("European Renal Association - European Dialysis and Transplant Association") vorgestellten KDIGO-Draft-Guidelines (KDIGO: "Kidney Disease: Improving Global Outcomes") schlagen daher vor, für das Serumphosphat Niereninsuffizienter keinerlei Abweichungen vom laborinternen Normbereich Gesunder mehr zuzulassen [5].

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Risikofaktoren für Knochen und Gefäße bei CKD-MBD

Jeglicher Kalknachweis bei Dialysepatienten, sei es in Koronarien [6], der Aorta, den Beckengefäßen oder der Fistel [7], steigert das Mortalitätsrisiko erheblich, wie PD Vincent Brandenburg, Leiter des Aachener Kalziphylaxieregisters, betonte. Die Zusammenhänge in der "Knochen-Gefäß-Achse" äußern sich in einer signifikanten Korrelation von Osteoporose und Koronarstenosen [8] und einem erhöhten Frakturrisiko [9] bei Dialysepatienten gegenüber Nierengesunden. Dialysepatienten mit einer erniedrigten BMD ("bone mineral density") haben wiederum ein schlechteres Überleben [10]. Das Unvermögen, Kalzium und Phosphat suffizient in den Knochen einzulagern, führt zur vaskulären Kalziumablagerung, sowohl bei Gesunden [11] und umso ausgeprägter bei Niereninsuffizienten.

Lange Zeit hielt man nur den renalen High-turnover-Knochenstoffwechsel (hyperparathyreote Osteitis fibrosa) für problematisch und den adynamen Knochen für harmlos. Heute weiß man aber, wie Brandenburg ausführte, dass besonders in dieser Situation jedwedes Plus an zugeführtem Kalzium extraossär in Geweben und Gefäßen "entsorgt" wird. So zeigten London et al. bereits 2004, dass der arterielle Verkalkungsscore umso höher liegt, je geringer die Osteoblastenoberfläche (und somit adynamer der Knochen) ist. Auch die aortale Pulswellengeschwindigkeit ist bei diesen Patienten signifikant höher (als Ausdruck der verringerten Windkesselfunktion in mediasklerotisch versteiften Gefäßen) und korreliert im Gegensatz zum aktiven Knochen mit der täglichen Kalziumbelastung [12].

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Den Knochen wecken

Da die hohe Mortalität von Dialysepatienten sowohl mit einem High-turnover- als auch mit einem adynamen Knochenstoffwechsel korreliert, muss die tägliche Therapie der CKD rechtzeitig darauf ausgerichtet sein, solche Folgeschäden zu reduzieren. In verschiedenen Studien wurden metall- und kalziumfreie Phosphatbindertherapien untersucht. Unter Sevelamer lässt sich im Tiermodell (diabetische LDLR-Knock-out-Mäuse in CKD 3/4 unter Fettdiät) das Serumphosphat und auch der aortale Kalziumgehalt bereits nach 6 Wochen signifikant senken. Was den Knochen betrifft findet man bei unbehandelten Tieren signifikant abnehmende Osteoblastenoberflächen, Knochenbildungsraten und Trabekalparameter, nicht jedoch unter Sevelamer [13].

"Die Wegnahme der Kalziumlast weckt den Knochen", so Brandenburg. Dies scheint auch beim Menschen zu funktionieren, wie eine japanische Untersuchung zeigte [14]: Ein Wechsel von kalziumhaltigen Phosphatbindern (PB) auf Sevelamer wandelte, gemessen an Parathormon (PTH), alkalischer Phosphatase und Osteocalcin, eine adyname in eine aktive Knochenstoffwechsellage um. Dabei korrelierte die sinkende Kalziumlast mit dem PTH-Anstieg, was einer laborchemisch messbaren Knochenaktivierung entspricht. Histologisch konnte bei Patienten unter Sevelamer ebenfalls eine signifikante Knochenaktivitätszunahme gezeigt werden [15]. Brandenburg schloss mit dem Verweis auf die "Treat-to-Goal"-Studie [3]: Wenn eine vaskuläre Kalzifizierung verhindert wird, verbessert sich die Knochendichte, und umgekehrt ("Treat the bone, cure the vessels").

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Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko

Wie Prof. Matthias Blumenstein, München, betonte, müsse der im Rahmen des Kongresses viel diskutierte Paradigmenwechsel beim renalen Hyperparathyreoidismus zur zeitlichen Vorverlagerung von Diagnostik und Therapiebeginn führen. So ist die extraossäre Kalzifikation ein anerkannter Mortalitätsprädiktor. Sie beginnt bereits in den frühen Stadien einer chronischen Nierenfunktionsstörung ab einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) unter 60 ml/min [16] und verläuft an der Dialyse akzeleriert. Das Patientenalter spielt dabei keine ausschlaggebende Rolle [17]. Faktoren, die den Krankheitsprozess maßgeblich beeinflussen, sind die Dauer der Nierenerkrankung (insbesondere die Zeit an der Dialyse), der Schweregrad der Störung des Knochenstoffwechsels und zusätzliche Begleiterkrankungen (insbesondere ein Diabetes mellitus).

Zwar unterscheidet sich die Endstrecke des kardialen Todes bei Nierenkranken und Gesunden klinisch-pathologisch nicht voneinander, so Blumenstein, jedoch müssen Therapie und Diagnostik den Unterschieden in der Pathogenese Rechnung tragen. Bei CKD-Patienten spielen neben der klassischen lumeneinengenden Intimasklerose (koronare Herzkrankheit), die im typischen Krankheitsverlauf eine systolische linksventrikuläre Herzinsuffizienz bedingt, auch eine arterielle Mediasklerose sowie interstitielle Gewebeveränderungen mit Mikrokalzifikationen des Myokards eine kausalpathogenetische Rolle [18], [19]. Die Bedeutung einer diastolischen Dysfunktion und Insuffizienz, kardialer Arrhythmien sowie des plötzlichen Herztodes rückt zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses.

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Diagnostische Möglichkeiten

Die Echokardiografie ist als nichtinvasive Methode für die Dokumentation morphologischer und funktioneller Pathologien des Herzmuskels, der Herzklappen und des Perikards auch bei Patienten mit CKD eine zuverlässige und kostengünstige Option. Für die Diagnostik der koronaren Makroangiopathie ist die konventionelle Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiografie weiterhin unverzichtbar und der Goldstandard. Dies gilt insbesondere für die Planung und Durchführung interventioneller und/oder herzchirurgischer Eingriffe. Die Diagnostik einer hämodynamisch relevanten Myokardischämie ist bei der CKD nicht einfach, da konventionelle Screeningmethoden, wie die Fahrradergometrie, oft nicht ausreichend vertrauenswürdig sind. Die Belastungsprüfung sollte vorzugsweise mit pharmakologischen Methoden (Stressechokardiografie oder Myokardszinitigrafie mit Dobutamin oder Adenosin) durchgeführt werden. Wegen der Gadoliniumtoxizität ist bei einer fortgeschrittenen CKD bezüglich einer MRT-Diagnostik ebenfalls Zurückhaltung geboten, obwohl grundsätzlich auch mit dieser Technik eine sehr gute Ischämiediagnostik möglich ist.

Mit der Mehrzeilen-Computertomografie (MSCT) steht heute eine validierte, einfache und extrem schnelle Untersuchungstechnik für die Früherkennung und Quantifizierung kardialer Kalzifikationen zur Verfügung, die auch bereits in frühen Stadien der Nierenerkrankung einsetzbar ist. Fortgeschrittene Kalzifikationen von Weichteilgeweben und arteriellen Gefäßen lassen sich selbstverständlich auch mit konventionellen Röntgenverfahren (z. B. einer Übersichtsdarstellung der Beckenorgane oder von Dialyseshuntgefäßen) nachweisen. Insgesamt ist die kardiovaskuläre Diagnostik hocheffektiv und sinnvoll. Sie sollte nicht nur zur einmaligen Bestandsaufnahme oder zur Klärung typischer Krankheitssymptome, sondern auch zur regelmäßigen Verlaufskontrolle bei allen CKD-Patienten eingesetzt werden.

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Phosphatbinder sind meist unumgänglich

"Wann ist der optimale Einsatz von Sevelamer, um die Kalzifizierung bestmöglich zu verhindern?" - diese Frage diskutierte Prof. Frank Strutz, Göttingen. Zunächst verwies er auf die neuen KDIGO-Guidelines, die Phosphatzielwerte im Normalbereich empfehlen. Bereits die alten KDOQI-Ziele waren laut Strutz mit den üblichen Dialyseregimen allein bei den meisten Patienten nicht zu erreichen, sodass bis heute praktisch kein CKD-Patient um eine diätetische Phosphatrestriktion herumkommt. Dies führt aber bei einem strengen Vorgehen aufgrund mangelhafter Eiweißzufuhr zur Malnutrition, die wiederum bei den oft multimorbiden Patienten unbedingt zu vermeiden ist. Die zusätzliche Gabe von Phosphatbindern ist also meist unumgänglich. Grundsätzlich sind alle auf dem Markt befindlichen Phosphatbinder wirksam, unterscheiden sich aber in verschiedenen Punkten.

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Vier unterschiedliche Möglichkeiten der Phosphatbindung

Insbesondere die hocheffektiven, aluminiumhaltigen Phosphatbinder werden wegen ihrer Gewebeakkumulation und schwerer Nebenwirkungen nicht für den Langzeiteinsatz empfohlen. Kalziumhaltige Phosphatbinder sind kostengünstig, effektiv und meist gut verträglich, die Patienten müssen jedoch eine große Zahl an Tabletten zu jeder Mahlzeit (4-6-mal täglich) einnehmen. Der Kalziumgehalt trägt zur Kalziumlast bei, die nicht über 1,5 g/d elementarem Kalzium liegen sollte. Insbesondere in Kombination mit Vitamin D kann es zur Kalzifikationsbeschleunigung der Gefäße kommen.

Das neuere Lanthankarbonat ist effektiv und hat den Vorteil der niedrigeren Tablettenzahl, was die Compliance erhöhen kann. Um wirken zu können muss es gekaut werden, was manche Patienten allerdings ignorieren. Entsprechend anderer moderner Medikamente ist auch dieses kostenintensiver. Wie Aluminium und Kalzium, so gehört auch Lanthan chemisch zu den Metallen und kann sich beispielsweise in der Leber anreichern [20]. Dies hat nach dem derzeitigen Wissenstand allerdings keine schädlichen Auswirkungen, abschließende Langzeitbeobachtungen stehen jedoch aus.

Die meisten kontrollierten Studien liegen derzeit zum kalzium- bzw. metallfreien Sevelamer vor. Dies ist ein polymerer, nicht resorbierbarer Phosphatbinder, der nach dem Prinzip des Ionenaustauschers funktioniert. Wie auch bei anderen Ionenaustauschern kann es gelegentlich zu Magen-Darm-Beschwerden kommen. Sevelamer darf in toto geschluckt werden, wird nicht intestinal resorbiert und ist effektiv. Darüberhinaus weist Sevelamer eine Reihe sogenannter pleiotroper Effekte auf.

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Pleiotrope Effekte von Sevelamer

Strutz verwies auf die Treat-To-Goal-Studie (TTG) [2], die nicht nur eine signifikante Kalzifizierungsverlangsamung unter Sevelamer nachwies (20 % Kalkzunahme versus 83 % bei kalziumhaltigen PB), sondern auch eine signifikante LDL-Senkung (LDL: "Low Density Lipoprotein"). Eine aktuelle Studie wies unter Sevelamer im Gegensatz zu Kalziumazetat eine CrP-Senkung (CrP: C-reaktives Protein) und einen Anstieg des Fetuinspiegels nach [21]. Fetuin-A ist ein körpereigener Faktor im Serum, der Kalzium-Phosphat-Ablagerungen verhindert. CrP als Entzündungsparameter kennzeichnet das urämisch-inflammatorische Milieu, welches verkalkungsfördernd wirkt.

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Kurzzeitbeobachtungen entsprechen nicht dem Langzeitverlauf

Die DCOR-Studie ("Dialysis Clinical Outcomes Revisited") [22] untersuchte, wie sich eine Therapie mit Sevelamer im Vergleich zu kalziumhaltigen PB auf die Mortalität und Morbidität von Hämodialysepatienten auswirkt. Die Drop-out-Rate lag bei zirka 50 % und insgesamt gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Mortalität zwischen den Studienarmen. Subgruppenanalysen zufolge wiesen aber Patienten über 65 Jahre unter Sevelamer eine um 23 % geringere Mortalität auf als unter der Therapie mit einem kalziumhaltigen Phosphatbinder.

Die Untersuchungen von Block et al. [6], [23] dagegen zeigten bei inzidenten Patienten (im Gegensatz zu den langjährigen Dialysepatienten der DCOR-Studie) eine deutliche Over-all-Überlegenheit von Sevelamer gegenüber der kalziumhaltigen Phosphatbindertherapie: Primär wurde die Zunahme der Gefäßkalzifizierung untersucht, die bereits nach 18 Monaten in der "Kalzium-Gruppe" signifikant höher als in der "Sevelamer-Gruppe" war. Beim 5-Jahres-Follow-up verstarben mehr als doppelt so viele Patienten in der Kalzium- als in der Sevelamer-Gruppe. In dieser Studie wurden die Patienten viel länger als bei DCOR nachbeobachtet, und die Überlebenskurven der Sevelamer- und Kalziumgruppe nehmen erst nach dem Zeitpunkt des DCOR-Studienendes einen signifikant divergenten Verlauf.

Bei dieser Datenlage, so Strutz, sei es nicht verwunderlich, dass Sevelamer in vielen europäischen Ländern gegenüber kalziumbasierten Phosphatbindern inzwischen der Vorzug gegeben werde: So beträgt der prozentuale Anteil der Patienten, die Sevelamer primär erhalten, in vielen unserer Nachbarländer über 50 %. Gesamteuropäisch gesehen erhalten 38 % aller neuen Dialysepatienten Sevelamer - in Deutschland nur 8 % bei der Ersteinstellung.

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Wann ist der optimale Beginn?

Block et al. zeigten nicht nur ein verbessertes 5-Jahres-Überleben unter Sevelamer, sondern auch, dass jeder Therapieerfolg mit Phosphatbindern von der Kalzifikation beim Dialysebeginn abhängig ist. Die Weichen werden also in der Prädialyse gestellt. Letztes Jahr zeigte eine firmenneutrale italienische Studie [24] bei Prädialysepatienten (CKD 3/4) einen dramatischen Stopp des TCS ("total calcification score") unter Sevelamer gegenüber Kalziumkarbonat.

Zusammenfassend forderte Strutz den rechtzeitigen Beginn eines adäquaten, therapeutischen Phosphatmanagements ab dem CKD-Stadium 3/4, um Kalzifizierungen zu vermeiden. Dazu gehört auch, die Kalziumlast frühzeitig auf ein nötiges Maß zu reduzieren, zum Beispiel durch den Einsatz kalziumfreier Phosphatbinder. Hierbei liegt für Sevelamer die größte Datenbasis vor, selbst in der Prädialyse (firmenunabhängig, zurzeit noch off-label). Die beschriebenen pleiotropen Effekte der Substanz kommen begünstigend hinzu.

Dr. Martina Berthold, Weimar

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Im Gespräch mit Prof. Frank Strutz, Göttingen

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Prof. Frank Strutz

? Seit den 1970er-Jahren wird die Hyperphosphatämie bei Dialysepatienten medikamentös behandelt - das optimale Präparat gibt es noch immer nicht. Welche Charakteristika müsste der ideale Phosphatbinder aus Ihrer Sicht haben?

Prof. Frank Strutz: Bei Dialysepatienten (CKD 5D), aber auch im Stadium CKD 4, wo die Phosphatretention als Folge von mangelnder renaler Elimination schon einsetzt, sollte eine Eiweißmangelernährung unbedingt vermieden werden. Daher müsste der ideale Phosphatbinder theoretisch in der Lage sein, täglich etwa 2000 mg Phosphat zu binden. Bei einer akzeptablen Phosphatrestriktion müssen aber mindestens 800 mg Phosphat gebunden werden. Die Einnahme sollte mit einer möglichst geringen Belastung für den Patienten verbunden sein: Kleine Tabletten oder Kapseln mit großer Wirkstoffmenge sind wünschenswert, vorstellbar wäre auch eine orale Applikation in flüssiger Form bzw. als Gel.

Sofern die Einnahme mit den Mahlzeiten erfolgt, muss der Phosphatbinder geschmacksneutral sein und er darf die Darmfunktion nicht beeinträchtigen (Obstipation, Durchfälle). Interaktionen mit anderen Medikamenten sollten möglichst nicht vorkommen bzw. müssen bekannt sein, damit eine entsprechende Dosisanpassung vorgenommen werden kann. Ideal wäre eine Einmalgabe pro Tag mit Wirkung am Darm über 24 Stunden. Weder die Substanz noch Hilfsstoffe im Präparat sollten vom Körper aufgenommen werden, keinesfalls im Körper kumulieren und so im Langzeitverlauf krankhafte Symptome verursachen. Also ist es eine vernünftige Vorgehensweise, auch bei künftigen Entwicklungen auf Kalzium- und Metallfreiheit zu setzen.

Natürlich muss der Preis akzeptabel sein - das heißt durchaus, dass gemessen am Nutzen nicht das billigste Präparat das beste ist. Eine Zulassung für Prädialysepatienten ist sehr wichtig, da die lebensverkürzenden Prozesse der vaskulären Kalzifizierung bereits in diesem Stadium stattfinden.

? In naher Zukunft werden die K/DOQI-Guidelines zu sHPT (renaler sekundärer Hyperparathyreoidismus), Kalzium und Phosphat bei CKD-Patienten durch die neuen K/DIGO-Leitlinien abgelöst, die etwa für den Parameter iPTH (intaktes Parathormon) eine größere Spanne gestatten. Gibt es eine solche liberalere Auslegung auch für die Serumphosphatwerte?

Strutz: Die neuen K/DIGO-Leitlinien orientieren sich stark an der Datenlage vorhandener Studien. Nicht alles, was nach pathophysiologischem Verständnis als therapeutisches Ziel richtig ist, konnte bisher in prospektiven randomisierten Studien an hinreichend großen Patientenzahlen bewiesen werden. Dies bedeutet nicht, dass Therapieziele, die nicht auf den Resultaten von RCTs ("randomized controlled trials") beruhen, deswegen automatisch falsch sind - sie sind eben nur "nicht bewiesen". Diese Vorbemerkung ist notwendig, wenn man richtig verstehen will, warum die Empfehlungen für einen oberen Phosphatzielwert von maximal 1,49 mmol/l bei Prädialysepatienten und maximal 1,78 mmol/l bei Dialysepatienten abgelöst werden von Phosphatwerten im Normalbereich des jeweiligen Labors (also im Regelfall bis 1,48 mmol/l).

? Und welche Konsequenzen hat dies für die Phosphatbindertherapie?

Strutz: Die konsequente Behandlung der Hyperphosphatämie bleibt ein wichtiges Therapieziel, für das auch in Zukunft der Einsatz von Phosphatbindern unerlässlich sein wird. Mit der angestrebten Normalisierung der Serumphosphatwerte werden Phosphatbinder natürlich einen noch höheren Stellenwert in der Therapie von Dialysepatienten bekommen. Aber auch bei Prädialysepatienten wird der Einsatz dieser Präparate zunehmen. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Präparate für die Therapie bei diesen Patienten zugelassen sind.

? Kehren wir unter allen genannten Aspekten noch einmal zur Frage neuer Phosphatbinder zurück. Welche aktuellen Entwicklungen gibt es auf diesem Gebiet, und was versprechen Sie sich als Nephrologe von den neuen Optionen?

Strutz: Die interessanteste Neuheit auf dem Gebiet der Phosphatbinder dürfte in den nächsten Jahren die Einführung von Sevelamerkarbonat sein. In den USA, wo Sevelamer der meistverwendete Phosphatbinder ist, befindet sich auch das neue Präparat bereits im klinischen Einsatz, und die Erfahrungen sind recht positiv. Bereits der Vorgänger Sevelamerhydrochlorid hatte viele aus der Sicht der Nephrologen erwünschte Eigenschaften wie die Kalzium-, Aluminium- bzw. Metallfreiheit, die Nichtresorbierbarkeit, die Senkung des LDL-Cholesterins als pleiotropen Effekt sowie ein geringes Risiko für eine Hyperkalzämie. Unter Sevelamer sinkt der Parathormonspiegel seltener als mit kalziumhaltigen Phosphatbindern unter den Zielwert.

Von Sevelamerkarbonat kann dies in gleicher Weise erwartet werden. Es wird verschiedene Darreichungsformen, also Pulver und Tabletten, geben, was die Compliance verbessern kann. Ganz besonders wichtig ist, dass für das Präparat eine Zulassung für Prädialysepatienten angestrebt wird. Wie in Studien wiederholt gezeigt wurde, können CKD-Patienten schon bei Dialysebeginn erhebliche - und prognosebestimmende - vaskuläre Kalzifikationen haben. Dem Nephrologen wird mit Sevelamerkarbonat ein weiteres Medikament zur Verfügung gestellt, mit dem diese pathologischen Prozesse bereits in einem frühen Stadium effektiv behandelt werden können.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Genzyme GmbH, Neu-Isenburg

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Kalzifizierung - das unterschätzte Risiko von CKD Patienten?" im Rahmen des Kongresses für Nephrologie in Tübingen, veranstaltet von der Genzyme GmbH, Neu-Isenburg

Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept

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Prof. Frank Strutz