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DOI: 10.1055/s-0028-1114259
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Typ-2-Diabetes - Gewichtsreduktion fördert die Therapiemotivation
Publication History
Publication Date:
24 December 2008 (online)
- Motivation des Patienten - Herausforderung für den Arzt
- Essen ist oft mehr als nur Genuss
- Nicht nur auf der kognitiven, auch auf der emotionalen Ebene motivieren
- Gewichtsreduktion als Motivationsschub
- Exenatide: Dauerhafte Reduktion von HbA1C und Gewicht über 3 Jahre
- Besserung der kardiovaskulären Risikofaktoren
- Günstige Wirkung auf postprandiale Werte
- Vorteile der Exenatide-Therapie
- Patientenbeispiel: Blutzuckerkontrolle plus Gewichtsreduktion
- Quellen
Wer in der Praxis Menschen mit Typ-2-Diabetes erfolgreich behandeln will, kämpft meist an mindestens zwei Fronten: Es gilt nicht nur, den Glukosemetabolismus möglichst normnah einzustellen, sondern zugleich gegen das fast immer vorliegende Übergewicht anzugehen. Genau das aber fällt den Betroffenen in aller Regel sehr schwer.
Beide Ziele - die adäquate Blutzuckereinstellung wie auch die Gewichtsreduktion - verlangen eine gute Mitarbeit des Patienten. Sie erfordern fast immer eine nachhaltige Umstellung der Lebensführung mit vermehrter körperlicher Aktivität und vor allem mit einer umfassenden Änderung des Essverhaltens, so dass eine langsame, aber kontinuierliche Gewichtsabnahme möglich wird.
#Motivation des Patienten - Herausforderung für den Arzt
Voraussetzung dafür, dass eine solche Änderung des Lebensstils realisiert wird, ist nach Privatdozent Dr. Matthias Frank aus Neunkirchen eine hohe Motivation des Patienten. Diese zu stärken und aufrechtzuerhalten - insbesondere im Hinblick auf die Gewichtsreduktion - stellt für den behandelnden Arzt eine große Herausforderung dar. "Denn die derzeit üblichen Therapiestrategien fördern eher noch die Gewichtszunahme", erklärte Frank bei einem Symposium von Lilly Deutschland bei der Herbsttagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Berlin.
So wird den Patienten üblicherweise zu 5 bis 6 Mahlzeiten täglich geraten, was bedeutet, dass sie 2 bis 3 Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen müssen. Bei einer kohlenhydratbetonten Kost provoziert dies eine kontinuierliche Gewichtszunahme. Darüber hinaus tragen hohe Insulinspiegel nach Frank zu Hungergefühlen und damit zur vermehrten Nahrungsaufnahme und weiteren Gewichtssteigerungen bei.
#Essen ist oft mehr als nur Genuss
Den "Spieß quasi umzudrehen", ist mit den herkömmlichen Strategien äußerst schwierig. "Wir müssen dazu auf 3 Ebenen agieren: dem Soma, der Psyche und der Verhaltensebene", erklärte der Diabetologe in Berlin. Das gestörte Essverhalten adipöser Patienten basiert nach seinen Worten zum einen auf psychischen Parametern. Denn Essen ist nicht nur mit Genussgefühlen verbunden, sondern steht auch für Trost und wird oftmals als Belohnung eingesetzt. Zum anderen ist bei der Motivation der Patienten laut Frank gegen Gewohnheit, Erziehung und soziale Normalität auf der Verhaltensebene anzukämpfen. Denn für viele Menschen ist Essen ein wichtiger Teil ihres sozialen Lebens. Ihr Essverhalten zu ändern, kann somit bedeuten, "aus der Gruppe zu fallen" [1]. Der verhaltensmedizinische Ansatz beinhaltet unter anderem ausführliche Gespräche mit den Patienten zu ihrer individuellen Situation. Auf Basis dessen werden gemeinsam Maßnahmen vereinbart, die in kleinen Schritten zu Therapieerfolgen und zur Motivation des Patienten führen.
#Nicht nur auf der kognitiven, auch auf der emotionalen Ebene motivieren
Menschen mit Typ-2-Diabetes und Übergewicht sehen nach Frank die Normalisierung ihres Körpergewichtes als eine der schwierigsten Aufgaben der Therapie an. Sie haben oft über Jahre und Jahrzehnte in ihrem Leben erfahren, dass alle Diätversuche scheitern und nicht zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion führen. "Es macht deshalb keinen Sinn, den Patienten erneut zur Ernährungsumstellung und zur vermehrten Bewegung zu raten", so Frank.
Im Gegenteil: Solche Ratschläge erleben die Betroffenen oftmals sogar als demotivierend. "Denn das genau haben sie in aller Regel mehrfach erfolglos versucht", so Frank. "Wir müssen ihnen deshalb neue Hilfen bieten, wenn wir sie dauerhaft zur Therapie motivieren wollen", forderte er in Berlin. Von entscheidender Bedeutung ist es nach seiner Erfahrung, den Patienten zu helfen, sich selbst und ihren Körper wieder realistisch wahr-zunehmen, bei der Nahrungsaufnahme zwischen tatsächlichem Hunger und Essen aus Gewohnheit zu unterscheiden und ihr Essverhalten entsprechend zu ändern - und dies alles nicht nur auf der kognitiven, sondern vielmehr auf der emotionalen Ebene. "Ziel ist es, den Patienten bei der Selbstreflexion zu helfen und aufzuzeigen, wie sie Stoppsignale bei ihren üblichen Verhaltensweisen wahrnehmen und darauf reagieren können", erklärte der Diabetologe. Laut Frank bieten in dieser Situation Therapieoptionen wie Exenatide eine mögliche Hilfestellung.
#Gewichtsreduktion als Motivationsschub
Eine durch die Behandlung direkt induzierte Gewichtsreduktion, wie sie als Begleiteffekt der blutzuckerregulierenden Wirkung durch Exenatide vermittelt wird, kann nach seinen Worten ein starker Motivator sein [2]. Denn der Wirkstoff eröffnet vielen Betroffenen erstmals realistische Chancen für ein erfolgreiches Gewichtsmanagement, was nach Frank von vielen Patienten dankbar aufgenommen wird. Durch die Therapie kann der Teufelskreis aus Gewichtszunahme und Verschlechterung von Blutzuckerwerten durchbrochen werden. Hierdurch können Widerstände vermieden oder sogar in Motivation umgekehrt werden. Als ideal betrachtet Frank nach eigenen Aussagen eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von 1 bis 2 Kilogramm pro Monat.
#Exenatide: Dauerhafte Reduktion von HbA1C und Gewicht über 3 Jahre
Durch eine Behandlung mit Exenatide lässt sich dies, so die Erfahrung des Mediziners, meist gut realisieren und das im Vergleich zur alleinigen Metformin-Gabe ohne substanzspezifisch induzierte Hypoglykämien. Der Wirkstoff ahmt die Wirkung des körpereigenen Inkretin-Hormons GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) nach, welches nicht nur die Insulinfreisetzung nach der Nahrungsaufnahme ankurbelt, sondern auch die Magenentleerung verzögert [3]. Dies führt nach Professor Dr. Juris Meier, Bochum, letztlich zu einer Reduktion des Körpergewichtes.
Exenatide bewirkt eine nachhaltige Reduktion des HbA1C-Wertes um etwa 1 % im Vergleich zu Placebo, wie die inzwischen über 3 Jahre vorliegenden Daten dokumentieren (Abb. [1]) [4]. Parallel zur HbA1C-Senkung ist in den Studien laut Meier auch eine stetige, signifikante Gewichtsreduktion zu beobachten.


Abb. 1 Unter Exenatide resultiert nach 3 Jahren ein dauerhaft gesenkter HbA1C-Wert und eine mittlere Reduktion des Körpergewichtes um 5,3 Kilogramm.
"Nach 3 Jahren hatte das Körpergewicht der Studienteilnehmer im Mittel um 5,3 Kilogramm abgenommen", so Meier. Insgesamt profitierten nach seinen Angaben 68 % der Patienten, die die Studie über 3 Jahre fortführten, durch eine Reduktion des HbA1C und gleichzeitig durch eine Senkung des Körpergewichtes. Die übrigen Patienten zeigten entweder eine HbA1C-Senkung oder eine Gewichtsabnahme und lediglich bei 6 % war kein Therapieerfolg zu verzeichnen. "In Einzelfällen wurden sogar Gewichtsreduktionen um bis zu 25 Kilogramm gesehen", so der Bochumer Diabetologe.
#Besserung der kardiovaskulären Risikofaktoren
Parallel zu der Gewichtsabnahme wurde nach Meier in der Studie auch eine Besserung der kardiovaskulären Risikofaktoren beobachtet: So nahmen die Triglyzeride im Mittel um 12 % ab, das Gesamtcholesterin wurde reduziert und das HDL-Cholesterin gesteigert. Meier: "Auch der systolische und der diastolische Blutdruck wurden gesenkt." Damit bessern sich gleich mehrere der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren.
#Günstige Wirkung auf postprandiale Werte
Als besonderen Vorteil der Exenatide-behandlung gegenüber anderen Therapiestrategien nannte Frank neben der Gewichtsabnahme die gute Senkung der postprandialen Blutglukosewerte. Die Ergebnisse einer 4-wöchigen Cross-over-Studie zeigen eine deutlich höhere Wirksamkeit von Exenatide gegenüber dem DPP-4-Hemmer Sitagliptin: Am Studienende lagen die postprandialen 2-Stunden-Werte im Vergleich zu Sitagliptin signifikant niedriger (133 mg/dl vs. 208 mg/dl, p < 0,0001). Bei den Studienteilnehmern, die nach 2 Wochen von dem DPP-4-Inhibitor auf das Inkretin-Mimetikum wechselten, war eine Verbesserung des postprandialen Blutglukosewertes zu beobachten (-76 mg/dl). Dieser Wert verschlechterte sich hingegen bei den Patienten, die nach 2 Wochen Exenatidebehandlung Sitagliptin erhielten (+73 mg/dl) (Abb. [2]). Darüber hinaus zeigte sich das Inkretin-Mimetikum im Hinblick auf die Reduktion des Körpergewichtes, den Glukagonspiegel und die Triglyzeride überlegen [5].


Abb. 2 In einer 4-wöchigen Cross-over-Studie ist Exenatide deutlich wirksamer als Sitagliptin.
Die bei Exenatide oft begleitend auftretende Übelkeit besteht nach Frank im Normalfall nur vorübergehend. Der Patient sollte gut über die mögliche Begleitreaktion informiert sein und er sollte außerdem wissen, dass diese auch mit einer nicht adäquaten Nahrungsaufnahme (zu viel und zu schnell) zusammenhängen kann.
#Vorteile der Exenatide-Therapie
Zusammengefasst resultieren nach Frank unter der Behandlung mit dem Inkretin-Mimetikum Exenatide einige Vorteile: Der Wirkstoff bessert die Blutglukoseeinstellung durch eine Reduktion der postprandialen Glukosewerte und eine Glättung des Blutzuckertagesprofils [6]. Er weist im Vergleich zur alleinigen Metformin-Gabe kein substanzeigenes Hypoglykämierisiko auf und führt zu vergleichbaren HbA1C-Reduktionen wie Insulin glargin [3] mit tendenziell häufigerem Erreichen von HbA1C-Werten unter 6,5 %. Es kommt nach Angaben des Mediziners außerdem zu einer verbesserten Prognose für den Therapieverlauf infolge der signifikanten und anhaltenden Gewichtsreduktion, dem Abbau kardiovaskulärer Risikofaktoren und es gibt Hinweise auf eine Verbesserung der Betazellfunktion.
#Patientenbeispiel: Blutzuckerkontrolle plus Gewichtsreduktion
Dass sich der innovative Behandlungsansatz vor allem für die Patienten lohnt, zeigt das Beispiel von Dr. Christine Höhne, die ihre Kasuistik selbst in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz darstellte. Bei einer Routineuntersuchung wurde bei der 58-jährigen Biologin im April 2006 ein Typ-2-Diabetes festgestellt.
Sie wurde zunächst mit Metformin und begleitend wegen einer Hypertonie auch mit Antihypertensiva behandelt. Bei einem HbA1C-Wert von 12,1 % wurde im Mai dieses Jahres zusätzlich Exenatide in einer Dosierung von zunächst 5 und nach 4 Wochen 10 µg zweimal täglich verordnet. Die Patientin wog zum damaligen Zeitpunkt 133 Kilogramm. "Ich hatte schon seit meiner Kindheit Gewichtsprobleme und habe es nie geschafft abzunehmen", erzählte sie in Berlin.
Das hat sich nach ihren Worten seit der Einnahme des Inkretin-Mimetikums geändert. Die Patientin beobachtete bei sich selbst ein verändertes Essverhalten mit deutlich weniger Appetit vor allem auf fetthaltige Nahrungsmittel. Infolge der Therapie reduzierte sich ihr Körpergewicht kontinuierlich auf mittlerweile 118 Kilogramm. Der Blutdruck ist spürbar gesunken ebenso wie der HbA1C-Wert, der inzwischen bei 7,4 % liegt. "Ich fühle mich erheblich besser, bin wieder aktiver geworden und sehr zuversichtlich, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt", berichtet die Patientin.
Christine Vetter
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung durch Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg, auf Basis einer Pressekonferenz und eines Symposiums im Rahmen der DDG-Herbsttagung am 7.11.2008 in Berlin. Die Autorin ist freie Journalistin. |
Quellen
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01 Lilly Market Research. Erlebniswelt von Patienten mit Typ 2 Diabetes. Stand August 2008.
-
02 Gallwitz B: Choose Control - Eine Befragung bei Menschen mit Typ 2 Diabetes (Daten für Deutschland) [Vortrag]. In: Symposium, DDG Jahrestagung, München 30.04.2008.
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03 Byetta® Fachinformation. Stand Februar 2008.
- 04 Klonoff DC . et al . Curr Med Res Opin. 2008; 24 (1) 275-286
- 05 DeFronzo RA . et al . Curr Med Res Opin. 2008; 24 (10) 2943-2952
- 06 Fehse F . et al . J Clin Endocrinol Metab. 2005; 90 (11) 5991-5997
Quellen
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01 Lilly Market Research. Erlebniswelt von Patienten mit Typ 2 Diabetes. Stand August 2008.
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02 Gallwitz B: Choose Control - Eine Befragung bei Menschen mit Typ 2 Diabetes (Daten für Deutschland) [Vortrag]. In: Symposium, DDG Jahrestagung, München 30.04.2008.
-
03 Byetta® Fachinformation. Stand Februar 2008.
- 04 Klonoff DC . et al . Curr Med Res Opin. 2008; 24 (1) 275-286
- 05 DeFronzo RA . et al . Curr Med Res Opin. 2008; 24 (10) 2943-2952
- 06 Fehse F . et al . J Clin Endocrinol Metab. 2005; 90 (11) 5991-5997


Abb. 1 Unter Exenatide resultiert nach 3 Jahren ein dauerhaft gesenkter HbA1C-Wert und eine mittlere Reduktion des Körpergewichtes um 5,3 Kilogramm.


Abb. 2 In einer 4-wöchigen Cross-over-Studie ist Exenatide deutlich wirksamer als Sitagliptin.