Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(4): 200
DOI: 10.1055/s-0028-1114281
DTG-Mitteilungen

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Tübingen - Jahrestreffen der AG Malaria

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. Dezember 2008 (online)

 
Inhaltsübersicht

Am 7. und 8. November 2008 fand in Tübingen das Jahrestreffen der AG Malaria der Paul-Ehrlich-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der DTG statt. Das Treffen wurde von Dr. Matthias Frank, Institut für Tropenmedizin Tübingen, organisiert. Zielsetzung der Tagung war es, ein Diskussionsforum für Wissenschaftler aus der Grundlagenforschung und aus der klinischen Forschung zu schaffen.

Schwerpunkte der Vorträge am 7. November waren Antigenvariationen der Plasmodien und generell Parasit-Wirt-Interaktionen. Am 8. November standen die Diagnostik, das Management und die Malariabekämpfung im Vordergrund.

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Zwei Konzepte der Medikamentenentwicklung

Als Gastredner aus Israel berichtete Prof. Hagai Ginsburg, Jerusalem, über das Potenzial von Naturprodukten als antimikrobielle Substanzen - ein Ergebnis des evolutionären Kampfes von Pflanzen oder auch Tieren gegen Mikroorganismen. Allerdings werden zum Screening dieser Substanzen eher funktionelle als biochemische Tests gefordert. Zu beachten sei auch, dass Naturprodukte typischerweise Kombinationen verschiedener Substanzen enthalten.

Mit dem "target-oriented drug development" stellte Prof. Martin Schlitzer, Marburg, den gegenteiligen Ansatz dar: Er berichtete von potenziellen Zielmolekülen ("drug targets") und Medikamenten, etwa den Farnesyltransferaseinhibitoren. Insgesamt stellte er jedoch fest, dass der Ansatz der zielgerichteten Medikamentenentwicklung bisher wenig gebracht hat. Letztlich ist es besser, ein gut wirksames Medikament zu haben, dessen Wirkungsmechanismus unklar ist, als ein Medikament mit bekanntem Wirkmechanismus, aber mit nur geringer Wirksamkeit.

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Studien zur Medikamentenwirksamkeit

Prof. Peter Kremsner, Tübingen, erläuterte den Stand der Entwicklung von Fosmidomycin in Kombination mit Clindamycin. Er stellte Studien mit dieser Wirkstoffkombination aus dem Gabun vor, ebenso wie die Ergebnisse von randomisierten, kontrollierten Studien in Gabun und Thailand im Vergleich zu S/P. Insgesamt sind die Ergebnisse äußerst vielversprechend, wie sich allerdings in Thailand zeigte, ist die Wirksamkeit abhängig vom Studienort, was bisher nicht gut erklärt ist.

Dr. Thomas Zoller, Berlin, berichtete über die Erfahrungen mit Artesunat bei Patienten mit schwerer Malaria in Berlin und Heidelberg. Ungelöst ist weiterhin das Problem, dass in Deutschland kein nach GMP-Kriterien (GMP: "good manufacturing practice") hergestelltes Artesunat verfügbar ist. In der Diskussion verwies Kremsner aber noch einmal auf die möglichen Limitationen der Sequamat-Studie (z. B. Chininresistenzen, Hypoglykämiekontrolle). Zoller merkte noch einen interessanten Befund an: Im späteren Verlauf der Erkrankung entwickelten 3 von 9 Patienten eine Hämolyse.

Dr. Martin Grobusch, Johannesburg, stellte den gegenwärtigen Stand der intermittierenden Therapie bei Kindern vor (IPTi: "intermittend preventive treatment in infants"). Die Daten von 6 placebokontrollierten Studien sind ausgewertet und zur Publikation eingereicht. Demnach ist die intermittierende Therapie bei Kindern eine Säule in der Malariabekämpfung bei Kindern. Die WHO überprüft gerade ihre diesbezügliche Politik.

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Malariadiagnostik

Dr. Norbert Schwarz, Tübingen, berichtete über seine Studien zur plazentaren Malaria: Kinder von Müttern mit plazentarer Malaria haben ein 2-fach erhöhtes Risiko als Kleinkind eine Malaria zu bekommen. Allerdings steigt dieses Risiko erst nach dem 1. Lebensjahr - offensichtlich schwer zu erklären. Frank berichtete über genetische Analysen an wieder aufgetretenen chloroquinsensiblen Plasmodium-falciparum-Stämmen im Gabun: Bei diesen handelt es sich nicht um Remutationen, sondern um von außen importierte Stämme.

PD Patricia Schlagenhauf, Zürich, stellte eine groß angelegte Analyse von importierten Malariafällen bei Kindern in Europa vor. Wichtigstes und nicht unbedingt überraschendes Ergebnis ist, dass vor allem Kinder von VRFs ("visiting friends and relatives") gefährdet sind. So waren beispielsweise nur 6 % der 3 816 Malariafälle bei Kindern in England zwischen 1992 und 2002 bei britischen Kindern aufgetreten. Dr. Ingrid Felger, Swiss Tropical Institute in Basel, berichtete über die Möglichkeiten der Genotypisierung bei Plasmodium vivax, was bei Therapiestudien von großer Bedeutung ist. Interessant war schließlich auch noch ein Vortrag von Dr. Wolfram Metzger, Berlin, über die Probleme der Malariadiagnostik in der Amazonasprovinz Venezuelas, etwa bei den Yanomani-Indianern.

Diese kurze Zusammenfassung einiger Vorträge zeigt, dass die Tagung hochinteressant und aktuell war - im Namen der DTG sei Herrn Frank für die hervorragende Organisation gedankt.

Prof. Gerd-Dieter Burchard, Hamburg

 
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