Pneumologie 2009; 63(2): 78-79
DOI: 10.1055/s-0028-1119451
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Austausch von Inhalatoren in der Apotheke aufgrund des Rahmenvertrages vom 1. 4. 2008 und individuelle Rabattverträge

Substitution of Inhalation Devices in the Pharmacy According to a Frame Contract (Dated 1st April, 2008) and Individual Discount RegulationsT.  Voshaar, Gemeinsame Stellungnahme von DGP, VDK und BDP
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Dr. med. Thomas Hausen

Grafenstr. 52
45239 Essen

Email: th.hausen@t-online.de

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Publication Date:
13 February 2009 (online)

Table of Contents #

Pneumologie 2008; 62 : 690 – 694

Die Erfahrung zeigt, dass die Rabattgesetze unsere therapeutischen Bemühungen gefährden. Für den Verordner ist es von großer Bedeutung, dass er die Auswirkungen seiner Tätigkeit richtig einschätzt. Dazu zählen seit diesem Jahr leider auch die Auswirkungen und Gefahren der Rabattgesetze. Ich möchte die potenziellen Gefahren mit einigen Beispielen erläutern und einige Hinweise für den praktischen Umgang mit Patienten und Apothekern geben.

Regierung und Kassen als Destabilisierungsfaktor für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen

Die Politik hat uns in den letzten Jahren Steine in den Weg geworfen, deren Auswirkungen sie nicht bedacht hat in ihrem einzigen Drang, Kosten zu reduzieren. Meistens belegen die Auswirkungen, dass die Verursacher ihre Schritte nicht genau durchdacht haben.

Wer heute Patienten mit einer Inhalationstherapie versorgt und feststellen muss, dass das Krankheitsbild bei jahrelang stabilem Verlauf plötzlich instabil wird, muss an weitere Fehlermöglichkeiten denken, die bislang keine Rolle gespielt haben:

Auswirkung der Festbeträge

Einer meiner Asthmatiker galt viele Jahre als Asthmatiker mit einem schwerstgradigen Asthma. Als ich ihn vor mehr als 25 Jahren kennen lernte, konnte der schlanke Mann die zwei Treppen zu seiner Wohnung nur unter Mühen bewältigen. So intensiv war die durch sein Asthma verursachte Luftnot.

Das erste, damals auf dem Markt befindliche ICS, BDP führte zwar schnell zu einer Besserung des Krankheitsbildes, eine aufkeimende Heiserkeit bis zum Stimmverlust zwang leider zum Absetzen. Leider führte das nächste ICS, BUD zur identischen Erfahrung. Erst das dritte ICS, FLS – inzwischen nicht mehr auf dem Markt – führte nur zu einer leichten, erträglichen Heiserkeit. Die schwächere Wirkpotenz führte allerdings zu keiner so intensiven Besserung wie bei den anderen ICS. Die Heiserkeit trat trotz der Verordnung der zur jeweiligen Substanz passenden Spacer auf.

Das vierte ICS, Flc konnte zu einer guten Stabilisierung führen. Außerhalb seiner Hochsaison Februar/März war ein einziger Hub Flc in der Lage, den Patienten beschwerdefrei zu machen.

Mit Einführen der Festbeträge sollte dieser Patient für das erfolgreiche und einzige verträgliche ICS einen für ihn unzumutbar hohen Eigenanteil zahlen, so dass nach einer Alternative zu suchen war. Mometason war erfolgreich, ohne dass Nebenwirkungen auftraten. Das Spiel mit dem Festbetrag setzte sich aber fort, nachdem auch für Mometason ein Festbetrag festgesetzt worden war. Ciclesonid, das letzte noch nicht benutzte ICS, erhielt die Stabilität, führte aber zu einer tolerablen Heiserkeit und konnte Verwendung finden, bis es auch unter die Festbetragsregelung fiel.

Guter Rat ist jetzt teuer, denn alle ICS sind entweder nicht tolerabel oder verlangen einen hohen Eigenanteil vom Patienten, den dieser nicht regelmäßig aufbringen kann. Die alleinige Asthmatherapie reicht nicht aus, für ihn eine Zuzahlungsbefreiung zu erwirken.

Auswirkung der Rabattverträge

Bereits seit 1. Januar 2003 können die Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge schließen, aber erst nach Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) am 1. April 2007 haben die Neuregelungen gemäß § 129 und § 130a SGB V eine direkte Auswirkung auf die Apotheken des neuen Arzneimittelrahmenvertrags nach §129 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e. V. am 1. 4. 2008 haben sich in Bezug auf die Austauschbarkeit von Inhalativa grundlegende Dinge verändert. Der Dschungel der damit verbundenen Schwierigkeit stellt Ärzte und Apotheker vor Probleme, die die Patienten zu spüren bekommen. Bei jedem Patienten, bei dem nach langer Zeit eines stabilen Krankheitsverlaufes „plötzlich” Beschwerden auftreten, muss auch nach einer veränderten Therapie, d. h. einem anderem Device (Inhaliergerät) gefragt werden!

Die Präparate mit identischem Inhaltsstoff werden in der Apotheke ausgetauscht, ohne dass der Verordner davon Kenntnis erhält. Dabei werden häufig auch die Inhaliergeräte ausgetauscht. Erst die Destabilisierung des Krankheitsbildes bzw. Beschwerden des Patienten sind ein Ausrufezeichen, auf das wir achten müssen. Denken wir nicht auch an die unten geschilderte Möglichkeit, wird der Grund für die Instabilität nur schwer zu finden sein.

1) Frau S. leidet unter einem allergischen Asthma. Mit der regelmäßigen Inhalation von BUD via Turbohaler® war sie beschwerdefrei. Im September 2008 erfolgte eine neue Verordnung ihres ICS. Zwei Wochen später stellte sie sich wegen neu aufgetretenem Hustenreiz und leichter Luftnot in der Praxis vor und fragte, ob dies dem neuen Präparat zuzuschreiben wäre.

In der Apotheke hatte sie statt ihres gewohnten BUD mit Turbohaler® ein Budesonid Easyhaler® erhalten. Ihr war die Inhalation mit dem neuen unbekannten Gerät nicht erklärt worden. Nach Rücksprache mit der Apotheke wurde das abgegebene gegen das verordnete Präparat ausgetauscht und die Stabilität des Krankheitsbildes war binnen weniger Tage wieder vorhanden.

2) Herrn S. wurde die Refillpatrone für seinen Novolizer® verordnet. Am nächsten Tag stellte er sich vor und informierte mich, dass er jetzt ein anderes Gerät erhalten hatte, das der Apotheker hätte abgeben müssen. Der Apotheker hatte ihm einen Easyhaler® mit BUD statt der Refillpatrone abgegeben, ohne ihn über die neue Anwendungstechnik zu informieren. Der junge Patient kam zwar nach Studium des Beipackzettels mit dem neuen Device zurecht, bemängelte aber die jetzt fehlende Rückmeldung für eine korrekte Inhalation und die Geschmacklosigkeit des Pulvers.

3) Dem 4-jährigen Kind wurde bei der Erstbehandlung seines Asthmas Montelukast per os sowie zur Inhalation 50 µg BDP (Beclomethasondiproprionat) als Dauertherapie und Salbutamol für den Bedarf verordnet; beide Substanzen sollten über eine Inhalierhilfe (Aerochamber®) inhaliert werden.

Bei der Kontrollvorstellung waren die Beschwerden nur unwesentlich gebessert und die Eltern gaben an, mit einem der Geräte nicht zurechtkommen zu können. Die Vorlage verschiedener Devices klärte das Problem schnell. Das BDP war ihnen nicht als DA sondern als Autohaler® ausgehändigt worden. Eine Inhalation via Spacer war so nicht möglich. Das Asthma war nach Rücksprache mit dem Apotheker und Austausch des Präparates in wenigen Tagen stabil.

Die wenigsten Ärzte sind darüber informiert, dass ein Austausch erfolgen muss, wenn ein entsprechender Rabattvertrag für die Krankenkasse vorliegt, und darf, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Identische Substanz, d. h. z. B. BUD (Budesonid) gegen BUD

  2. Gleiche Wirkstärke

  3. Gleiche Packungsgröße

  4. Gleiche Indikation (anderenfalls erfolgt ein „Off label Use”)

  5. Gleiche oder austauschbare Darreichungsform d. h. DA (Dosieraerosol) gegen DA oder DPI (Dry Powder Inhaler) gegen DPI, wenn sie dieselbe Bezeichnung in der Lauer Taxe haben. Bei den DPI wird zusätzlich zwischen den Inhalationspulver (IHP) und Inhalationskapseln (IKA) unterschieden.

So einen komplexen Abgleich verschiedener Kriterien gemäß Rahmenvertrag mit den Informationen zu den jeweiligen Rabattverträgen der unterschiedlichen Krankenkassen kann nur noch durch Software geleistet werden. In der Apothekensoftware gibt es aber auch Umsetzungsprobleme, so dass eine Apotheke anders austauscht als die Nachbarapotheke. Der pharmazeutische Sachverstand wird den Rabattverträgen und dem Retaxationsanspruch der Krankenkassen untergeordnet.

Die einzige Möglichkeit, um die gewünschte Verordnung für unsere Patienten mit Sicherheit zu gewährleisten, ist die Setzung des „aut idem-Kreuzes”. Leider hebeln wir Verordner dadurch die Rabattverträge aus und machen uns angreifbar.

Wir sollten bei der täglichen Arbeit immer daran denken, dass dank unserer „Verantwortlichen” im Gesundheitssystem neue Fehlermöglichkeiten kreiert werden, deren Auswirkungen wir und unsere Patienten zu spüren bekommen! Dabei wird die beste Medizin, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient regelrecht zerstört oder zumindest auf eine sehr harte Probe gestellt.

Dr. med. Thomas Hausen

Grafenstr. 52
45239 Essen

Email: th.hausen@t-online.de

Dr. med. Thomas Hausen

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