Pneumologie 2008;
62 : 690 – 694
Die Erfahrung zeigt, dass die Rabattgesetze unsere therapeutischen
Bemühungen gefährden. Für den Verordner ist es von großer
Bedeutung, dass er die Auswirkungen seiner Tätigkeit richtig
einschätzt. Dazu zählen seit diesem Jahr leider auch die Auswirkungen
und Gefahren der Rabattgesetze. Ich möchte die potenziellen Gefahren mit
einigen Beispielen erläutern und einige Hinweise für den praktischen
Umgang mit Patienten und Apothekern geben.
Regierung und Kassen als Destabilisierungsfaktor
für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen
Die Politik hat uns in den letzten Jahren Steine in den Weg
geworfen, deren Auswirkungen sie nicht bedacht hat in ihrem einzigen Drang,
Kosten zu reduzieren. Meistens belegen die Auswirkungen, dass die Verursacher
ihre Schritte nicht genau durchdacht haben.
Wer heute Patienten mit einer Inhalationstherapie versorgt und
feststellen muss, dass das Krankheitsbild bei jahrelang stabilem Verlauf
plötzlich instabil wird, muss an weitere Fehlermöglichkeiten denken,
die bislang keine Rolle gespielt haben:
Auswirkung der Festbeträge
Einer meiner Asthmatiker galt viele Jahre als Asthmatiker mit einem
schwerstgradigen Asthma. Als ich ihn vor mehr als 25 Jahren kennen lernte,
konnte der schlanke Mann die zwei Treppen zu seiner Wohnung nur unter
Mühen bewältigen. So intensiv war die durch sein Asthma verursachte
Luftnot.
Das erste, damals auf dem Markt befindliche ICS, BDP führte
zwar schnell zu einer Besserung des Krankheitsbildes, eine aufkeimende
Heiserkeit bis zum Stimmverlust zwang leider zum Absetzen. Leider führte
das nächste ICS, BUD zur identischen Erfahrung. Erst das dritte ICS, FLS
– inzwischen nicht mehr auf dem Markt – führte nur zu einer
leichten, erträglichen Heiserkeit. Die schwächere Wirkpotenz
führte allerdings zu keiner so intensiven Besserung wie bei den anderen
ICS. Die Heiserkeit trat trotz der Verordnung der zur jeweiligen Substanz
passenden Spacer auf.
Das vierte ICS, Flc konnte zu einer guten Stabilisierung
führen. Außerhalb seiner Hochsaison Februar/März war ein
einziger Hub Flc in der Lage, den Patienten beschwerdefrei zu machen.
Mit Einführen der Festbeträge sollte dieser Patient
für das erfolgreiche und einzige verträgliche ICS einen für ihn
unzumutbar hohen Eigenanteil zahlen, so dass nach einer Alternative zu suchen
war. Mometason war erfolgreich, ohne dass Nebenwirkungen auftraten. Das Spiel
mit dem Festbetrag setzte sich aber fort, nachdem auch für Mometason ein
Festbetrag festgesetzt worden war. Ciclesonid, das letzte noch nicht benutzte
ICS, erhielt die Stabilität, führte aber zu einer tolerablen
Heiserkeit und konnte Verwendung finden, bis es auch unter die
Festbetragsregelung fiel.
Guter Rat ist jetzt teuer, denn alle ICS sind entweder nicht
tolerabel oder verlangen einen hohen Eigenanteil vom Patienten, den dieser
nicht regelmäßig aufbringen kann. Die alleinige Asthmatherapie
reicht nicht aus, für ihn eine Zuzahlungsbefreiung zu erwirken.
Auswirkung der Rabattverträge
Bereits seit 1. Januar 2003 können die Krankenkassen mit
Arzneimittelherstellern Rabattverträge schließen, aber erst nach
Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) am 1. April
2007 haben die Neuregelungen gemäß § 129 und
§ 130a SGB V eine direkte Auswirkung auf die Apotheken des neuen
Arzneimittelrahmenvertrags nach § 129 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der
Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e. V. am
1. 4. 2008 haben sich in Bezug auf die Austauschbarkeit von
Inhalativa grundlegende Dinge verändert. Der Dschungel der damit
verbundenen Schwierigkeit stellt Ärzte und Apotheker vor Probleme, die die
Patienten zu spüren bekommen. Bei jedem Patienten, bei dem nach langer
Zeit eines stabilen Krankheitsverlaufes „plötzlich”
Beschwerden auftreten, muss auch nach einer veränderten Therapie,
d. h. einem anderem Device (Inhaliergerät) gefragt werden!
Die Präparate mit identischem Inhaltsstoff werden in der
Apotheke ausgetauscht, ohne dass der Verordner davon Kenntnis erhält.
Dabei werden häufig auch die Inhaliergeräte ausgetauscht. Erst die
Destabilisierung des Krankheitsbildes bzw. Beschwerden des Patienten sind ein
Ausrufezeichen, auf das wir achten müssen. Denken wir nicht auch an die
unten geschilderte Möglichkeit, wird der Grund für die
Instabilität nur schwer zu finden sein.
1) Frau S. leidet unter einem allergischen Asthma. Mit der
regelmäßigen Inhalation von BUD via Turbohaler® war sie
beschwerdefrei. Im September 2008 erfolgte eine neue Verordnung ihres ICS. Zwei
Wochen später stellte sie sich wegen neu aufgetretenem Hustenreiz und
leichter Luftnot in der Praxis vor und fragte, ob dies dem neuen Präparat
zuzuschreiben wäre.
In der Apotheke hatte sie statt ihres gewohnten BUD mit
Turbohaler® ein Budesonid Easyhaler® erhalten. Ihr war die Inhalation
mit dem neuen unbekannten Gerät nicht erklärt worden. Nach
Rücksprache mit der Apotheke wurde das abgegebene gegen das verordnete
Präparat ausgetauscht und die Stabilität des Krankheitsbildes war
binnen weniger Tage wieder vorhanden.
2) Herrn S. wurde die Refillpatrone für seinen Novolizer®
verordnet. Am nächsten Tag stellte er sich vor und informierte mich, dass
er jetzt ein anderes Gerät erhalten hatte, das der Apotheker hätte
abgeben müssen. Der Apotheker hatte ihm einen Easyhaler® mit BUD statt
der Refillpatrone abgegeben, ohne ihn über die neue Anwendungstechnik zu
informieren. Der junge Patient kam zwar nach Studium des Beipackzettels mit dem
neuen Device zurecht, bemängelte aber die jetzt fehlende Rückmeldung
für eine korrekte Inhalation und die Geschmacklosigkeit des Pulvers.
3) Dem 4-jährigen Kind wurde bei der Erstbehandlung seines
Asthmas Montelukast per os sowie zur Inhalation 50 µg BDP
(Beclomethasondiproprionat) als Dauertherapie und Salbutamol für den
Bedarf verordnet; beide Substanzen sollten über eine Inhalierhilfe
(Aerochamber®) inhaliert werden.
Bei der Kontrollvorstellung waren die Beschwerden nur unwesentlich
gebessert und die Eltern gaben an, mit einem der Geräte nicht
zurechtkommen zu können. Die Vorlage verschiedener Devices klärte das
Problem schnell. Das BDP war ihnen nicht als DA sondern als Autohaler®
ausgehändigt worden. Eine Inhalation via Spacer war so nicht möglich.
Das Asthma war nach Rücksprache mit dem Apotheker und Austausch des
Präparates in wenigen Tagen stabil.
Die wenigsten Ärzte sind darüber informiert, dass ein
Austausch erfolgen muss, wenn ein entsprechender Rabattvertrag für die
Krankenkasse vorliegt, und darf, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt
sind:
-
Identische Substanz, d. h. z. B. BUD (Budesonid)
gegen BUD
-
Gleiche Wirkstärke
-
Gleiche Packungsgröße
-
Gleiche Indikation (anderenfalls erfolgt ein „Off label
Use”)
-
Gleiche oder austauschbare Darreichungsform d. h. DA
(Dosieraerosol) gegen DA oder DPI (Dry Powder Inhaler) gegen DPI, wenn sie
dieselbe Bezeichnung in der Lauer Taxe haben. Bei den DPI wird zusätzlich
zwischen den Inhalationspulver (IHP) und Inhalationskapseln (IKA)
unterschieden.
So einen komplexen Abgleich verschiedener Kriterien gemäß
Rahmenvertrag mit den Informationen zu den jeweiligen Rabattverträgen der
unterschiedlichen Krankenkassen kann nur noch durch Software geleistet werden.
In der Apothekensoftware gibt es aber auch Umsetzungsprobleme, so dass eine
Apotheke anders austauscht als die Nachbarapotheke. Der pharmazeutische
Sachverstand wird den Rabattverträgen und dem Retaxationsanspruch der
Krankenkassen untergeordnet.
Die einzige Möglichkeit, um die gewünschte Verordnung
für unsere Patienten mit Sicherheit zu gewährleisten, ist die Setzung
des „aut idem-Kreuzes”. Leider hebeln wir Verordner dadurch die
Rabattverträge aus und machen uns angreifbar.
Wir sollten bei der täglichen Arbeit immer daran denken, dass
dank unserer „Verantwortlichen” im Gesundheitssystem neue
Fehlermöglichkeiten kreiert werden, deren Auswirkungen wir und unsere
Patienten zu spüren bekommen! Dabei wird die beste Medizin, das
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient regelrecht zerstört
oder zumindest auf eine sehr harte Probe gestellt.