Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2009; 7(3): 25-26
DOI: 10.1055/s-0029-1185990
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Antidepressiva und Folsäure

Uwe Gröber
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Publication Date:
14 September 2009 (online)

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In der modernen Psychiatrie stellen die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors, SSRI) eine bedeutende Arzneimittelgruppe dar. Ihr häufigstes Einsatzgebiet ist die Pharmakotherapie depressiver Störungen. In den vergangenen 20 Jahren hat in Deutschland der Anteil der SSRI an den verordneten Antidepressiva stetig zugenommen, was vor allem in den Vorteilen (z. B. Nebenwirkungsprofil) der SSRI gegenüber älteren Antidepressiva begründet liegt. Aufgrund der weltweit hohen und zunehmenden Prävalenz depressiver Störungen gehören die SSRI mittlerweile zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in der gesamten Medizin.

Folsäuremangel beeinträchtigt die Wirksamkeit von SSRI

Mechanismus

Folsäuremangel (und/oder Vitamin B12-Mangel):

  • Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS↓, Störungen SAM-abhängiger Methylierungen (Neurotransmittersynthese)

Suboptimaler Folsäurestatus (Serum: < 3,5 ng/ml) beeinträchtigt Responderrate auf eine antidepressive Therapie mit SSRI (z. B. Sertralin, Fluoxetin), erhöht das neurotoxische Homocystein und kann die Entwicklung von Depressionen fördern.

Folgen

SSRI: SSRI-Resistenz↑, Ansprechrate auf SSRI-Therapie↓

Homocystein: milde Hyperhomocysteinämie (Hcy-Plasmaspiegel: ≥ 10 µmol/l)

Kommentar/Hinweis

  • Unter einer Therapie mit Antidepressiva (v. a. SSRI) sollte der Folsäure-, Vitamin-B12-Status sowie der Homocystein-Plasmaspiegel kontrolliert werden (am besten ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung!)

  • Die regelmäßige Gabe von Folsäure (z. B. 1 mg/d, p. o., initial auch intramuskulär) in Kombination mit Vitamin B12 (500 µg/d, p. o., initial auch intramuskulär) und S-Adenosyl-Methionin (SAM) kann die Ansprechrate auf die SSRI-Therapie verbessern.

  • In verschiedenen Studien an Patienten mit Depressionen wurde eine signifikante Korrrelation zwischen dem Folsäure-Status und der Ansprechrate auf eine Therapie mit SSRI (z. B. Fluoxetin) beobachtet. Die Supplementierung von Folsäure und Vitamin B12 kann die Responderrate auf eine SSRI-Therapie steigern.

Mikronährstoffe wie Folsäure, Vitamin B12 und maritime Omega-3-Fettsäuren (DHA, EPA) haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung und Progression von neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen oder ADHS. Depressive Patienten haben häufig einen unzureichenden Folsäure- und Vitamin-B12-Status. Beide Vitamine besitzen eine zentrale Stellung bei der Regulation und Synthese von Neurotransmittern. Ein Mangel an 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure und/oder Vitamin B12 stört S-Adenosyl-Methionin(SAM)-abhängige Methylierungsreaktionen im Nervensystem und beeinträchtigt als Folge die Verfügbarkeit und Utilisation verschiedener Neurotransmitter ([Abb. 1]).

Abb. 1 Der Homocysteinstoffwechsel als Quelle für Methylgruppen.

SAM ist zusammen mit Folsäure und Tetrahydrobiopterin (BH4) am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bei der Biosynthese von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin bzw. Serotonin über das Enzym Tyrosin- bzw. Tryptophan-Hydroxylase beteiligt ([Abb. 2]). Verschiedene Studien belegen, dass SAM auch die Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS steigert. Eine unzureichende Verfügbarkeit von 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure und/oder Vitamin B12 führt darüber hinaus zu einem Anstieg des Homocysteins, dem neurotoxischen Stoffwechselmetabolit des Methyl-Gruppen-Stoffwechsels, der zusätzlich die Ausprägung und Entwicklung neuropsychiatrischer Phänomene nachteilig beeinflussen kann.

Abb. 2 Einfluss von SAM auf die Neurotransmittersynthese.

Der Erfolg und die Ansprechrate einer antidepressiven Therapie mit SSRI wie Fluoxetin (z. B. Prozac) kann durch die adjuvante Gabe von Folsäure, auch in Kombination mit S-Adenosylmethionin (SAM) und Vitamin B12, signifikant verbessert werden.

In einer aktuellen Studie an 110 Patienten mit schwerer Depression, die innerhalb einer 8-wöchigen Therapie mit Fluoxetin auf das Antidepressivum angesprochen hatten, wurde auch der Folsäure- und Vitamin-B12-Status sowie der Homocysteinspiegel erfasst. Als Endpunkt zur Erfassung der Therapieresponse und der Verbesserung der depressiven Symptome galt eine 30 %ige Abnahme der Symptomatik auf der Hamilton-Depressions-Skala. Dabei wurde festgestellt, dass die Patienten mit niedrigen Folsäurespiegeln von weniger als 2,5 ng/ml deutlich später (im Mittel 1,5 Wochen) auf die Fluoxetin-Therapie als Patienten mit normalen Folsäurestatus ansprachen (p = 0,0028). Der Vitamin-B12-Status und der Homocysteinspiegel zeigten in dieser Studie jedoch keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Therapieresponse.

Die Ergebnisse belegen eine signifikante Korrelation zwischen dem Serumfolatspiegel und dem Zeitpunkt der klinischen Besserung unter der Therapie mit Fluoxetin, wobei Patienten mit niedrigem Folsäurestatus einen deutlich verzögerten Eintritt der Besserung zeigten gegenüber Patienten mit normalem Folsäurestatus. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte bereits in früheren Studien nachweisen, dass niedrige Serumfolatspiegel bei Patienten unter einer Therapie mit Fluoxetin auch einen Rückfall begünstigen.

Literatur

  • 1 Gröber U. Arzneimittel und Mikronährstoffe. Medikationsorientierte Supplementierung. Stuttgart; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2007
  • 2 Gröber U. Metabolic Tuning statt Doping. Mikronährstoffe im Sport. Stuttgart; Hirzel 2008
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