Der Klinikarzt 2009; 38(1): 6-8
DOI: 10.1055/s-0029-1202491
MEDICA e. V.

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Serie „Interdisziplinarität in der Medizin” – Interdisziplinarität und Leitlinien – ein unverzichtbares Zusammenspiel beim Mammakarzinom

Achim Wöckel, Rolf Kreienberg
Further Information
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Dr. Achim Wöckel
Prof. Dr. Rolf Kreienberg

Ulm

Publication History

Publication Date:
30 January 2009 (online)

Table of Contents

Das Mammakarzinom ist die häufigste bösartige Neubildung bei Frauen: Jährlich erkranken in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise 47?500 Frauen neu daran. An den Krebsneuerkrankungen der Frauen hat dieses Malignom damit einen Anteil von 24? %. Allein im Jahr 2003 starben nach Angaben des statistischen Bundesamts 17?173 Frauen an Brustkrebs. Daher stehen im Mittelpunkt der derzeitigen gesundheitspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion zu Brustkrebs die Verringerung der Mortalität sowie die Verbesserung und die Qualitätssicherung der gesamten Versorgungskette bei gleichzeitiger Erhöhung der Lebensqualität der betroffenen Frauen.

Wesentliche Grundlagen hierfür sind die Entwicklung und Implementierung von hochwertigen, interdisziplinären, evidenz– und konsensbasierten Leitlinien (S3), verbunden mit der Zulassung von Disease–Management–Programmen (DMPs), der Zertifizierung von Brustzentren, der Erfassung brustkrebsbezogener epidemiologischer und klinischer Daten durch Krebsregister sowie der externen, vergleichenden Qualitätssicherung anhand von leitlinienbasierten Qualitätsindikatoren.

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Interdisziplinarität im Erstellungsprozess

Im letzten Jahr wurde die im Juni 2004 erstmals erstellte S3–Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau” in der 2. Version veröffentlicht. In dem vorangegangnen Aktualisierungsprozess waren erneut alle Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Organisationen eingebunden, die bereits die Ursprungsversion der S3–Leitlinie entwickelt hatten. Ziel der Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen und Berufsgruppen war es, eine dem Inhalt und dem Anwendungsbereich der Leitlinie entsprechende Multidisziplinarität und Multiprofessionalität innerhalb der Leitliniengruppe zu gewährleisten. Auch Vertreterinnen der Selbsthilfeorganisationen waren von Beginn an aktiv in den Aktualisierungsprozess [Tab. 1] integriert, um auch die Perspektive der Betroffenen berücksichtigen zu können.

Dementsprechend richten sich die Empfehlungen der Leitlinie an alle Ärzte und Angehörige von Berufsgruppen, die mit der Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs befasst sind (sowohl ambulant als auch stationär tätige Gynäkologen, Allgemeinmediziner, Radioonkologen, Hämatoonkologen, Psychoonkologen Physiotherapeuten, Pflegekräfte etc.), sowie an alle an Brustkrebs erkrankten Frauen und deren Angehörige.

Weitere Adressaten der S3–Leitlinie sind:

  • medizinisch–wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände

  • Interessenvertretungen der Frauen (Frauengesundheitsorganisationen, Patienten– und Selbsthilfeorganisationen)

  • Qualitätssicherungseinrichtungen und Projekte auf Bundes– und Länderebene

  • gesundheitspolitische Einrichtungen und Entscheidungsträger auf Bundes– und Länderebene

  • die Vertragsverantwortlichen von Disease–Management–Programmen und integrierten Versorgungsverträgen

  • Kostenträger sowie die Öffentlichkeit zur Information über eine gute medizinische Vorgehensweise.

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Tab. 1 Wo zeigt sich die Interdisziplinarität der S3–Leitlinie 'Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms'?

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Interdisziplinariät fördert die Anwendung von Leitlinien

Leitlinien haben die Aufgabe, das aktuelle Wissen – bestehend aus wissenschaftlicher Evidenz und Praxiserfahrung – zu speziellen Versorgungsproblemen explizit darzulegen, unter methodischen und klinischen Aspekten zu bewerten, gegensätzliche Standpunkte verschiedener Berufsgruppen zu klären und unter Abwägung von Nutzen und Schaden das derzeitige Vorgehen der Wahl für alle Beteiligten zu definieren. Erst ihre Anwendung in der Klinik oder der Praxis entscheidet jedoch über ihren Nutzen für Patienten, für behandelnde Ärzte und für das Gesundheitssystem insgesamt.

Die erfolgreiche Implementierung von Leitlinien kann aber nur stattfinden, wenn von Beginn an interdisziplinär gearbeitet wurde. Nur dann akzeptieren die verschiedenen Anwender die ausgesprochenen Empfehlungen, sodass interdisziplinäre Leitlinien einen positiven Effekt auf die Versorgung der Patienten haben und damit zu einer besseren Ergebnisqualität führen können.

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Qualitätsindikatoren sind interdisziplinär ausgerichtet

Die Qualitätsziele und Indikatoren der S3–Leitlinien zum Mammakarzinom werden heute flächendeckend und berufsgruppenübergreifend eingesetzt. Als indirektes Maß für die Versorgungsqualität unterstützen Qualitätsindikatoren die Implementierung und Überprüfung der Leitlinien in der Praxis, sind wie diese interdisziplinär ausgerichtet und mit einem angemessenen Dokumentationsaufwand verbunden. Für folgende

Kriterien und die entsprechenden Qualitätsindikatoren gibt es bereits Vergleichsdaten für den Zeitraum von der Erstpublikation bis zur Aktualisierung der Leitlinie (s. www.bqs.de):

  • postoperatives Präparatröntgen

  • Hormonrezeptoranalyse

  • Angabe des Sicherheitsabstands

  • Axilladissektion bei ductalem Carcinoma in situ (DCIS) oder papillärem In–situ–Karzinom

  • Indikation zur brusterhaltenden Therapie

  • Meldung an das Krebsregister

  • zeitlicher Abstand zwischen Diagnose– und Operationsdatum.

Die Dokumentationsanforderungen für das Disease–Management–Programm nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss vom 21.06.2005 richten sich ebenfalls an die unterschiedlichen Berufsgruppen, die an der

Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms beteiligt sind. Dokumentationspflichtig sind demnach die Diagnose ,Brustkrebs', die diagnostischen Interventionen (Sonografie, offene Biopsie und Stanzbiopsie), die operativen Verfahren (brusterhaltende Therapie, Mastektomie, Sentinellymphknotenbiopsie und axilläre Lymphonodektomie), die pathologische Befundung (pTNM, Grading, Resektions– und Rezeptorstatus, Lymphknoten) und die adjuvante Therapie (Strahlen–, Chemo– und endokrine Therapie).

MEDICA–Termine 2009

05.07.–11.07.2009

MEDCongress – 36. Seminarkongress für ärztliche Fort und Weiterbildung in Baden–Baden

Kurse mit nur wenigen Teilnehmerzahlen sind auch in diesem Jahr das Erfolgskonzept des MEDCongress in Baden–Baden. Angeleitet von erfahrenen Referenten können die Teilnehmer hier praktische Fertigkeiten einüben oder auffrischen. Das Spektrum reicht dabei von kleineren chirurgischen Techniken über die Wundversorgung bis hin zur Lungenfunktionsmessung.

Im Mittelpunkt des Kongresses stehen traditionell Kurse, die insbesondere Fachgebiete wie die Notfallmedizin oder bildgebende Verfahren abdecken. Aber auch Seminare und „Best–practice”–Symposien fehlen nicht im Programm. Diese wiederum decken vorwiegend Themen aus der Allgemeinen und der Inneren Medizin ab und geben praktische Tipps für Praxismanagement und rechtliche Fragen. Veranstaltungen für medizinisch–technische Assistenten (MTAs) und Arzthelferinnen ergänzen das Programm ebenso wie Patientenseminare.

25.09.–26.09.2009

46. Kongress der Südwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Ravensburg

„Internisten in Bewegung und Medikamente für Ältere” – das ist das Motto des Kongresses der Südwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der sich insbesondere, aber nicht nur an junge Ärzte richtet. Darüber hinaus bestimmen Themen wie rheumatoide Erkrankungen, der ältere Krebspatient, Infektionen, die adäquate Therapie des metabolischen Syndroms oder juristische Probleme das Programm der diesjährigen Veranstaltung, das jeweils die wissenschaftlichen Grundlagen, die moderne Diagnostik und Therapie sowie praxisbezogene therapeutische Möglichkeiten beleuchtet.

18.11.–21.11.2009

MEDICA – 41. Weltforum der Medizin in Düsseldorf

Der zertifizierte, interdisziplinäre MEDICA–Kongress, eingebunden in die weltgrößte Medizinmesse MEDICA, ist richtungsweisend in der medizinischen Fortbildung. Geboten wird das gesamte Spektrum der modernen Medizin von High–tech– bis Naturheilverfahren. Über 600 Referenten werden auf dem nächsten Konress neue Erkenntnisse erörtern und Know–how aus der „Forschung für die Praxis” vermitteln.

Information zu den Veranstaltungen:

MEDICA Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Medizin e. V.

Postfach 700149

70571 Stuttgart

Tel. 0711/720712–0

Fax: 0711/720712–29

E–Mail: mw@medcongress.de

Internet: www.medicacongress.de

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Schlussfolgerung

Der Erfolg der nationalen S3–Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms hängt somit entscheidend von der Berücksichtigung interdisziplinärer Aspekte ab. Nur die Einbindung von Experten aus den unterschiedlichen Fachdisziplinen bereits im Erstellungsprozess kann ihre hohe Implementierung und breite Akzeptanz sicherstellen, zumal die Zielgruppen und die Qualitätsindikatoren der Leitlinie bzw. deren Empfehlungen ebenfalls fächerübergeifend verstanden werden müssen.

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Dr. Achim Wöckel
Prof. Dr. Rolf Kreienberg

Ulm

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Dr. Achim Wöckel
Prof. Dr. Rolf Kreienberg

Ulm

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Tab. 1 Wo zeigt sich die Interdisziplinarität der S3–Leitlinie 'Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms'?