Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2009; 16(1): 42-43
DOI: 10.1055/s-0029-1213794
DFR-Mitteilungen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Ein wichtiges Teilgebiet der Reisemedizin - Der Arbeitsaufenthalt im Ausland

Further Information

Publication History

Publication Date:
13 March 2009 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image
Zoom Image

Dr. Ursula Mikulicz, stellvertretende Vorsitzende des DFR

Seit vielen Jahren vertritt der Deutsche Fachverband Reisemedizin e. V. (DFR) die Auffassung, dass eine fachgerechte arbeitsmedizinische Betreuung in tropische und subtropische Gebiete entsandter Arbeitnehmer ein hohes Maß auch tropenmedizinischen Wissens und reisemedizinischer Kompetenz voraussetzt. Das Thema "Arbeitsaufenthalt im Ausland" hat deshalb seinen Platz als eigenständiges Modul im Fortbildungs-Curriculum "Reisemedizin" des DFR gefunden. Darüber hinaus behandeln wir dieses Gebiet interessierende Fragen nicht selten im wissenschaftlichen Teil unserer Jahrestagungen. Das ist vermutlich der Grund, warum nicht wenige Arbeits- bzw. Betriebsmediziner zu unseren Mitgliedern zählen.

#

Seit Ende 2008 gilt eine neue Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

Wir haben uns daher von Anfang an für die "Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV), die am 24.12.2008 in Kraft getreten ist, interessiert. Der DFR hat sich sehr nachhaltig gegenüber dem Verordnungsgeber, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dafür eingesetzt, den Untersuchungsanlass "Arbeitsaufenthalt im Ausland" auch in Zukunft unter die sogenannten Pflichtuntersuchungen (und nicht, wie ursprünglich geplant, als "Angebotsuntersuchung") einzuordnen (siehe ArbMedVV, Anhang. Teil IV, Sonstige Tätigkeiten).

Es gibt jedoch eine weitere wichtige Veränderung, die unsere speziellen Interessen betrifft: Bekanntlich gibt es für die Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen gewisse rechtliche Vorgaben. Diese legen fest, für welche Arbeitsplätze der Arbeitgeber Vorsorgeuntersuchungen zu veranlassen hat, und über welche Qualifikation die Ärzte verfügen müssen, die er damit beauftragt. Nähere Einzelheiten zu diesen Untersuchungen (nicht aber den Untersuchungsinhalten) werden dann in den "Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen" durch die Berufsgenossenschaften definiert. Sie dienen als "Orientierungshilfen", sind aber nicht rechtsverbindlich.

#

Ermächtigungsvoraussetzungen des G 35 fallen weg

Mit dem sogenannten Arbeitsaufenthalt im Ausland befasst sich auch weiterhin der Grundsatz 35 (G 35) "Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen gesundheitlichen Belastungen". Bisher galt, dass arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen gemäß G 35 nur von Ärzten durchgeführt werden durften, die dazu "ermächtigt" worden waren. Voraussetzung für die Ermächtigung war eine nachgewiesene sowohl arbeitsmedizinische als auch tropenmedizinische Qualifikation.

Diese Ermächtigungsbestimmungen fallen ab sofort weg. § 7 der neuen ArbMedVV legt sinngemäß fest: Zur Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sind (ohne Einschränkung) alle Ärzte mit der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin bzw. der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin berechtigt. Für den Arbeitsaufenthalt im Ausland gilt die Ausnahmeregelung, dass auch Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Tropenmedizin eingeschlossen sind.

Der für uns ebenfalls sehr wichtige § 6 der ArbMedVV verpflichtet den mit der Betreuung beauftragten Arzt, sich "genaue Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse" zu beschaffen bzw. bei Bedarf einen anderen Arzt mit entsprechender Fachkompetenz hinzuzuziehen. Möglicherweise wird ein in der ArbMedVV vorgesehener, das BMAS beratender Ausschuss "Arbeitsmedizin" in der Folgezeit dazu noch (dann rechtsverbindliche) weitergehende Handlungsanleitungen formulieren.

#

Folgerungen für den DFR

Im Rahmen des "Arbeitsaufenthaltes im Ausland" unterschiedet man zwischen dem sogenannten "Kurzzeitaufenthalt" (maximal insgesamt 3 Monate pro Jahr) und dem "Langzeitaufenthalt". Zu Langzeitaufenthalten entsenden wohl mehrheitlich große Unternehmen mit eigenen arbeitmedizinischen Diensten, die in der Regel dann auch über reisemedizinische Fachkompetenz verfügen.

Anders die Situation für kurze Aufenthalte: An außenwirtschaftlichen Aktivitäten mit Entwicklungs- und Schwellenländern sind in nicht unbeträchtlichem Maße auch Klein- und Mittelbetriebe beteiligt. (Beispiel: Ein Unternehmen verkauft eine Spezialmaschine in ein tropisches Land und entsendet eine Fachkraft für einige Tage dorthin, um die Maschine aufzubauen und das Bedienungspersonal einzuweisen). Sie werden oft durch niedergelassene Betriebsärzte arbeitsmedizinisch betreut, bei denen die spezielle reisemedizinische Fachkompetenz infolge der neuen Bestimmungen (Wegfall der Ermächtigungsvoraussetzungen!) nicht mehr unbedingt vorausgesetzt werden kann.

Um gerade diesen Kollegenkreis für die Implikationen einer fachkompetenten arbeitsmedizinischen Betreuung auf unserem Spezialgebiet zu sensibilisieren, bietet der DFR gemeinsam mit der Vereinigung der Metallberufsgenossenschaften (VMBG) auf der kommenden Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) ein Seminar zum Thema "Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland" an. Die VMBG konnte für die Kooperation gewonnen werden, weil unter den Klein- und Mittelbetrieben eben gerade viele Betriebe der metallverarbeitenden Industrie betroffen sind. Die einzelnen Themen des Seminars konnten Sie der Ankündigung in der vorigen Ausgabe dieser Zeitschrift entnehmen.

#

Was bedeutet das für die reisemedizinisch beratende Kollegenschaft?

Die Ergebnisse der - bedauerlicherweise nur sehr spärlichen - Erhebungen zeigen einen ausgeprägten Mangel an Risikobewusstsein gegenüber den gesundheitlichen Gefährdungen bei einem Aufenthalt in den Tropen. Das gilt sowohl für die entsendenden Unternehmer als auch für die entsandten Beschäftigten. So gaben bei einer Befragung von Geschäftsreisenden nur 2 % an, vor Reiseantritt eine reisemedizinische Beratung eingeholt zu haben. Diese Haltung ist uns im Übrigen ja von Touristen bereits bekannt. Dazu kommt bei geplanten Kurzzeitaufenthalten die Überzeugung "In der kurzen Zeit kann doch gar nichts passieren". Daraus ergibt sich die Kausalkette

mangelndes Risikobewusstsein

-> kein Beratungsgespräch

-> keine Aufklärung über notwendige Verhaltensregeln inklusive Impfungen und gegebenenfalls Malariaprophylaxe

-> erhöhtes Erkrankungsrisiko

-> erhöhte Kosten für die Sozialsysteme und durch Arbeitsunfähigkeit

Da es sich bei den entsandten Beschäftigten in der Regel um für den Betrieb sehr wichtige und bei Erkrankung nur schwer ersetzbare Leistungsträger handelt, sind die Folgen für die Betriebe deutlich spürbar. Andererseits: Wenn überhaupt, wenden sich auch die beruflich Reisenden erfahrungsgemäß vorzugsweise an ihre reisemedizinisch beratenden Hausärzte.

Ihnen allen fällt also gefragt oder ungefragt die Aufgabe zu, den betroffenen Personenkreis zunächst einmal auf die gesundheitlichen Gefährdungen eines solchen Aufenthalts hinzuweisen, also das Risikobewusstsein zu wecken. Denn dem Grundsatz nach können zum Beispiel sowohl eine Hepatitis A als auch eine Malaria - beides "präventable" Erkrankungen - durchaus auch bei einem Aufenthalt von nur ganz wenigen Tagen erworben werden.

#

Wer übernimmt die Kosten?

Für den reisemedizinisch tätigen Hausarzt, der nicht über die Voraussetzungen nach § 7 ArbMedVV verfügt, ergibt sich dabei allerdings ein großes Problem: die Kostenregelung. Die arbeitsmedizinische Vorsorge gemäß G35 umfasst 2 Aufgaben:

  • das Beratungsgespräch

  • die eigentliche "Untersuchung" (vor bzw. nach Tropenaufenthalt)

Gerade im Falle eines Kurzzeitaufenthaltes kann man sich dabei auf ein Beratungsgespräch (inklusive Durchführung notwendiger Impfungen etc.) beschränken. Aber:

Der Unternehmer ist verpflichtet, den Reisenden dazu aufzufordern und die Kosten zu übernehmen. Er hat mit der Untersuchung (ggf. auch nur Beratung) einen Arzt zu beauftragen, der über die unter § 7 ArbMedVV genannte Qualifikation verfügt.

Der Unternehmer hat also sowohl die Kosten für Beratung als auch für Impfungen etc. zu übernehmen, aber nur, wenn er den Arzt damit im Voraus beauftragt hat. Wenn sich der Geschäftsreisende "aus eigenem Antrieb" von seinem Hausarzt beraten und beispielsweise impfen lässt, geht die Rechnung zunächst an ihn selbst; im Falle eines Beratungsgespräches (+ Impfungen etc.) kann der Arbeitgeber im Nachhinein die Kosten übernehmen, muss es aber nicht.

Bekanntlich übernehmen einige Krankenkassen die Kosten für sogenannte Reiseimpfungen. Das gilt aber nicht, wenn es sich um eine beruflich bedingte Reise handelt. Die Kostenübernahme für diese Impfungen schließen die Krankenkassen ausdrücklich aus. Eine Ausnahme dürfte die Gelbfieberimpfung sein. Wenn der in der Regel einen Betrieb betreuende Arzt sie nicht selbst durchführen kann, muss der Arbeitgeber logischerweise die Kosten in jedem Fall übernehmen.

Mit den eigentlichen "Untersuchungen" dürfen ausschließlich Ärzte mit der unter § 7 ArbMedVV genannten Qualifikation beauftragt werden. Der betreuende Betriebsarzt kann aber einen fachkompetenten Kollegen, etwa einen Tropenmediziner, hinzuziehen, wenn er sich für die Lösung eines bestimmten Problems als nicht ausreichend qualifiziert betrachtet.

Ein wichtiger Hinweis in diesem Zusammenhang an alle Kollegen: Wenn Sie eine Erkrankung feststellen (oder den Verdacht auf eine solche erheben), von der Sie vermuten, dass sie während einer beruflich bedingten Reise erworben worden ist, veranlassen Sie unbedingt, dass der Betroffene seinen betreuenden Betriebsarzt informiert. Dann kann die Frage einer Meldung als Berufskrankheit (bzw. eines Arbeitsunfalls) mit allen Konsequenzen geklärt werden, insbesondere auch der Übernahme der Kosten für Diagnose, Therapie etc. durch die zuständige Berufsgenossenschaft.

Dieser Beitrag soll unsere Mitglieder zunächst über die neue Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge und ihre Folgen für die reisemedizinisch tätige Ärzteschaft informieren. In der nächsten Ausgabe dieser Zeitschrift werden wir dann näher über das geplante Seminar berichten.

Dr. Ursula Mikulicz, Kronberg

 
Zoom Image
Zoom Image

Dr. Ursula Mikulicz, stellvertretende Vorsitzende des DFR