Pneumologie 2009; 63: S95
DOI: 10.1055/s-0029-1214638
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erkrankungen der kleinen Atemwege – Aktuelle Therapiestrategien von heute und morgen

Treatment of Small Airway Diseases – Today and TomorrowR.  Buhl1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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Publication Date:
09 December 2009 (online)

Berlin symbolisiert wie keine andere Stadt das Heute und Morgen des vereinten Deutschlands. Für die Jahrestagung der European Respiratory Society (ERS) und das Symposium „Treatment of Small Airways Diseases – Today and Tomorrow” bot Berlin somit einen idealen und zugleich sehr inspirierenden Veranstaltungsort. Die in diesem Supplement zusammengefassten Vorträge des Symposiums schlagen ebenfalls eine Brücke vom Heute zum Morgen und zwar von der derzeitigen zur zukünftigen Therapie von Asthma und COPD. Die Beiträge in diesem Supplement widmen sich der veränderten Sichtweise dieser beiden Erkrankungen, informieren über veränderte Formulierungen von Medikamenten und stellen innovative Strategien vor, mit denen sich Medikamente zukünftig möglicherweise applizieren lassen.

Prof. Emiel Wouters, Maastricht/Niederlande, stellt in seinem Beitrag heraus, dass sich die Wahrnehmung der COPD in der jüngeren Vergangenheit entscheidend verändert hat. Anstelle einer auf die Lungen begrenzten Erkrankung wird die COPD heute als Chronic Systemic Inflammatory Syndrome (CSIS) wahrgenommen. Die durch das Zigarettenrauchen hervorgerufene Schädigung verursacht neben der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung auch vielfältige systemische Entzündungsprozesse. Dadurch ist die COPD mit einem hohen Risiko für weitere chronische Erkrankungen assoziiert. Beispielhaft seien Herzinsuffizienz oder das metabolische Syndrom genannt. Diese mit der COPD assoziierten Komorbiditäten nehmen sowohl auf die Lebensqualität als auch die Prognose der Patienten entscheidenden Einfluss.

Über die Bedeutung der distalen Bereiche der Lunge bei Asthma informiert Prof. Christian Virchow, Rostock. Die von ihm vorgestellten Daten unterstreichen den Stellenwert der kleinen Atemwege und des Gebiets der „Alveolar tissue area” bei Asthma. Wenngleich kein Zweifel daran besteht, dass Asthma nicht nur eine Erkrankung der großen, sondern auch der kleinen Atemwege ist, stehen derzeit noch keine Möglichkeiten zur Verfügung, um die Beteiligung dieser kleinen Atemwege routinemäßig zu erfassen. Von Virchow vorgestellte Daten deuten darauf hin, dass die kleinen Atemwege sowohl hinsichtlich der Pathogenese als auch der Therapie von Asthma und COPD von hoher Relevanz sind.

Die Erkenntnisse über die Bedeutung der kleinen Atemwege liefern die Rationale, in der Therapie von Asthma gezielt Wirkstoffe einzusetzen, die auch die Peripherie der Lunge erreichen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die von Prof. Alberto Papi, Ferrara/Italien, vorgestellten Studien von großem Interesse. Denn diese Studien geben Hinweise, dass es mit einem neuen Kombinationspräparat, das extrafeines Beclometason und Formoterol (HFA-BDP/F) enthält, bereits heute möglich sein könnte, diesen Teil der Lunge therapeutisch zu erreichen. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Fixkombination wurde in mehreren kontrollierten Studien belegt. Diese Ergebnisse zeigen, dass diese Fixkombination mit einer neuen umweltfreundlichen HFA 134a getriebenen Formulierung als Mikrosol mindestens ebenso wirksam ist wie bisherige Therapieoptionen. Ziel dieser gemäß der Kriterien der Zulassungsbehörden auf Nachweis der Nicht-Unterlegenheit angelegten Studien war es allerdings, die Wirksamkeit lediglich anhand vordefinierter Parameter wie der Lungenfunktion (FEV1, PEF) zu messen, die den Effekt auf kleine Atemwege nur sehr bedingt widerspiegeln. Neuere Studien in anderem Design unter Einschluss weiterer Outcome-Parameter werden zukünftig möglicherweise zeigen, dass sich die extrafeine Formulierung durch einen direkten Effekt auf die kleinen Atemwege auszeichnet.

Mit zukünftigen innovativen Strategien der inhalativen Pharmakotherapie beschäftigt sich auch Dr. Tobias Gessler, Gießen. Er liefert durch seinen Beitrag einen Einblick in die faszinierende Welt der Nanotechnologie. Nanotechnologische Ansätze haben ein immenses Entwicklungspotenzial und könnten zukünftig insbesondere bei der Applikation von Arzneistoffen und der Behandlung von pneumologischen Erkrankungen wie Asthma und COPD eine wichtige Rolle spielen. So könnte die inhalative Applikation von Nano-Carriern die Möglichkeit eröffnen, Arzneistoffe selektiv pulmonal und transpulmonal zu applizieren und zugleich systemische Nebenwirkungen maßgeblich zu reduzieren. Neben der gezielten Steuerung der Wirkstoffverteilung innerhalb des respiratorischen Systems zählen die längere Retentionszeit im Lungengewebe, eine verbesserte intrazelluläre Aufnahme und ein Targeting von Lungenzellen zu potenziellen Vorteilen von zukünftigen Nano-Carriern.

Prof. Roland Buhl

Schwerpunkt Pneumologie
III. Medizinische Klinik und Poliklinik
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität

Langenbeckstr. 1
55101 Mainz

Email: r.buhl@3-med.klinik.uni-mainz.de

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