Einleitung
Am Anfang der Erfolgsgeschichte der mikroskopisch kontrollierten Chirurgie stand die
Einführung des Mikroskopes in die Chirurgie. Wichtige technische Meilensteine waren
die Erfindung des Gefriermikrotoms (Rutherford 1843), die Formalinfixierung (F. Blum
1893), die Herstellung von Gefrierschnitten nach Formalinfixierung (T. S. Cullen 1895)
oder die Herstellung von Gefrierschnitten von Nativgewebe (L. B. Wilson).
Bedeutend für die im Folgenden beschriebene Entwicklung waren Persönlichkeiten, die
Kompetenzen im operativen und im histologisch-morphologischen Bereich vereinten:
Im Jahre 1849 propagierte der englische Chirurg John Hughes Bennet die histologisch
gesicherte Tumorresektion („ … the neighboring tissues should be examined to determine whether they are entirely
free of cancer … ” „ … the microscope ought to be a necessary instrument in the operating
theatre, and every suspected tissue examined on the spot, before the lips of the wound
are closed … ”).
Der Deutsche Karl Thiersch (1822 – 1895), welcher im Jahr 1853 eine Professur für
Pathologie in München und 1854 eine Professur für Chirurgie in Erlangen erhielt, beschrieb
in seiner Schrift „Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut” (1856) die operative
Behandlung und histologische Sicherung von Karzinomen der Haut. Thiersch hielt jedoch,
wie sein Tübinger Kollege V. v. Bruns, die histologische Untersuchung der Exzisatschnittränder
für nicht praktikabel („ … einen Arzt sollte man mit einer solchen Zumuthung nicht belästigen”) [1].
Fast einhundert Jahre später, im Jahre 1941, führte der amerikanische Chirurg Frederic
Edward Mohs eine neue Methode für eine mehrzeitige mikroskopisch kontrollierte Entfernung
von Basalzellkarzinomen ein, nachdem er das Gewebe zunächst in situ mit einer Zinkchloridpaste fixierte [2]. Die Methode bestand also aus einer chemischen Destruktion des Tumors („chemosurgery”),
gefolgt von seiner chirurgischen Entfernung mit einer anschließenden kompletten histologischen
Darstellung der Exzisatschnittränder. Im Fall des histologischen Nachweises von Tumoranteilen
am Außenrand des chirurgischen Präparates wurde an dieser Stelle gezielt nachreseziert
([Abb. 1]). Mohs Pionierleistung brach mit dem damaligen Dogma, dass ein Tumor nicht biopsiert,
angeschnitten oder, durch die Vorbehandlung mit Zinkchlorid, chemisch verändert werden
sollte. Mohs nannte seine Technik „Microscopically Controlled Surgery” [2]. Der Begriff „mikroskopisch kontrollierte Chirurgie” wird immer noch gebraucht und
stiftet bis heute Verwirrung, da er sowohl für die (z. T. mehrzeitige) dreidimensionale
histologische Untersuchung von Tumorrändern (3D-Histologie) wie auch für die meist
einzeitige Aufarbeitung in Stufenschnitten angewandt wird. Mohs benutzte den Terminus
„Microscopically Controlled Surgery” auch noch über 40 Jahre später, als er die Methode
ebenso bei Plattenepithelkarzinomen und Melanomen einsetzte [3]
[4].
Die Vorteile von Mohs innovativer Technik wurden rasch erkannt, übernommen und teilweise
modifiziert. Beispielsweise beschrieb der deutsche MKG-Chirurg Drepper im Jahre 1963
eine neue Technik zur „systematischen histologischen Kontrolle des Tumorbettes” [5]. Drepper resezierte zunächst den Tumor, untersuchte das Exzidat an Paraffinschnitten
und schnitt anschließend gegebenenfalls Gewebe an den seitlichen Rändern und am Wundgrund
nach.
Eine wichtige Entwicklung, die Mohs selbst einführte, wurde von seinen Schülern Tromovitch
and Stegmann 1974 publiziert [6] ([Abb. 1]): Mohs In-Situ-Zinkchloridfixierung wurde durch Kryostatschnitte am Nativgewebe
ersetzt, wobei die schüsselförmige horizontale Tumorexzision beibehalten wurde. Diese
nun „fresh tissue technique” genannte Methode ermöglichte statt der bisher unumgänglichen
Sekundärheilung eine plastisch-chirurgische Defektdeckung.
Der Dermatohistologe Burg und sein dermatochirurgischer Kollege Konz prägten 1975
für diese dreidimensionalen histologischen Aufarbeitungstechniken im Gegensatz zur
konventionellen histologischen Untersuchung den Begriff „histographisch kontrollierte
Chirurgie” („Histographically Controlled Surgery”). Dieser Terminus wurde in Deutschland
recht populär und beschrieb anschaulich das Ziel, mit einem histologischen Verfahren
die Tumorchirurgie zu kontrollieren [7].
Die „American Society of Micrographic Surgery” wurde im Jahre 1980 gegründet [8]. Wohl um Mohs’ Methode von anderen Techniken abzugrenzen, wurde diese Gesellschaft
1995 in die „American Society of Mohs’ Micrographic Surgery” umbenannt [8].
1984 erschien eine Publikation über die „histologische Kontrolle von Exzisatschnitträndern”
(„Histologic Control of Excised Tissue Edges”) ([Abb. 2]). Im Gegensatz zu den verschiedenen Techniken nach Mohs zielt diese Methode auf
die mikroskopische Darstellung der vertikalen Außenränder und der horizontalen Basis
von Präparaten, die nicht schüsselförmig, sondern mit einer vertikalen Schnittführung
en bloc entfernt werden [9]
[10]. Vom bei 12.00 Uhr in Bezug auf die Körperachse markierten Exzidat wird ringsherum
ein schmaler Randstreifen abgetrennt, welcher, in passende Stücke zerteilt, direkt
auf der Außenseite flach in Histologiekassetten eingebettet wird. Anschließend wird
die Tumorbasis horizontal abgeschnitten und in gleicher Weise in einer Histologiekassette
eingebettet. Die Präparate werden zunächst bei 60 °C für 2 Stunden und dann im Routinebetrieb
über Nacht in Formalin fixiert. Die Schnitte, welche die dreidimensionalen Exzisatschnittränder
lückenlos darstellen, können so innerhalb von 20 Stunden beurteilt werden.
1990 wurde die „European Society of Micrographic Surgery” gegründet – ohne sich auf
Mohs’ Methode oder auf eine andere Technik festzulegen. Im Gegensatz zur „American
Society of (Mohs’) Micrographic Surgery”, deren Mitglieder ein Curriculum in der Mohs’schen
Technik durchlaufen müssen, steht die Europäische Gesellschaft allen offen, die sich
mit irgendeinem Verfahren der Schnittrandkontrolle beschäftigen.
Im Jahre 1991 wurde der Begriff „three-dimensional histology” in einer Publikation
zum subklinischen Ausbreitungsverhalten von Basalzellkarzinomen erwähnt [11].
1997 beschrieben Johnson und Kollegen eine neue sogenannte „Square-Procedure” [12] ([Abb. 3]). Dabei folgt die vertikale Exzision des Tumors nicht den klinischen Tumorgrenzen.
Mit einem doppelten Skalpell wird eckig exzidiert, um somit einen Randstreifen zur
histologischen Schnittrandkontrolle zu erhalten.
Shriner u. Mitarb. definierten 1998 die Mohs’sche Methode als vollständige mikroskopische
Schnittrandkontrolle „Complete Microscopic Examination of the Surgical Margins” [13].
Niederländische Dermatochirurgen präsentierten 2004 erstmals Ergebnisse einer prospektiv-randomisierten
Studie zur konventionell histologischen Aufarbeitung vs. mikroskopisch kontrollierter
Chirurgie von Basalzellkarzinomen [14]. Eine Technik, die Nicole Smeets und Kollegen dort einsetzten, war die sog. „Quadrant
technique”, bei der vom fixierten Präparat Randstreifen abgetrennt werden ([Abb. 4]). Jedoch wurde nicht die gebogen fixierte Außenseite, sondern die gerade innere,
dem Tumor zugewandte Seite (geometrisch die „Sehne”) der Randstreifen histologisch
untersucht, was zu falsch positiven Ergebnissen führen konnte.
Blum und Möhrle stellten 2004 die „Wallgrabentechnik” vor, bei der zunächst nur der
klinische Sicherheitsabstand exzidiert und histologisch untersucht wird, und der Tumor
zunächst in situ verbleibt [15] ([Abb. 5]). Dem entspricht im Prinzip die von Mahoney et al. 2005 vorgestellte „Perimeter
Technique” bei der Lentigo maligna als Alternative zur klassischen „Mohs’ Micrographic
Surgery” [16] ([Abb. 5]).
Von großem praktischen Nutzen ist die Aufarbeitung von Exzisaten mit der „Muffin-Technik”
[17] ([Abb. 6]). Ähnlich dem Auffalten der Papierform eines Muffins werden die lateralen Tumorränder
seitlich weggeklappt, sodass sie in einer einzigen Ebene mit der Tumorbasis zu liegen
kommen. Mit der „Muffin-Technik” können die Ränder von Tumoren bis 2 cm lückenlos
auf einem histologischen Schnitt beurteilt werden.
Zunehmend findet die Bezeichnung „3D-Histologie” eine, auch internationale, Verbreitung
[18]
[19].
Im Laufe dieser historischen Entwicklung variierte die Art der chirurgischen Exzision
und des makroskopischen Zuschnittes der Präparate. Die histologische Untersuchung
wurde an Gefrierschnitten oder Paraffinschnitten durchgeführt. Das Gefrierschnittverfahren
ist ungenauer und lässt sich nicht bei allen Tumorentitäten einsetzen, benötigt jedoch
nur etwa 30 min. Beim Gefrierschnittverfahren wird das Gewebe aufgebraucht und steht
für weitere Untersuchungen (z. B. Immunhistologie) nicht mehr zur Verfügung. Das Paraffinschittverfahren
ist genauer. Schnitte können jedoch erst nach etwa 20 Stunden beurteilt werden.
Eine Revolution der „3D-Histologie” liegt möglicherweise noch vor uns: Mit der ex vivo konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie können innerhalb von wenigen Minuten optische
Randschnitte angefertigt werden ohne Gewebe aufzubrauchen oder zu alterieren. Noch
besitzt diese Technik keine hinreichende Sensitivität und Spezifität, um Exzisatschnittränder
von Hauttumoren sicher beurteilen zu können. Erste Untersuchungen zeigten jedoch vielversprechende
Ergebnisse [20]
[21].
Diese historische Übersicht zeigt anschaulich, dass sich verschiedene Definitionen
eines gemeinsamen Konzeptes überschneiden ([Tab. 1]).
Tab. 1 Die Erfolgsgeschichte der mikroskopisch kontrollierten Chirurgie.
1941 |
Chemosurgery und Microscopically controlled Surgery (Mohs) |
1963 |
Systematische histologische Kontrolle des Tumorbetts (Drepper) |
1974 |
Fresh tissue technique (Tromovitch und Stegmann) |
1975 |
Histographic surgery (Burg und Konz) |
1980 |
American Society of Micrographic Surgery |
1982 |
Histologic control of excised tissue edges in paraffin-technique (Tübinger Torte) (Breuninger) |
1985 |
American Society of Mohs’ Micrographic Surgery |
1990 |
European Society of Micrographic Surgery |
1997 |
Square procedure (Johnson et al.) |
2004 |
Quadrant Method (Smeets et al.) |
2004 |
Wallgrabentechnik (Blum und Möhrle)
|
2005 |
Perimeter technique (Mahoney et al.)
|
2006 |
3D-Histologie (Möhrle et al.)
|
2006 |
Muffin-Technik (Möhrle und Breuninger)
|
Ein dauerhaftes Problem blieb, dass in vielen Ländern „Mohs’ Surgery” (oder im frankophonen
Sprachraum „Chirurgie de Mohs”) synonym mit der histologischen Schnittrandkontrolle
im Allgemeinen verwendet wird, jedoch meist trotzdem die Mohs’sche Technik mit schüsselförmiger
Exzision und Gefrierschnitten impliziert.
In Publikationen haben bisher Autoren, Gutachter und wahrscheinlich auch Leser diese
Begriffe und Techniken miteinander verwechselt und vermischt [14]
[22], sodass wissenschaftliche Ergebnisse kaum verglichen werden konnten.
Alle Techniken haben zum Ziel, sich von einer lückenhaften konventionellen histologischen
Aufarbeitung in „Brotlaibtechnik” abzugrenzen. Bei allen beschriebenen Verfahren gibt
es Unterschiede im chirurgischen Vorgehen: Sei es eine flache, schüsselförmige Exzision; oder ein vertikaler Schnittrand,
welcher der Form des Tumors entspricht oder geometrisch-eckig gezogen wird. Das gemeinsame
Prinzip ist die histologische Darstellung der Schnittränder bzw. der Tumorperipherie. Daher bestehen alle Nachfolger
von F. A. Mohs auf den lückenlosen Nachweis von tumorfreien Exzisatschnitträndern,
sei es durch Gefrier- oder durch Paraffinschnitte.
Die bereits eingeführte Bezeichnung „3D-Histologie” sollte generell verwendet werden.
„3D-Histologie” ist kurz, verständlich, auf andere Disziplinen übertragbar und beschreibt
griffig das gemeinsame Element aller Techniken: die Histologie.