Pneumologie 2009; 63(11): 662-663
DOI: 10.1055/s-0029-1215099
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dyspnoe und Dysphagie als Erstmanifestation einer seltenen kongenitalen Gefäßanomalie bei einer älteren Dame: Left Pulmonary Artery Sling

Dyspnea and Dysphagia as the Primary Manifestation of a Rare Congenital Vascular Anomaly in an Elderly Lady: Left Pulmonary Artery SlingF.  C.  Ringshausen1 , 2 , C.  M.  Heyer3 , G.  Schultze-Werninghaus1 , G.  Rohde1
  • 1Medizinische Klinik III, Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • 2Medizinische Klinik, Spital Bülach, Bülach, Schweiz
  • 3Institut für Diagnostische Radiologie, Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
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Felix C. Ringshausen

Medizinische Klinik
Spital Bülach

Spitalstrasse 24
8180 Bülach
Schweiz

Email: felix.ringshausen@web.de

Publication History

eingereicht 3. 8. 2009

akzeptiert 3. 8. 2009

Publication Date:
18 September 2009 (online)

Table of Contents

Eine 76-jährige Patientin wurde von ihren Angehörigen aufgrund seit mehreren Tagen progredienter Belastungsdyspnoe, Husten mit purulenter Expektoration, Abgeschlagenheit und Inappetenz in der Notaufnahme vorgestellt. Zwei Wochen vor der Aufnahme war die Patientin, die nie geraucht hatte, aus einem anderen Krankenhaus entlassen worden, wo sie aufgrund eines ungewollten Gewichtsverlusts, dysphagischer Beschwerden sowie des wohl seit mehreren Monaten reduzierten Allgemeinzustands abgeklärt worden war. Weder eine dort durchgeführte Gastroskopie, Koloskopie, Sonografie und Endosonografie noch eine Computertomografie (CT) des Abdomens hatten einen wegweisenden Befund ergeben. Seit Jahren wurde eine klinisch diagnostizierte biventrikuläre Herzinsuffizienz mit permanentem Vorhofflimmern durch den Hausarzt behandelt.

In der initialen Röntgen-Aufnahme des Thorax ([Abb. 1]) fand sich eine nahezu vollständige Verschattung des linken Hemithorax, sodass anhand der klinischen Symptomatik und einer ausgeprägten laborchemischen Entzündungskonstellation eine (nosokomiale) Pneumonie mit einem auslaufenden Pleuraerguss links vermutet wurde.

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Abb. 1 Röntgen-Thorax p. a. bei Aufnahme: nahezu vollständige Verschattung des linken Hemithorax mit Verziehung der Trachea und des Bronchialsystems nach links.

Die Verziehung der Trachea und des Bronchialsystems nach links sowie die Tatsache, dass thoraxsonografisch keine Ergussformation abzugrenzen war, legten in Zusammenschau mit den Allgemeinbeschwerden der Patientin darüber hinaus ein zugrunde liegendes thorakales Malignom nahe. Lungenfunktionell konnten eine deutliche zentrale Obstruktion, eine leichtgradige Überblähung und eine schwergradige restriktive Ventilationsstörung nachgewiesen werden. In der transthorakalen Echokardiografie stellten sich eine nur leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion, eine mittelschwere Mitralklappeninsuffizienz und eine hochgradige Rechtsherzbelastung mit pulmonal-arterieller Hypertonie dar. Die flexible Bronchoskopie zeigte eine zähe purulente Sekretion des linksseitigen Bronchialsystems, das sich leichtgradig von außen komprimiert und nach links verzogen, jedoch mit allen Ostien frei einsehbar darstellte.

Die kontrastmittelverstärkte CT des Thorax ([Abb. 2]) konnte schließlich eine seltene kongenitale Gefäßmissbildung der linken Pulmonalarterie, ein „left pulmonary artery sling” (LPAS), als Ursache der Beschwerden der Patientin identifizieren.

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Abb. 2 Kontrastmittelverstärkte Computertomografie des Thorax: die axialen Rekonstruktionen sind von links nach rechts in kraniokaudaler Abfolge dargestellt. Die kurzen weißen Pfeile weisen auf eine kompressionsbedingte Dilatation des Ösophagus oberhalb der Passage der linken Pulmonalarterie zwischen Trachea und Ösophagus hin (a, b). Die langen weißen Pfeile markieren den aberranten Abgang der linken Pulmonalarterie aus der rechten Pulmonalarterie und das namengebende Umschlingen der Trachea (c, d). Die langen schwarzen Pfeile markieren den Nebenbefund einer Pleuritis calcarea als Hinweis für chronisch-rezidivierende und ggf. durchgemachte spezifische Infektionen der volumengeminderten linken Lunge mit Ausbildung einer chronischen Atelektase (e, f). Die rechte Lunge erscheint kompensatorisch überbläht.

Es zeigte sich ein aberranter Abgang der linken Pulmonalarterie aus dem posterioren Anteil der rechten Pulmonalarterie mit Umschlingung der distalen Trachea knapp oberhalb der Karina und Passage zwischen Trachea und Ösophagus in Richtung auf den linken Hilus ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Schematische Darstellung der anatomischen Beziehungen von Trachea, Ösophagus und Pulmonalarterien beim „Left pulmonary artery sling”. Abkürzungen: linke Pulmonalarterie (LPA), rechte Pulmonalarterie (RPA), Truncus pulmonalis (TP).

Zudem stellte sich eine konsekutive Kompression von Trachea und Ösophagus mit Verlagerung des Mediastinums und des kardiovaskulären Bündels nach links sowie kompensatorischer Überblähung der rechten Lunge dar. Eine Pleuritis calcarea deutete auf chronisch-rezidivierende bronchopulmonale Infektionen und ggf. auch eine durchgemachte tuberkulöse Pleuritis der volumengeminderten linken Lunge mit Ausbildung einer chronischen Atelektase hin. Die Kompression des Ösophagus führte bei unserer Patientin zu chronischer Dysphagie und ungewolltem Gewichtsverlust. Auch die pulmonal-arterielle Hypertonie mit symptomatischer Rechtsherzinsuffizienz und chronischem Vorhofflimmern lässt sich anhand der oben genannten Befunde erklären.

Nach antimikrobieller Therapie der aktuellen Pneumonie-Episode, Optimierung einer symptomatischen Herzinsuffizienztherapie und Ernährungsberatung bzgl. kleinerer Portionen und häufigerer Mahlzeiten konnte unsere Patientin beschwerdegemindert in ihr häusliches Umfeld entlassen werden.

Der LPAS ist eine insgesamt sehr seltene kongenitale Gefäßanomalie [1]. Sie zählt zu den sogenannten unvollständigen Gefäßringen und wird in der überwiegenden Zahl der in der Literatur beschriebenen Fälle innerhalb des ersten Lebensjahrs, jedoch nur selten im Erwachsenenalter mit respiratorischen Symptomen oder durch die Kompression des Ösophagus mit Dysphagie klinisch manifest. Auch asymptomatische Verläufe wurden beschrieben [2]. Es lassen sich zwei Gruppen von Patienten mit LPAS abgrenzen [3]: eine mit normal angelegtem Bronchialsystem und eine andere mit zum Teil komplexen Fehlbildungen, v. a. langstreckigen Trachealstenosen auf dem Boden zirkulärer Trachealknorpelspangen und fehlender Pars membranacea („ring-sling-complex”) [4] [5], angeborenen Vitien und weiteren Gefäßanomalien.

Bei erwachsenen Patienten stellt die kontrastmittelverstärkte CT des Thorax den entscheidenden Schritt zur Diagnose eines LPAS dar. Alternativ kommt bei Kindern die Magnetresonanz-Angiografie der thorakalen Gefäße zum Einsatz, insbesondere präoperativ und wenn eine kombinierte Diagnostik aus Röntgen-Thorax, Ösophagusbreischluck, Echokardiografie und Bronchoskopie die Diagnose nicht etablieren konnte. Die kausale Therapie des LPAS ist chirurgisch und besteht in der Verlagerung der linken Pulmonalarterie von ihrem Ursprung in der rechten Pulmonalarterie in den Truncus pulmonalis ventral der Trachea. Zusätzlich bestehende fixierte Trachealstenosen bedürfen einer Segmentresektion der Trachea oder ggf. Tracheoplastie [6] [7].

Der LPAS ist eine seltene Differenzialdiagnose der Dyspnoe und rezidivierender respiratorischer Infektionen. Eine zusätzlich bestehende Dysphagie kann helfen, den klinischen Verdacht entsprechend zu leiten. Eine Erstmanifestation im fortgeschrittenen Lebensalter wie im Falle unserer Patientin ist sehr selten.

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Interessenkonflikte

Keine angegeben.

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Literatur

  • 1 Woods R K, Sharp R J, Holcomb 3rd G W. et al . Vascular anomalies and tracheoesophageal compression: a single institution's 25-year experience.  Ann Thorac Surg. 2001;  72 434-438, discussion 438 – 439
  • 2 Hatten Jr. H P, Lorman J G, Rosenbaum H D. Pulmonary sling in the adult.  AJR Am J Roentgenol. 1977;  128 919-921
  • 3 Castaner E, Gallardo X, Rimola J. et al . Congenital and acquired pulmonary artery anomalies in the adult: radiologic overview.  Radiographics. 2006;  26 349-371
  • 4 Rosenberg B F, Tantiwongse T, Wittenborg M H. Anomalous course of left pulmonary artery with respiratory obstruction.  Radiology. 1956;  67 339-345
  • 5 Zylak C J, Eyler W R, Spizarny D L. et al . Developmental lung anomalies in the adult: radiologic-pathologic correlation.  Radiographics. 2002;  22 Spec No 25-43
  • 6 Backer C L, Mavroudis C, Dunham M E. et al . Pulmonary artery sling: results with median sternotomy, cardiopulmonary bypass, and reimplantation.  Ann Thorac Surg. 1999;  67 1738-1744, discussion 1744 – 1745
  • 7 Fiore A C, Brown J W, Weber T R. et al . Surgical treatment of pulmonary artery sling and tracheal stenosis.  Ann Thorac Surg. 2005;  79 38-46, discussion 38 – 46

Felix C. Ringshausen

Medizinische Klinik
Spital Bülach

Spitalstrasse 24
8180 Bülach
Schweiz

Email: felix.ringshausen@web.de

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Literatur

  • 1 Woods R K, Sharp R J, Holcomb 3rd G W. et al . Vascular anomalies and tracheoesophageal compression: a single institution's 25-year experience.  Ann Thorac Surg. 2001;  72 434-438, discussion 438 – 439
  • 2 Hatten Jr. H P, Lorman J G, Rosenbaum H D. Pulmonary sling in the adult.  AJR Am J Roentgenol. 1977;  128 919-921
  • 3 Castaner E, Gallardo X, Rimola J. et al . Congenital and acquired pulmonary artery anomalies in the adult: radiologic overview.  Radiographics. 2006;  26 349-371
  • 4 Rosenberg B F, Tantiwongse T, Wittenborg M H. Anomalous course of left pulmonary artery with respiratory obstruction.  Radiology. 1956;  67 339-345
  • 5 Zylak C J, Eyler W R, Spizarny D L. et al . Developmental lung anomalies in the adult: radiologic-pathologic correlation.  Radiographics. 2002;  22 Spec No 25-43
  • 6 Backer C L, Mavroudis C, Dunham M E. et al . Pulmonary artery sling: results with median sternotomy, cardiopulmonary bypass, and reimplantation.  Ann Thorac Surg. 1999;  67 1738-1744, discussion 1744 – 1745
  • 7 Fiore A C, Brown J W, Weber T R. et al . Surgical treatment of pulmonary artery sling and tracheal stenosis.  Ann Thorac Surg. 2005;  79 38-46, discussion 38 – 46

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Abb. 1 Röntgen-Thorax p. a. bei Aufnahme: nahezu vollständige Verschattung des linken Hemithorax mit Verziehung der Trachea und des Bronchialsystems nach links.

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Abb. 2 Kontrastmittelverstärkte Computertomografie des Thorax: die axialen Rekonstruktionen sind von links nach rechts in kraniokaudaler Abfolge dargestellt. Die kurzen weißen Pfeile weisen auf eine kompressionsbedingte Dilatation des Ösophagus oberhalb der Passage der linken Pulmonalarterie zwischen Trachea und Ösophagus hin (a, b). Die langen weißen Pfeile markieren den aberranten Abgang der linken Pulmonalarterie aus der rechten Pulmonalarterie und das namengebende Umschlingen der Trachea (c, d). Die langen schwarzen Pfeile markieren den Nebenbefund einer Pleuritis calcarea als Hinweis für chronisch-rezidivierende und ggf. durchgemachte spezifische Infektionen der volumengeminderten linken Lunge mit Ausbildung einer chronischen Atelektase (e, f). Die rechte Lunge erscheint kompensatorisch überbläht.

Zoom Image

Abb. 3 Schematische Darstellung der anatomischen Beziehungen von Trachea, Ösophagus und Pulmonalarterien beim „Left pulmonary artery sling”. Abkürzungen: linke Pulmonalarterie (LPA), rechte Pulmonalarterie (RPA), Truncus pulmonalis (TP).