Pneumologie 2009; 63(11): 675-676
DOI: 10.1055/s-0029-1215244
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Wolfgang Traugott Ulmer

*7. September 1924 † 17. September 2009H.  Thiel
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Prof. Dr. med. Harald Thiel

Am Wiesenpfad 7
44866 Bochum

Email: harald.thiel@ruhr-uni-bochum.de

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Publication Date:
03 November 2009 (online)

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Prof. Dr. Dr. h. c. W. T. Ulmer

Tief betroffen nahmen wir am 17. September 2009 Abschied von unserem verehrten Lehrer, Mentor, Freund und Kollegen Prof. Dr. Dr. h. c. W. T. Ulmer, der 10 Tage nach der Vollendung seines 85. Lebensjahres sein Leben in die Hand des Schöpfers zurückgab.

„Wir sind des Herrn” – so lautete die schlichte, aber bewegende Überschrift in der Todesanzeige, die für viele von uns überraschend kam. Noch lebhaft erinnern wir uns an seinen 80. Geburtstag, den er mit zahlreichen Freunden und Weggefährten bei guter Gesundheit und bester Vitalität mit einem Symposium in seiner ehemaligen Klinik Bergmannsheil feiern konnte.

Mir als seinem ehemaligen Oberarzt und Schüler kommt nun die traurige Pflicht zu, in kurzen Worten die Persönlichkeit und das Lebenswerk Ulmers zu würdigen, eine schier unlösbare Aufgabe angesichts der Fülle seines langen und bewegten Forscherlebens.

Drei Aspekte möchte ich herausgreifen:

  1. Wolfgang Ulmer als Forscher und Wissenschaftler

  2. die Rolle Wolfgang Ulmers als Lehrer, Arzt und Kliniker

  3. Wolfgang Ulmer – Der Privatmensch,

wobei ich mir bewusst bin, dass dieses Vorgehen sehr willkürlich und virtuell erscheinen mag, aber im Kontext seines Lebenskreises durchaus legitim ist.

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Wolfgang Ulmer als Forscher und Wissenschaftler

Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Ulmer wurde am 7. September 1924 in Dinkelsbühl in Mittelfranken als Sohn des Theologieprofessors und späteren Ordinarius für praktische Theologie in Erlangen – Friedrich Ulmer – geboren. Nach Besuch des humanistischen Gymnasiums – unterbrochen durch Weltkriegsteilnahme mit anschließender Verwundung – Beginn des Medizinstudiums in Heidelberg und Erlangen. Seine klinische und wissenschaftliche Ausbildung erfolgte bei Prof. Dr. Karl Matthes in Erlangen und später in Heidelberg. Hier entstand 1954 seine erste Publikation gemeinsam mit Bruck und Maas über „einen schnellanzeigenden Ultrarot Absorptionsschreiber – URAS – zur fortlaufenden Messung der Kohlensäurekonzentration in der Atemluft”, erschienen in Pflügers’ Archiv. Sie bildete den Ausgangspunkt seines wissenschaftlichen Oeuvres, das weit über 700 Publikationen umfassen sollte.

Schon früh führten ihn Studienreisen nach Holland, Schweden, in die Schweiz und in die USA, wo er die „wissenschaftlich begründete Pneumologie” kennenlernte, die im damaligen Deutschland, bedingt durch die Wirren des 2. Weltkrieges, danieder lag. Diese Erfahrungen, verbunden mit einem enormen Wissensdrang, bildeten den Grundstein seiner späteren wissenschaftlichen Laufbahn und deren Forschungsergebnissen, die in erheblichem Maße zur Entwicklung der deutschen Pneumologie beitrugen. Mit Fug und Recht kann man Wolfgang Ulmer als einen der Pioniere und bedeutendsten Vertreter der deutschen Lungenheilkunde im 20. Jahrhundert bezeichnen.

Nach der Habilitation 1958 in Heidelberg führte ihn sein weiterer Berufsweg nach Bochum, wo er im Alter von 34 Jahren 1958 die Leitung des damaligen Silikoseforschungsinstituts der Bergbau Berufsgenossenschaft übernahm. 1964 Ernennung zum apl. Professor für Innere Medizin an der Universität Münster. Von 1978 bis zu seiner Emeritierung 1989 war er Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Bergmannsheil Bochum und Ordinarius für Innere Medizin an der Ruhruniversität Bochum.

Sein besonderes Engagement galt u. a. den gesundheitlichen und sozialmedizinischen Problemen der Bergleute. Hier waren es Maßnahmen zur Prävention der Bergarbeitersilikose mittels Staubbekämpfung, Tragen von Atemschutzmasken, Untersuchungen von Risiko- und Individualfaktoren bei der Silikoseentstehung – einer Aufgabe, der er sich noch über seine Emeritierung hinaus auch international widmete. So entstanden noch vor dem Zusammenbruch des Ostblocks u. a. auf Initiative des damaligen Kardinals und Ruhrbischofs Franz Hengsbach unter seiner Federführung eine deutsch-polnische und eine deutsch-russische Kooperation, deren Ziele Prävention und sozialmedizinische Betreuung von Bergarbeitern waren. In Anerkennung dieser Verdienste erhielt er 1988 die Ehrendoktorwürde der Universität Lublin/Polen. Weitere arbeitsmedizinische Felder waren Studien zum Bäckerasthma, zur Asbestoseerkrankung, des Pleuramesothelioms, der Steinstaublunge bei Steinbrucharbeitern durch diabashaltige Stäube.

Unter anderem war Wolfgang Ulmer im Auftrag des Landes NRW im Rahmen epidemiologischer Feldstudien an der Erstellung von Luftreinhalteplänen, an der epidemiologischen Untersuchung von Bronchialkarzinomen im Stadt-Land-Vergleich beteiligt.

Höhepunkte seiner Laufbahn waren u. a. die Ausrichtung und Co-Präsidentschaft der 6. Internationalen Pneumokoniose-Konferenz der ILO-Genf 1983 in Bochum, 1989/90 Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, 1988 die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Mitbegründer und Ehrenpräsident der Gesellschaft für Lungen- und Atmungsforschung mit Sitz in Bochum – 1964/1965. Ehrenmitglied der Polnischen Gesellschaft für Pneumologie, des Weiteren Ehrenmitgliedschaften der Ungarischen und Österreichischen Pneumologischen Fachgesellschaften. Zahlreiche Monografien und Buchbeiträge spiegeln seine enorme Schaffenskraft wider; hervorzuheben sind an dieser Stelle das Standardwerk „Die Lungenfunktion” bereits in der 7. Auflage, seine Herausgeberschaft des Handbuches Innere Medizin Band IV – Pneumokoniosen 1976; Bronchitis – Asthma-Emphysem 1979 und zuletzt 2004 Herausgeber des „Lungenfunktions-Manual” nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.

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Die Rolle Wolfgang Ulmers als Lehrer, Arzt und Kliniker

Wolfgang Ulmer war stets ein engagierter Hochschullehrer, nicht nur im Nebenberuf. Vielmehr setzte er sich intensiv für Forschung und Lehre bei Gründung und Fortentwicklung des „Bochumer Modells” ein, ein Erfolgsmodell, wie wir alle wissen. Auch in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung setzte er Schwerpunkte: Zahlreiche Generationen von Doktoranden, Assistenz- und Oberärzten sowie Gastärzten durchliefen seine Klinik, profitierten von seinen profunden theoretischen Kenntnissen und klinischen Erfahrungen und schätzten seine akribisch-analytische Vorgehensweise. Seminare und Weiterbildungskurse für Arbeitsmediziner, Fortbildungsveranstaltungen in Schmallenberg – Kloster Grafschaft, Etablierung des sog. „Bochumer Treffs” waren weitere Tätigkeitsfelder.

Die Aufzählung der beruflichen Aktivitäten und Leistungen Wolfgang Ulmers wäre unvollständig, würde man die Rolle Wolfgang Ulmers als Arzt und Mensch vergessen. Sein hohes Berufsethos und den Anspruch als Arzt, dem er sich stets verpflichtet fühlte, haben seine Arztkollegen im „klinischen Alltag” immer wieder kennen- und schätzengelernt. Seine Gedanken zu diesem, seinem eigentlichen Beruf hat er in einer bemerkenswerten Eröffnungsrede als Präsident des Internistenkongresses in Wiesbaden 1990 überzeugend dargelegt. Die Rede „Der Arzt und sein Patient” wirkt über den Tag hinaus.

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Wolfgang Ulmer – Der Privatmensch

Wolfgang Ulmer war ein sehr humorvoller, geselliger und kommunikativer Mensch. Als Franke liebte er gutes Essen und einen edlen Tropfen. Er liebte die Musik und hier besonders den italienischen Belcanto. Im privaten Gesprächskreis und als Gastgeber wusste er sehr schnell sein Gegenüber zu fesseln und strahlte ein faszinierendes Charisma aus. Lebensmittelpunkt aber war seine große Familie: Ehefrau Eva, seine drei Kinder und Schwiegerkinder, 9 Enkelkinder und 1 Urenkelin.

Für sie bedeutet sein Tod eine nicht zu schließende Lücke. Möge ihnen in diesen schweren Tagen unserer aller Anteilnahme gewiss sein, ihnen Trost und Hoffnung geben. Er wird in unserer Erinnerung weiterleben.

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin verneigt sich in Trauer und Dankbarkeit vor der Persönlichkeit ihres Ehrenmitgliedes Wolfgang Ulmer, seinen Verdiensten und seiner Lebensleistung für die Deutsche Pneumologie.

In Dankbarkeit namens seiner Schüler, Freunde und Weggefährten
Harald Thiel

Prof. Dr. med. Harald Thiel

Am Wiesenpfad 7
44866 Bochum

Email: harald.thiel@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. med. Harald Thiel

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