Dtsch Med Wochenschr 2009; 134: S60
DOI: 10.1055/s-0029-1220210
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Impfungen: Strategien und Verständnis

Vaccinations: strategies and comprehensionH. J. Hutt1 , W. Kirch2
  • 1Sanofi Pasteur MSD GmbH, Leimen
  • 2Forschungsverbund Public Health, Sachsen und Sachsen-Anhalt, Dresden
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 April 2009 (online)

„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden.” (J. W. von Goethe)

Die epidemiologischen Ergebnisse großer Impfkampagnen wie zum Beispiel der Pocken- und der Polio-Impfung sind nach wie vor beeindruckend: Die Pocken konnten weltweit ausgerottet werden, und seit 2002 ist Europa offiziell frei von Kinderlähmung. Impfungen leisten nicht nur einen wesentlichen Beitrag in der individuellen Primärprävention infektionsbedingter Erkrankungen, sondern sie können auch die Gemeinschaft vor Epidemien schützen.

Dennoch zeigten zahlreiche Erhebungen, dass die Impfraten oft nicht hoch genug sind, um wirksam zu sein.

Beispiel Masern: Immer wieder treten lokale Epidemien auf 1 6. Nach aktuellen Umfragen des Robert Koch-Institutes in 161 deutschen Praxen sind nicht ganz 80 % der Patienten gegen Tetanus geimpft – andere Impfraten wurden auf 3 – 70 % beziffert 5 . Unter Hebammen sind nur 18 % gegen Keuchhusten geimpft, obwohl anerkanntermaßen Pertussis-Infektionen für Neugeborene sehr gefährlich sind 2. Regelmäßig erforderliche Impf-Auffrischungen bei Erwachsenen werden nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen, um ihre schützende Wirkung zu entfalten 3 4 . Auch bei der jährlich erforderlichen Grippeschutzimpfung fallen leider die viel zu niedrigen Impfraten besonders beim medizinischen Personal auf 7!

Diese Impflücken werden nach den Ergebnissen vieler Untersuchungen durch Unkenntnis, durch Vergessen und leider auch durch gezielte Fehlinformation verursacht. Negatives findet sich beispielsweise in reicher Auswahl, wenn man in eine der Internet-Suchmaschinen das Stichwort „Impfen” eingibt. Vokabeln wie „Impfschaden”, „Impfgegner” oder „Impfkritik” springen uns entgegen. Hingegen finden sich die als neutral einzustufenden Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beim Stichwort „Impfen” weit abgeschlagen, und die ausführlichen Informationen der Hersteller werden oft misstrauisch beobachtet und abgelehnt.

Mit diesen Einflüssen auf den mündigen Bürger müssen sich auch Präventionsprogramme befassen. Nur wenn die Akzeptanz hoch ist, lassen sich Erfolge wie bei Pocken und Polio wiederholen und fortführen.

Durch Fortschritte der Biotechnologie konnten in den letzten Jahren viele neue Impfstoffe zugelassen werden. Zugleich wurden aber auch existierende Impfstoffe verbessert bzw. ihr Indikationsbereich ausgeweitet. Bislang sind Impfstoffe gegen mehr als 25 Krankheiten verfügbar, die intensiv geprüft sind und hohen Qualitätsstandards unterliegen. Entsprechende gesetzliche Regelungen wie auch die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am staatlichen Robert Koch-Institut stellen sicher, dass Impfungen heutzutage als sicher und effektiv eingestuft werden können.

Im Erwachsenenbereich nimmt die Bedeutung von Impfungen immer mehr zu. Das Schließen von „Impflücken”, aber auch das konsequente Umsetzen vorhandener Standard- und Indikationsempfehlungen sind sowohl medizinisch als auch gesundheitsökonomisch sinnvolle Maßnahmen im Sinne der Primärprävention. Dieses DMW Supplement soll – selbstverständlich – keine ultimativen Handlungsanweisungen bieten. Es soll aber eine differenzierte und kritische Beschäftigung mit dem Thema Impfen im Erwachsenenalter auf wissenschaftlichem Niveau ermöglichen. Wir wünschen uns darüber hinaus eine konstruktive Diskussion zu Impfstrategien in unserem Gesundheitssystem.„Es ist nicht genug zu können, man muss auch tun” (auch von Goethe).

Autorenerklärung: H.J. H. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sanofi Pasteur MSD GmbH. W. K. hat keine Vortragshonorare und keine finanzielle Unterstützung von Forschungsarbeiten durch die Firma Sanofi Pasteur MSD und durch andere Impfstoffhersteller erhalten.

Literatur

  • 1 Arenz S, Kalies H, Ludwig M s. et al . Der Masernausbruch in Coburg. Was lässt sich daraus lernen?.  Dtsch Ärztebl. 2003;  100 A3245-3249
  • 2 Burckhardt F, Delere Y, Wiese-Posselt M. Impfstatus sowie Einstellung und Verhalten von Hebammen zu Impfungen – Ergebnisse einer Querschnittsstudie.  Epidem Bull. 2008;  Nr. 21 163-169
  • 3 Hofmann F. Impfungen im Erwachsenenalter.  Internist. 2005;  46 206-213
  • 4 Lukas A. Jeder Zweite über 65 ist nicht gegen Tetanus geschützt.  MMW-Fortschr Med. 2008;  150 31-33
  • 5 Seibt K, Schulz M, Hensel, FJ. Meinungen und Einstellungen zum Thema Impfen bei niedergelassenen Ärzten, Offizinapothekern und ihrem Personal sowie aktueller Impfstatus dieser Gruppen.  Gesundheitswesen. 2000;  62 376-382
  • 6 Wichmann O, Siedler A, Sagebiel D. et al . Further efforts needed to achieve measles elimination in Germany: results of an outbreak investigation.  Bull World Health Organ. 2009;  87 108-115
  • 7 Wicker S, Doerr H W, Gottschalk R, Rabenau H F, Allwinn R. Influenza: Akzeptanz der Schutzimpfung bei medizinischem Personal. Auswertung zur Influenzasaison 2006/2007.  Dtsch med Wochenschr. 2007;  132 1683-1687

Dr. med. Hans Joachim Hutt

Director Scientific & Regulatory, Sanofi Pasteur MSD GmbH

Paul-Ehrlich-Straße 1

69181 Leimen

Phone: 49 6224 594 210

Phone: mobil: 49 171 7429470

Fax: +49 6224 594 4210

Email: hhutt@spmsd.com

URL: http://www.spmsd.de

    >