Der Klinikarzt 2009; 38(3): 113
DOI: 10.1055/s-0029-1220659
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Risiko Mangelernährung – „Richtiges” Essen im Krankenhaus und Pflegeheim

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Publication Date:
31 March 2009 (online)

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Schwere und chronische Erkrankungen gehen häufig mit einem schlechten Ernährungszustand einher. Studien haben gezeigt, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Verschlechterung des Ernährungszustands und funktionellen Defiziten, z. B. weniger Kraft in den Händen oder schlechtere Fähigkeit zur selbstständigen Versorgung (Barthel Index) gibt.

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Portionen mit hoher Nährstoffdichte

„Alte Menschen benötigen eine ausreichend hohe Nährstoffdichte, weil häufig nur noch kleine Portionen gegessen werden können”, erklärt Priv.–Doz. Matthias Pirlich, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zu einer bedarfsdeckenden Ernährung könne mehr Energie durch Sahne, Butter oder Öle, oder auch ein höherer Einweißanteil durch hochwertige Proteinpulver in Süßspeisen oder Soßen beitragen. Ebenso können Zwischenmahlzeiten und Snacks der Entstehung oder Verschlechterung einer Mangelernährung entgegenwirken.

Wenn die natürliche Kost nicht mehr ausreiche, können mögliche Defizite durch Energie– und proteinreiche Trinknahrung ausgeglichen werden. Für Menschen mit Demenz oder motorischen Defiziten ist speziell entwickeltes Fingerfood eine Alternative zum konventionellen Essen mit Besteck und Teller. Erst wenn diese Maßnahmen versagen, besteht die Indikation zur parenteralen Ernährung.

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Ernährung lange Zeit vernachlässigt

Der Ernährung in Kliniken und Pflegeheimen wurde lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt. Sie gilt vielfach nur als beeinflussbarer Kostenfaktor, der so ökonomisch wie möglich gestaltet werden muss. Dabei wurde vielfältig gezeigt, dass durch individuelle Ernährungsberatung und Anpassung der Speisenauswahl die Nahrungszufuhr bei Tumorleiden oder anderen schweren Erkrankungen und auch bei geriatrischen Patienten gesteigert werden kann. Die individuelle Anpassung ist auch deshalb sinnvoll, weil sich bei vielen Erkrankungen und im Alter der Geschmack und damit auch die Nahrungspräferenzen ändern.

Die 2006 publizierte „German Hospital Malnutrition Study” zeigte, dass 27  % aller Patienten, die stationär behandelt werden müssen, bereits am Aufnahmetag Zeichen der Mangelernährung aufweisen, wobei ein hohes Lebensalter den größten Risikofaktor darstellt. In akut–geriatrischen Kliniken wurden mehr als 50  % aller Patienten als mangelernährt eingestuft. In Langzeitpflegestrukturen werden ähnliche Angaben gemacht. Norman und Smoliner [1] publizierten Daten von 112 Bewohnern aus 3 Berliner Seniorenheimen (Durchschnittsalter 85 Jahre). Laut Mini Nutritional Assessment (MNA), einem Erhebungsbogen, mit dem man den Ernährungszustand feststellt, galten nur 20  % als wohl ernährt, jedoch 9  % als schwer mangelernährt. Bei den übrigen 71  % bestand zumindest ein Risiko, ein Ernährungsdefizit zu entwickeln.

„Richtiges” Essen in Kliniken und Langzeitpflegeeinrichtungen sollte daher geschmacklich und optisch attraktiv sein. Gemessen an den zum Teil immensen Kosten moderner Therapien ist eine ideale Speisenversorgung als günstig zu bezeichnen. Die Tatsache, dass gutes Essen auch zum Wohlbefinden der Patienten und Mitarbeiter und letztlich auch zum guten Ruf einer Einrichtung beitragen kann, ist zu bedenken.

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Quellen:

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