Laut Landes– sowie Bundesregierung ist das Perinatalzentrum definiert als eine interdisziplinäre
Einrichtung mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe und Neonatologie zur Überwachung, Diagnostik
und Therapie bei Mutter und Kind während der Schwangerschaft, der Geburt und der Neonatalperiode.
Es sollte in einem Krankenhaus der Maximalversorgung angesiedelt sein. Ziel der Struktur
ist die Senkung der Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind. Die definierende
Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Perinatalmedizin (DGPM). Hierüber
erfolgt die Zentrums–Zertifizierung mit Qualitätsmanagement. Dazu besteht nach SGB
V §135a ein grundsätzlicher Anspruch Erkrankter. Diesem hohen Anspruch tragen bestimmte
Strukturen eines Perinatalzentrums Rechnung. Diese umfassen verschiedene Fachdisziplinen,
sowie die sie verbindende Koordination. Im Einzelnen sind dies die Frauenklinik mit
dem Schwerpunkt Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin, sowie Pränataldiagnostik
(Ultraschall–Diagnostik der DEGUM–Stufe II und III sowie invasive Diagnostik und Therapie),
ferner interdisziplinäre konservative und operative Betreuung von Hoch–Risikoschwangeren.
Des Weiteren gehören dazu die Kinderklinik mit Intensivstation (mindestens 6 Betten;
50 Beatmungsfälle pro Jahr), Kinderchirurgie, –neurochirurgie, –neurologie, –radiologie
und bildgebende Diagnostik, Kinderkardiologie, –pneumologie und –infektiologie. Kooperationsmöglichkeiten
sollten ferner bestehen zur Humangenetik, Anästhesie, Paidopathologie, Labormedizin
sowie Anbindung an psychosoziale und psychosomatische Versorgung.
Breites Spektrum der Risikoschwangerschaften
Breites Spektrum der Risikoschwangerschaften
Die geburtshilfliche Betreuung von Schwangeren mit zusätzlichen Erkrankungen sowie
schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen, die ein hohes Risiko für Komplikationen
für Mutter und Kind aufweisen, sowie die Betreuung von Frühgeburten stellen die Hauptaufgabe
eines Perinatalzentrums dar. Häufige maternale Erkrankungen sind: Diabetes mellitus,
hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, thromboembolische Erkrankungen, spezifische
Infektionen (HIV, Hepatitis), höhergradige maternale Herzfehler, gastrointestinale
Erkrankungen, Autoimmunopathien, nephrologische und neurologische Erkrankungen.
Häufige fetale Probleme, und damit Kriterien zur Entbindung im Perinatalzentrum, stellen
Probleme der Mehrlingsschwangerschaften dar, die drohende Frühgeburt < 32 + 0 SSW,
Frühgeburten 32 + 0 bis 34 + 0 SSW mit zusätzlichem Risiko, z. B. Amnioninfektionssyndrom,
intrauterine Infektionen, Morbus hämolyticus fetalis, fetale Brady– und Tachyarrhythmien,
intrauterine Mangelentwicklung < 5. Perzentile gestationsaltersabhängiger Ultraschall–Schätzgewichtskurven,
pränatal diagnostizierte, versorgungsrelevante Fehlbildungen (z. B. Hydrozephalus,
Myelomeningozele), schwere schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen, wie schwere Präeklampsie,
HELLP–Syndrom, chronische Infektionen der Mutter, wenn sie den Feten bedrohen (z.
B. Toxoplasmose, HSV, CMV, HIV), insulinbedürftiger Diabetes mellitus, chronische
Erkrankungen der Mutter, wenn sie den Feten bedrohen (z. B. schwere Erkrankungen einzelner
Organsysteme, PKU, Hypo–/Hyperthyreose, Z. n. Transplantation, Autoimmunopathie) oder
Drogenabhängigkeit.
Versorgungsgebiet eines Perinatalzentrums
Versorgungsgebiet eines Perinatalzentrums
Bei einer Frühgeburtsrate von 7–8 % bundesweit wollen die durch Frühgeburtlichkeit
bzw. mütterlich oder fetale Erkrankung bedrohte Patientinnen an Perinatalzentren konzentriert
werden. So kann über eine höhere Fallzahl die Behandlungsroutine wie auch die Aus–lastung
gesichert werden. Ein Einzugsgebiet von 6 000–10 000 Geburten ergibt die typische
Auslastungsgröße für ein solches Zentrum. Notwendige Ressourcen sind eine optimale
Verkehrsanbindung, ein Hubschrauberlandeplatz sowie geografisch idealerweise eine
Lage im Zentrum des Versorgungsgebietes. Notwendige Ressourcen (in 24–Stunden–Bereitschaft)
sind Anästhesie, Intensivmedizin (Betreuung der Mutter), Radiologie, Klinische Chemie
mit Kapazität in Mikroanalysemethoden, Kinderchirurgie, Kinderkardiologie sowie Konsiliardienste
in Neurologie, Innere Medizin, Onkologie und Transplantationsmedizin.
Entsprechend der Vereinbarung des gemeinsamen Bundesausschusses 2006 über Maßnahmen
zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh– und Neugeborenen wurde ein Stufenkonzept
entwickelt für die neonatologische Versorgung und Regelung der Anforderungen an die
Struktur–, Prozess– und Ergebnisqualität der versorgenden Einrichtungen. Diese sieht
vor, die Versorgung von Risikoschwangeren und/oder Risikoneugeborenen nur in spezialisierten
Zentren anzustreben. Im Einzelnen werden verschiedene Ebenen der Versorgung definiert.
Das Perinatalzentrum des Levels 1 fordert die Kooperation von Geburtshilfe und Neonatologie
„Wand an Wand”. Dazu sind mindestens 2 Geburtshelfer mit dem Schwerpunkt „Spezielle
Geburtshilfe und Neonatologie”, 2 Neonatologen mit Schwerpunkt „Neonatologie” nötig
sowie 6 Intensivplätze, 24–Stunden–Neonatologischer Dienstarzt ohne Zusatzaufgaben
und mindestens 40 % der Schwestern mit Zusatz „Pädiatrische Intensivpflege”. Das
Perinatalzentrum Level 2 bietet mindestens einen Geburtshelfer mit Schwerpunkt „Spezielle
Geburtshilfe und Pränatalmedizin”, einen Neonatologen mit Schwerpunkt „Neonatologie”,
4 Intensivplätze, 24–Stunden–Neonatologischer Dienstarzt ohne Zusatzaufgaben und mindestens
30 % Schwestern mit Zusatz „Pädiatrische Intensivpflege”.
Spezielle Weiterbildung
Spezielle Weiterbildung
Die (Muster–)Weiterbildungsordnung trägt dieser Entwicklung Rechnung durch die Formulierung
bestimmter Schwerpunktkompetenzen, die nach der Facharztweiterbildung an einem entsprechenden
Zentrum erworben werden können.
Problem des aktuellen Versorgungsansatzes
Problem des aktuellen Versorgungsansatzes
Das Prinzip des Perinatalzentrums hofft einen Lösungsansatz für die diversen aktuellen
Probleme der Versorgung zu sein. Diese Probleme umfassen epidemiologische Aspekte,
so das steigende Alter bei der ersten Geburt, die hohe Anspruchshaltung und das Sicherheitsbedürfnis
der Patientinnen bei gleichzeitig niedrigerer Toleranz, ferner Verpflichtung zur Bereitstellung
von Ausbildungsstrukturen. Weitere Probleme sind Veränderungen des Gesundheitssystems,
z. B. die Verlagerung stationärer Leistungen nach ambulant, die Verringerung der Vergütung,
die Haftung und Rückzahlung bei Fehlfällen, die Europäisierung der Gesetzes– und Versicherungssysteme.
Diese Aspekte fördern eine zunehmende Zentralisierung und Spezialisierung von Kompetenzzentren
zur Sicherung von Qualität bei gleichzeitiger Kosteneffizienz, wie sie durch das Prinatalzentrum
gewährleistet weden soll.
Problemtisch erscheint durch die Zentralisierung die daraus resultierende begrenzte
Kapazität für Ausbildungsplätze. Wenn Krankenhäuser zukünftig zunehmend dazu angehalten
sind, anspruchsvolle Behandlungsfälle an Perinatalzentren zu verweisen, so wird die
Erfahrung des Einzelnen mit solchen Problemsituationen an Häusern, die diese nicht
behandelt, immer geringer. Zu berücksichtigen ist hierbei unter anderem auch eine
geografische Verteilung der Perinatalzentren, die eine flächendeckende Versorgung
ermöglichen müssen.
Die Problematik des Kompetenzverlustes in der Ausbildung, der hochrangigen flächendeckenden
Versorgung und der Kosteneffektivität im Gesundheitssystem kann nur durch Kommunikation
zwischen verschiedenen Disziplinen, beziehungsweise auch innerhalb der Einzeldisziplin
verbessert werden.
Rotationsmodelle zwischen verschiedenen Fachbereichen können zukünftig unterstützen,
dass eine flächendeckende Versorgung von Risikopatientinnen und Risikokindern möglich
ist. Hierbei gewinnt der Grundsatz der wohnortfernen Behandlung, aber wohnortnahen
Betreuung zunehmend an Bedeutung.