Der Klinikarzt 2009; 38(4): 175
DOI: 10.1055/s-0029-1223261
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Infektionsprävention durch risikobewusste Sicherheitskultur

Claus Bartels, Axel Kramer
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Publication Date:
30 April 2009 (online)

In den hoch entwickelten Zivilisationen bestimmen die nosokomialen Infektionen das Infektionsgeschehen. Im 1. Epidemiologischen Bericht der EU wird festgestellt, dass die Zunahme krankenhauserworbener Infektionen als wichtigste Gefahr noch vor der Bedrohung durch pandemische Influenza und HIV einzuordnen ist [1]. Vor allem Infektionen mit multiresistenten Bakterien stehen im Fokus und es steht außer Zweifel, dass die Infektionskontrolle zu erheblichen Einsparungen führt [2]. Deshalb hat das Universitätsklinikum Greifswald diesen Infektionsrisiken den Kampf angesagt.

Das Wissen um die Problematik ist der Anfang der Qualitätssicherung. Der Lösungsansatz zur Infektionsprävention ist die Etablierung eines umfassenden Sicherheitsstandards. Vorbedingung für die erfolgreiche Realisierung ist die Integration der Infektionsprävention in ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem z. B. nach EFQM (European Foundation for Quality Management). Die Vorgaben müssen vom Krankenhaushygieniker im Ergebnis eines risk benefit assessment erarbeitet und interdisziplinär umgesetzt werden. Während für die Herstellung von Lebensmitteln das HACCP–Konzept Standard geworden ist, erhält aufgrund der Ausbreitung multiresistenter Bakterien das Greifswalder Multibarrierenkonzept der Infektionsprävention [3] mit den Schwerpunkten Screening, Isolierung, Desinfektion (Hände, Umgebungsflächen, Betten, Wäsche), Instrumentenaufbereitung, Wassersicherheitsplan, restriktive Antibiotikastrategie und antiseptische Sanierung als Handlungsrahmen zunehmend die ihm zukommende Bedeutung. Hierbei werden Primärprävention (Struktur– und Prozessqualität) mit Sekundärprävention (frühzeitiges Erkennen multiresistenter Erreger und Qualitätskontrolle mittels Surveillance) und Tertiärprävention (Ausbruchmanagement) als ineinandergreifende Strategie umgesetzt.

Zur MRSA–Prävention wurde die niederländische „search and destroy”–Strategie etabliert. Dadurch ist es gelungen, die nosokomiale Weiterverbreitung zu unterbinden und die Zahl wegen Isolierung gesperrter Betten zu reduzieren.

Auf den deutschlandweiten Anstieg von Noro– und Rotavirusinfektionen wurde mit einem klinikinternen Sofortmeldesystem reagiert. Bei Aufnahme erster Erkrankungen tritt ein Maßnahmenplan mit verschärften Desinfektions– und Isolieranweisungen in Kraft. Dadurch konnten bereits Ausbrüche verhindert werden.

Zur Prävention postoperativer Wundinfektionen, Pneumonien, Harnwegsinfektionen sowie Infektionen nach Injektionen, Punktionen und Blutgefäßkathetern wurden evidenzbasierte Standards in Form verbindlicher Standardarbeitsanweisungen eingeführt.

Infektionsprävention kann nur als Gemeinschaftswerk aller am medizinischen Betreuungsprozess Beteiligten auf jeder Verantwortungsstufe erfolgreich sein. Die Realisierung des Multibarrierenkonzepts ist eine Leitungsaufgabe von hoher Priorität. Durch gemeinsame Problemidentifizierung, Aufklärung, Motivation, Überwachung und Erfolgsbewertung mittels Surveillance wurde im Verlauf der Jahre eine alle Bereiche umfassende Sicherheitskultur etabliert. Es ist davon auszugehen, dass Patienten künftig bei der Wahl eines Krankenhauses verstärkt auf solche Qualitätskriterien setzen.

Diese Ausgabe des klinikarzt widmet sich daher Möglichkeiten der erfolgreichen Infektionsprävention im Krankenhaus. Die einzelnen Fachbeiträge zeigen, wie mithilfe eines strikten Maßnahmenplans die Zunahme krankenhauserworbener Infektionen eingedämmt und Infektionen mit multiresistenten Bakterien verhindert werden können. Wir hoffen, dass dieses Schwerpunktheft dazu anregt, einige der Strategien auf Ihre Klinik zu übertragen.

Literatur

  • 1 Microbes without borders: Key facts on infectious diseases in Europe. Highlights from ECDC's annual report on infectious diseases in Europe. 
  • 2 Krank im Krankenhaus. Report der Allianz. www.dgkh.de
  • 3 Kramer A.. Role of Disinfection in the Infection Prevention Multibarrier System.  GMS Krankenhaushyg Interdiszip. 2007;  2

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Claus Bartels

Hamburg

Prof. Dr. med. Axel Kramer

Greifswald

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