Balint Journal 2009; 10(4): 123-124
DOI: 10.1055/s-0029-1224692
Kongressbericht

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Das Beste von Rumänien

Der 16. Internationale Balint-Kongress fand in Poiana Brasov (Rumänien) stattThe Best of RumaniaThe 16th International Balint Conference Took Place in Poiana Brasov (Rumania)P. Portwich
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 December 2009 (online)

Mit Rumänien war nun zum ersten Mal ein Land Gastgeber des Internationalen Balint-Kongres­ses, das sich erst 1990 von einer sozialistischen Gewaltherrschaft befreien konnte und seitdem Schritte geht, um Armut, Depression und Un­freiheit abzuschütteln. Umso leidenschaftlicher waren dementsprechend die Einladungen dorthin von Albert Veress ausgefallen, bis vor kurzem Präsident der rumänischen Balintgesellschaft, wichtiger Motor der Balintbewegung in seiner Heimat und Initiator der Bewerbung Rumäniens um die Austragung dieses Kongress 2009. Und umso stärker waren freilich auch die Bemühungen, nun den internationalen Gästen das Beste des eigenen Landes zu zeigen. Dafür wurden wir nach Poiana Brasov geführt, einen in Siebenbürgen, tief in den Karpaten und 170 km von Bukarest entfernt gelegenen Winterskiort, der modernen Hotelkomfort bieten kann.

Hier nun trafen sich gut 150 Teilnehmer aus ­vielen europäischen Ländern, Australien und USA vom 5.–9. September, und wurden jeden­falls als derart international zusammengewürfelte Gruppe dem Kongressthema „Globalisation“ schon durchaus gerecht. In dem Workshop, der sich auch noch inhaltlich speziell der „Globalisa­tion“ widmete, regten fundierte und breit ange­legte Präsentationen der israelischen Arbeitsgruppe dann eine lebhafte Diskussion über den Platz von Balintarbeit in dieser Welt und ihre ­Zukunft an. Der Workshop fand ein Ende, als sich eine nicht englischsprachige Teilnehmerin meldete und statt eines Diskussionsbeitrags ein sehr persönliches Problem vortrug. Im Publikum entstand Ungeduld und Betroffenheit und so schloss dieser „Globalisation“-Workshop mit einer Situation von gegenseitigem Unverstehen.

Das weitere Vortragsprogramm berührte eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Aspekte der Balintarbeit, die in den Proceedings in redak­tionell guter Bearbeitung nachgelesen werden können. Klar erkennbar wurde das Bedürfnis der Balint Community nach mehr Erkenntnisgewinn durch bessere, qualitätvolle Untersuchungen. Es klang aber auch eine Kontroverse darüber an, welche Methode hierfür die geeignete sein kann: Empirische oder hermeneutische Balintforschung? Einige der nun in Rumänien bereits vorgetragenen Ergebnisse und eben besonders das lebhafte Interesse daran sind sicherlich schon gute Voraussetzungen für weitere Fortschritte der Balint­methode mit zukünftigen Forschungsaktivitä­ten. Außerhalb der Vortragssitzungen trafen sich die Kongressteilnehmer in dem Setting der an­gewandten Balintgruppenarbeit bzw. in Leiter­gruppen und viel wurden natürlich in Pausen oder beim gemeinsamen Essen Kontakte ­gepflegt oder neu geknüpft. Reichlich Beziehungsarbeit. Dass das Wetter regnerisch und dicht bewölkt war, trug sicherlich ebenso zu einer intensive­ren Konzentration aller Teilnehmer auf das Kongress­geschehen bei, wie der Umstand, dass andere Zerstreuung oder Ablenkung in der stil­len Abgeschiedenheit des Veranstaltungsortes in den schwarzen Bergwäldern kaum erreichbar war.

Angereichert war das Programm aber noch durch zwei kleinere Ausflüge, die uns auch anderes zeigten: Die Burg Bran verbindet sich mit dem ­Roman von Dracula, dessen historisches Vorbild im Mittelalter von dort aus herrschte. Dass die Anlage sich heute in einem gut renovierten, ­besichtigungsfähigen Zustand befindet, verdankt sie der Eigentumsrückführung an Mitglieder der ehemaligen rumänischen Königsfamilie. Das alte Kronstadt gibt seinen Besuchern noch einen Eindruck von dem kulturellen Reichtum und der wirtschaftlichen Prosperität dieser ursprünglich deutschen Stadt bis in die Zeit der k. u. k.-Monarchie: Mittelalterliche Handwerkerhäuser, Gründerzeitvillen und -kaufhäuser und eine stattliche, ehemals lutherische Stadtkirche. Heute heißt Kronstadt Brasov und bei unserem abendlichen Bummel sahen wir hier auch ein wenig von dem Alltagsleben und Straßenbild einer rumänischen Stadt in unseren Tagen.

Wie bei jedem Balintkongress war der gemeinsame Festabend als krönender Höhepunkt gestaltet; neben einem hervorragenden, gedeckten Abendessen, traditioneller Volksmusik und anschließendem Tanz zudem auch mit der feierlichen Verleihung von Preisen an Personen, die sich um die rumänische Balintarbeit verdient gemacht haben, u. a. an den derzeitigen Präsidenten der IBF Henry Jablonski. Die Preise sind großzügig gestiftet von Albert Verres, der – soweit erkennbar – zugleich der Juror ist.

Auch dieser nunmehr bereits 16. Internationale Balint Kongress war mit seinem Programm, den persönlichen Begegnungen der Teilnehmer, dem gemeinsamen Erleben und Arbeiten ein weiterer Schritt auf dem kontinuierlichen Weg zur weiteren Entwicklung, auch Stärkung der Balintmethode und ihrer Verbreitung. Die rumänische Balintgesellschaft hat als Gastgeber wesentlich dazu beigetragen, natürlich mit ihrem großen Einsatz für das ­Gelingen des Kongresses, aber vielleicht noch umso mehr durch ihre eigene Wirkung: Sie ist innerhalb von weniger als zwei Jahrzehnten zu einer Gruppe mit über 200 Mitgliedern geworden, die Gesellschaft ist aktiv und wächst. Damit erschien jedenfalls – neben den anderen Eindrücken, die wir von dem noch so fernen Land gewinnen konnten – den meisten Balintgästen sicherlich diese starke und überzeugende nationale Balintaktivität doch … das Beste von Rumänien!

Literatur

  • 1 Balint work and Globalisation – Proceedings of the 16th International Balint Congress. Ed. by the International Balint Federation, 2009. ISBN 978-973-7875-50-1

Dr. med. P. Portwich

Schosshaldenstraße 40

CH-3006 Bern

Email: philippportwich@aol.com

    >