Pneumologie 2009; 63(5): 250
DOI: 10.1055/s-0029-1224834
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Chronische Höhenkrankheit - Langfristige Therapie mit Acetazolamid erfolgreich

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Publication Date:
22 June 2009 (online)

 
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Die chronische Höhenkrankheit oder Monge's Disease kann bei langen Aufenthalten in Gebirgsregionen auftreten und ist durch eine exzessive Erythrozytose gekennzeichnet. In den Anden leiden ca. 10–20 % der Bevölkerung an dieser Erkrankung. Die optimale Therapie stellt gerade in diesen Regionen eine Herausforderung dar. J. P. Richalet und Mitarbeiter haben die Wirkung einer langfristigen Therapie mit Acetazolamid bei Patienten mit chronischer Höhenkrankheit untersucht. Am J Respir Crit Care Med 2008; 177: 1370–1376

Die Folge der Höhenkrankheit ist eine chronische Hypoxämie mit neurologischen Störungen. In schweren Fällen kann sich eine pulmonale Hypertonie mit konsekutivem Rechtsherzversagen entwickeln. Klinische Zeichen dieser Erkrankung sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Dyspnoe und Verdauungsstörungen. Die chronische Höhenkrankheit stellt in den Andenländern Südamerikas ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem dar, da 5–15 % der Bevölkerung (ca. 2 Mio. Menschen) auf über 3200 m Höhe leben.

Acetazolamid ist ein möglicher therapeutischer Ansatz bei Patienten mit chronischer Höhenkrankheit. Es handelt sich um einen Karboanhydraseinhibitor aus der Substanzklasse der Sulfonamide. Durch die Einnahme von Acetazolamid entsteht eine metabolische Azidose. Dadurch steigert sich die Ventilation, und in der Folge reduziert sich die Hypoxämie. Die Wissenschaftler haben bereits in einer früheren Studie herausgefunden, dass der Wirkstoff in einer Dosis von 250 mg, einmal pro Tag über 3 Wochen verabreicht, zu einer Reduktion der gesteigerten Erythropoese führte. In der jetzt veröffentlichten Folgestudie haben J. P. Richalet und Mitarbeiter untersucht, wie effektiv eine Langzeittherpie mit Acetazolamid bei dieser Erkrankung ist.

In einer 2-Phasen-Studie wurden Patienten mit chronischer Höhenkrankheit aus Cerro de Pasco, Peru, untersucht, die auf 4300 m Höhe lebten und einen Hämatokrit von mehr als 63 % hatten. Die 1. Phase der doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie dauerte 12 Wochen und umfasste 55 Patienten. 40 Patienten erhielten einmal pro Tag 250 mg Acetazolamid, 15 Patienten erhielten ein Placebo. Nach einer 4-wöchigen Wash-out-Periode begann die 2. Phase: Alle Patienten erhielten das Präparat 12 Wochen lang einmal täglich.

Verglichen mit der Placebogruppe reduzierte eine 12-wöchige Behandlung mit Acetazolamid den Hämatokrit von 69 auf 64 %, steigerte den PaO2 von 42 auf 45 mmHg, erhöhte die SaO2 um 2 %, erniedrigte den PaCO2 um 3 mmHg, und verringerte das Plasma-Bikarbonat um 2,8 mmol/l. Ergebnisse der 4-wöchigen Wash-out-Periode zeigten, dass der basale Hämatokrit von 69 % wieder erreicht wurde. Patienten, die 6 Monate lang kontinuierlich Acetazolamid einnahmen, zeigten eine deutliche Reduktion des Gefäßwiderstandes der Lunge. Damit assoziiert steigerte sich das Herzminutenvolumen signifikant von 4,0 auf 5,1 l/m am Studienende.

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Ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung in den Anden leidet unter chronischer Höhenkrankheit. Acetazolamid könnte hier Abhilfe schaffen (Bild: rebel/Pixelio).

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Bewertung

Diese Studie zeigt, dass eine über 24 Wochen andauernde Behandlung mit 250 mg Acetazolamid einmal pro Tag die Krankheitssymptome der chronischen Höhenkrankheit mildert, indem sie den Hämatokrit reduziert, den Gefäßwiderstand der Lunge reduziert und somit das Herzminutenvolumen steigert. In der pharmakologischen Behandlung der chronischen Höhenkrankheit können auch Medroxyprogesteron oder Enalapril alternativ zu Acetazolamid eingesetzt werden. Beide Medikamente zeigen jedoch ein ungünstigeres Nebenwirkungsprofil. Acetazolamid hingegen wird sehr gut toleriert. Dennoch können Nebenwirkungen wie eine gesteigerte Diurese, Parästhesien und ein Absinken des Kaliumspiegels im Blut auftreten. Die chronische Höhenkrankheit hat große soziale Bedeutung, da viele Betroffene ihre Heimat verlassen müssen. Da die Kosten für Acetazolamid relativ niedrig sind, könnte eine systematische Therapie von Patienten mit chronischer Höhenkrankheit hier Abhilfe schaffen.

Referiert und bewertet von Dr. B. Koller und Dr. D. Hartl, München

 
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Ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung in den Anden leidet unter chronischer Höhenkrankheit. Acetazolamid könnte hier Abhilfe schaffen (Bild: rebel/Pixelio).