Pneumologie 2009; 63(5): 252
DOI: 10.1055/s-0029-1224836
Pneumo-Fokus

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Immunologie - Lipopolysaccharide modulieren Immunreaktion

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Publication Date:
22 June 2009 (online)

 
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Ein Zusammenhang zwischen Arbeit in der Landwirtschaft und geringerem Allergierisiko wurde mehrfach beschrieben. K. Gerhold et al. zogen eine Parallele zum Tiermodell und überprüften die Wirkung von Lipopolysaccharid (LPS) auf die Funktion der T-Zellen. Sie kamen zu dem Schluss, dass Bestandteile aus organischem Staub, z.B. LPS, eine wichtige Rolle bei der allergenspezifischen Toleranzinduktion spielen. Int Arch Allergy Immunol 2008; 147: 25–34

Die Sensibilisierung von Mäusen gegenüber Ovalbumin, einem Protein aus dem Vogelei, gilt als Modell für die allergische Reaktion beim Menschen. Das Forscherteam um K. Gerhold behandelte Mäuse vor der systemischen Sensibilisierung intranasal mit diesem Protein. Dadurch wird eine Toleranz gegenüber dem Allergen ausgelöst. Das Ovalbumin war einmal mit Lipopolysaccharid (LPS) versetzt und einmal LPS-frei. Anschließend wurden die CD4+-T-Zellen bezüglich ihres Zytokinspektrums charakterisiert und in andere Mäuse übertragen, die noch keinen Allergenkontakt hatten. Die intranasale Vorbehandlung mit Ovalbumin begünstigte den Anstieg von regulatorischen T-Zellen und unterdrückte die TH2-vermittelte Immunantwort. Der Zusatz von LPS zu Ovalbumin führte zu erhöhten allergenspezifischen IgG1-Spiegeln im Serum. Weiterhin kam es zu einer Zunahme von IL-10 und IFN-γ produzierenden CD4+-T-Zellen. Die Übertragung dieser CD4+-Zellen auf nicht behandelte Empfänger schützte diese vor der Entwicklung einer Sensibilisierung, allerdings nicht vor Atemwegserkrankungen. Tiere, die nur mit Ovalbumin (ohne LPS) vorbehandelt waren, waren besser geschützt: Sie entwickelten weder IgE-Antikörper, noch Atemwegserkrankungen.

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Die "Hygienehypothese" ist allgemein bekannt: Kontakt zu organischem Staub, etwa in der Landwirtschaft, beeinflusst das menschliche Immunsystem. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind jedoch noch nicht geklärt (Bild: Digital Vision).

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Bewertung

Kontakt zu organischem Staub, speziell LPS, beeinflusst das Immunsystem des Menschen. Dieser Gedanke ist Teil der "Hygienehypothese". Hinweise hierfür gibt es aus verschiedenen epidemiologischen Studien. Diese In-vivo-Beobachtungen können aber nicht klären, ob LPS nur ein Surrogatmarker für andere Faktoren des Landlebens ist. In-vitro-Untersuchungen am Mausmodell helfen dabei, die zugrunde liegenden Pathomechanismen zu verstehen. Die stark erhöhten Serumspiegel mit allergenspezifischem IgG legen nahe, dass diese Antikörper blockierend wirken und damit die IgE-vermittelten entzündlichen und anaphylaktischen Reaktionen verhindern. Tiere, die mit LPS plus Allergen vorbehandelt waren, entwickelten IgG, aber keine IgE-Antikörper, Atemwegserkrankungen traten jedoch trotzdem auf. Auch für den Menschen ist bekannt, dass sich nicht allergische, durch organische Stäube ausgelöste Atemwegserkrankungen entwickeln können. Insofern ist der immer wieder diskutierte Schutz vor Allergien durch einzelne Staubkomponenten in therapeutischer Hinsicht ein sehr zweifelhaftes Unterfangen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass verschiedene Staubbestandteile synergistisch die Immunantwort modulieren.

Referiert und bewertet von Dr. Verena Liebers, Bochum

 
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Die "Hygienehypothese" ist allgemein bekannt: Kontakt zu organischem Staub, etwa in der Landwirtschaft, beeinflusst das menschliche Immunsystem. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind jedoch noch nicht geklärt (Bild: Digital Vision).