Diabetes aktuell 2009; 7(4): 162
DOI: 10.1055/s-0029-1233386
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Herz-Kreislauf-Prävention - Welche Rolle spielt die Behandlung im prädiabetischen Stadium?

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Publication Date:
30 June 2009 (online)

 
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Von einigen Experten wird diskutiert, ob es so etwas wie ein "prädiabetisches Stadium" überhaupt gibt. Dagegen betonte der Referent der renommierten "Biermann-Vorlesung" im Rahmen der Tagung der American Diabetes Association, Steven M. Haffner, Professor am University of Texas Health Science Center in San Antonio, die enorme Bedeutung der intensiven Therapie kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Patienten in eben diesem Stadium.

"Der Prädiabetes ist ein atherogenes Stadium" erklärte Haffner, "und es scheint mehr von der Insulinresistenz als von einer verminderten Insulinsekretion beeinflusst zu sein. Menschen im prädiabetischen Stadium haben einen beeinträchtigten Nüchternblutzucker (IFG) und eine beeinträchtigte Glukosetoleranz (IGT). Das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes liegt bei der IGT zur IFG bei 3 bis unter 10 % pro Jahr; liegen sowohl eine IFG als auch eine IGT vor, sind es 10 % pro Jahr. Menschen mit einer IGT ohne kardiale Probleme haben eine Chance von 1-2 % pro Jahr, eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln - zahlenmäßig ein sehr großes Problem".

Aber bis heute konnte keine der Präventionsstrategien bei Diabetes die Entwicklung der koronaren Herz-krankheit vermindern. Zusätzlich zu den "normalen" Risikofaktoren beim Fortschreiten des prädiabetischen Zustands zum Typ-2-Diabetes, wie Hyperglykämie, herabgesetzte Insulinsensitivität, verminderte Insulinsekretion und Übergewicht, spielen auch kardiovaskuläre Risikofaktoren eine Rolle, wie niedriges HDL (high density lipoprotein), hohes CRP (C-reaktives Protein) und erhöhte Leberwerte (ALT - Alanin-Aminotransferase), erklärte Haffner.

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Bild: Günther Buck

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Hyperinsulinämie als Risikofaktor für kardiovaskuläre Probleme

Nach Haffners These einer "tickenden Uhr" sind Menschen im prä­diabetischen Stadium hyperinsulinämisch, und weil die Hyperinsulinämie ein Risikofaktor für die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung sein kann, könnte bei diesen Individuen ein ganzes Bündel atherogener Risikofaktoren vorhanden sein und die Uhr für das Auftreten kardialer Probleme beginnt zu ticken, noch ehe der Diabetes evident wird. Die kardiovaskuläre Erkrankung tritt also dann im zeitlichen Ablauf vor dem Diabetes auf. Haffner empfiehlt aus diesem Grund für Patienten mit mäßigem Risiko eine Verhaltensmodifikation, bei Patienten mit hohem Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes aber bereits eine medikamentöse Therapie mit Metformin, verbunden mit einem intensiven Angehen der kardiovaskulären Risikofaktoren.

Als Beleg für seine These nannte Haffner die Daten der San Antonio Heart Studie. Diese belegen das atherogene Risikobündel bei prädiabetischen Patienten (möglicherweise verursacht durch Adipositas, Hyperglykämie und vor allem Hperinsulinämie), das schon viele Jahre vorhanden sein kann und ebenso sehr zum Risiko für die makrovaskulären Folgen beiträgt wie die klinische Dauer des Typ-2-Diabetes. Obwohl der Typ-2-Diabetes sowohl mit makro- als auch mit mikrovaskulären Komplikationen verbunden ist, können nur die mikrovaskulären Schäden auf den Schweregrad der Hyperinsulinämie und die Dauer des Typ-2-Diabetes zurückgeführt werden. Die These der "tickenden Uhr" für die Entwicklung makrovaskulärer Schäden besagt, dass die Glukose ein stärkerer Risikofaktor für mikrovaskuläre Schäden ist als für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit - im Allgemeinen. Denn, so Haffner, in einigen Fällen, wie z. B. bei der Retinopathie, gehen mikrovaskuläre Endpunkte dem klinischen Auftreten des Typ-2-Diabetes voraus (dies ist auch die Rationale für das vom Expertenkomitee beim Vorschlag des Wertes für den HbA1c bei der Diagnose des Diabetes gewählte "Zielkriterium" Retinopathie, siehe Beitrag S. 160 in dieser Ausgabe/Red.).

Bei der Erhebung von Risikofaktoren für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen haben Studien gezeigt, dass die Insulinresistenz hier eine Rolle spielt und dass nur insulinresistente Menschen im prädiabetischen Stadium hohe CRP-Spiegel haben, nicht aber noch insulinsensitive - bei diesen sind die CRP-Spiegel niedrig. Erhöhte ALT-Spiegel sind fast ebenso zuverlässig in der Vorhersage eines kardiovaskulären Risikos wie das CRP, so Haffner, und auch der Leberfunktionstest ist deshalb gut geeignet, um dieses Risiko bei prädiabetischen Patienten festzustellen.

Günther Buck

Quelle: "Biermann-Lecture" bei den 69th Sessions der American Diabetes Association am 6. Juni 2009 in New Orleans

 
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Bild: Günther Buck