DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2009; 7(03): 6
DOI: 10.1055/s-0029-1233680
Science
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Hand anlegen beim akuten Schulterschmerz?

K. L. Resch
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Publication Date:
02 July 2009 (online)

Kommentar

Normalerweise erinnere ich mich spontan an eine oder mehrere zum Schwerpunktthema passende Studien, die ich nicht sehr lange zuvor gelesen hatte und die es wert sind, vorgestellt zu werden. Beim Thema „akute Erkrankungen” war dies bemerkenswerterweise nicht der Fall. Als ich dann gezielt recherchierte, musste ich feststellen, dass zu diesem Thema außer medikamentösen bzw. invasiven Therapien kaum etwas zu finden ist.

Gibt es inzwischen vielleicht kaum noch akute Erkrankungen? Auch wenn gesundheitspolitischer Konsens besteht, dass der größte Teil der Ressourcen der Krankenkassen zur Behandlung chronischer Erkrankungen herhalten muss, kann ich das eigentlich nicht so recht glauben. Wahrscheinlicher scheint mir da schon, dass ein Rest gallischer Mentalität in den meisten von uns im akuten Fall instinktiv nach akuten Lösungen sucht, also dem sprichwörtlichen Zaubertrank. Und den vermuten Arzt und Patient offensichtlich viel eher in den Schubladen des Apothekers. Wenn schon Hand angelegt werden muss, dann traut man dem heroischen Schnitt des Chirurgen offensichtlich mehr zu als den einfühlsamen Händen eines Therapeuten.

Dass das Wohl des Patienten jenseits jedes „Lagerdenkens” zu Hause ist, hat schon vor gut 12 Jahren eine holländische Studie so beispielhaft gezeigt, die ich immer noch für aktuell und so stimulierend halte, dass sie hier vorgestellt werden soll. Sie zeigt erstens, dass unmittelbar für die Praxis relevante Erkenntnisse nicht notwendigerweise aus universitären Laboren stammen müssen, sondern durchaus aus „ganz normalen” Praxen kommen können. Und zweitens, dass ein „Leitsymptom” möglicherweise mehr als eine Ursache haben kann und deshalb differenzierte Lösungen gefordert sind. Dazu gehört im vorliegenden Beispiel für den Manualtherapeuten das Wissen, dass seine (passive) Behandlung der (aktiven) physiotherapeutischen Behandlung eindeutig überlegen ist, wenn der Schmerz im Schultergürtel seinen Ausgang nimmt. Genauso wichtig ist aber auch die Professionalität, Patienten mit akutem Gelenkschmerz zuerst einmal eine Kortikosteroidinjektion anzuraten (in der Studie wurden durchschnittlich nur 1,8 Injektionen gegeben). Das sollte übrigens auch für den Osteopathen gelten, solange nicht gute Studien ein anderes Vorgehen begründen – es muss für jeden Osteopathen selbstverständlich sein, der die Lizenz zum Erstkontakt fordert.

 
  • Referenz

  • 1 Winters JC, Sobel JS, Groenier KH, Arendzen HJ, Meyboomde BJong. Comparison of physiotherapy, manipulation and corticosteroid injection for treating shoulder complaints in general practice: randomised, single blind study. Brit Med J(Originalartikel: www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2126546&blobtype=pdf) 1997; 314