Der Klinikarzt 2009; 38(7/08): 324-325
DOI: 10.1055/s-0029-1237470
Medizin & Management

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Neues zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus gemäß § 116 b SGB V

Darf eine KV gegen einen Bescheid klagen?
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Publication Date:
07 September 2009 (online)

 
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Die ambulante Behandlung im Krankenhaus gemäß § 116 b SGB V beschäftigt in jüngster Vergangenheit nicht nur die Strategen im Krankenhaus, sondern auch die Gerichte. Auch, wenn der Gesetzgeber durch Vereinfachung des Verfahrens die Hürden des Zugangs niedriger setzen wollte, wird um den ambulanten Bereich hart gekämpft. So fürchten nicht nur die Vertragsärzte um ihre Position im Vertragsarztwesen, sondern auch die Kassenärztlichen Vereinigungen sehen Gefahren für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung.

§ 116 b SGB V schafft gemäß Abs. 2 und 3 die Möglichkeit, Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung hoch spezialisierter Leistungen, seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen zu bestimmen. Durch das WSG wurde der bisher erforderliche Vertragsschluss mit den Krankenkassen vom Gesetzgeber abgeschafft und durch die Einführung eines Bestimmungsverfahrens durch die Länder ersetzt (vgl. klinikarzt 2006; 35 (12)). In vielen Bundesländern liegen nun zahlreiche Anträge von Krankenhäusern vor, die jedoch bisher noch nicht entschieden sind. Das Sozialgericht Schwerin hatte nun im Rahmen eines Eilverfahrens darüber zu entscheiden, ob eine Kassenärztliche Vereinigung gegen einen Bestimmungs-Bescheid, der ein Krankenhaus berechtigte, spezielle Leistungen nach § 116 b SGB V zu erbringen, klagen kann und über die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides zu befinden. Zur Erinnerung: Voraussetzung für die Berechtigung eines Krankenhauses zur Erbringung ambulanter Leistungen nach § 116 b SGB V ist es, dass es sich um ein zugelassenes Krankenhaus handelt und es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu als geeignet bestimmt worden ist.

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Der Fall: Kassenärztliche Vereinigung klagt gegen positiven Bescheid

Einem Krankenhaus wurde die Erbringung ambulanter Leistungen nach § 116 b SGB V in der Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Krankheitsverläufen durch Bescheid gestattet. Das Krankenhaus beantragte sodann bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund des Bescheides die Abrechnungsnummern für die Verordnung von Arznei- sowie Heil- und Hilfsmitteln durch Krankenhäuser, die zur ambulanten Leistungserbringung gemäß § 116 b SGB V bestimmt wurden.

Da die Kassenärztliche Vereinigung gegen den Bescheid, der dem Krankenhaus die ambulante Behandlung gestattet, Klage zum Sozialgericht eingelegt hatte, stellte sie sich auf den Standpunkt, dass diese Klage aufschiebende Wirkung habe (d. h. nicht vollzogen werden kann) und daher keine Grundlage für die vom Krankenhaus begehrte Vergabe einer Abrechnungsnummer bestehe.

Das Krankenhaus bemühte daher ebenfalls das Gericht und verfolgte damit 2 Ziele: Erstens wollte es erreichen, dass das Gericht feststellt, dass die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung gegen den Bescheid keine aufschiebende Wirkung hat. Sollte dieser Antrag nicht erfolgreich sein, wurde beantragt, dass der Bescheid vom Gericht als sofort vollziehbar angeordnet wird, damit das Krankenhaus bereits damit arbeiten kann.

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Aufschiebende Wirkung der Klage einer KV?

Das Sozialgericht hatte zunächst darüber zu entscheiden, ob überhaupt ein Klagerecht der Kassenärztlichen Vereinigung gegen Bestimmungen nach § 116 b Abs. 2 SGB V besteht. Voraussetzung dafür wäre, dass § 116 b SGB V eine sogenannte drittschützende Wirkung aufweist, die sich auch auf die Kassenärztliche Vereinigung bezieht. Das Sozialgericht argumentiert entgegen der Stimmen in der juristischen Literatur, dass zumindest nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine drittschützende Wirkung eindeutig nicht gegeben ist. Nach Auffassung des Gerichts ist durch die ausgesprochene Bestimmung der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zumindest berührt. In Bezug auf Entscheidungen der Zulassungsgremien habe die Rechtsprechung stets die Auffassung vertreten, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen aufgrund der ihnen übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung stets und unmittelbar in ihren eigenen Rechten betroffen sind. Zwar sei die ambulante Versorgung durch Krankenhäuser im Rahmen des § 116 b Abs. 2 SGB V nicht als Zulassungsverfahren konzipiert (sondern als Bestimmung durch das jeweilige Land), aber Anknüpfungspunkt für eine drittschützende Wirkung sieht das Gericht möglicherweise in der Regelung des § 116 Abs. 2 S. 1 SGB V, weil dort bestimmt ist, dass ein zugelassenes Krankenhaus zur ambulanten Behandlung berechtigt ist, wenn und soweit es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt worden ist. Nach Auffassung des Gerichts liegt es auf der Hand, dass die "Zulassung" des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nicht nur die Versorgung der Versicherten mit seltenen Erkrankungen bzw. mit besonderen Krankheitsverläufen verbessern, sondern unter Umständen auch die Existenz im Einzugsbereich liegender Vertragsarztpraxen gefährden kann, wodurch die Sicherstellung der vertragsärztlichen (hier onkologischen) Versorgung negativ betroffen wäre. Das Krankenhaus werde im Rahmen des § 116 b Abs. 2 SGB V nicht den Versorgungsauftrag eines aufgrund Sonderbedarfszulassung für die onkologische Versorgung niedergelassenen Vertragsarztes vollständig übernehmen können.

Zu beachten ist, dass es sich bei der Entscheidung des Sozialgerichts Schwerin bisher nur um einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz handelt. In Eilverfahren erfolgt nur eine kursorische Prüfung der Rechtslage, sodass theoretisch die Möglichkeit besteht, dass das Gericht in der Hauptsache oder ein höherrangiges Gericht später eine andere Auffassung vertritt.

Im Ergebnis kommt das Sozialgericht Schwerin im Eilverfahren zu der Auffassung, dass die Kassenärztliche Vereinigung klagebefugt ist und folglich die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung gegen die Bestimmung des Krankenhauses gemäß § 116 b Abs. 2 SGB V aufschiebende Wirkung hat (SG Schwerin, Teilbeschluss vom 11.12.2008 - S 3 ER 367/08 KA). Dies hatte grundsätzlich zur Folge, dass das Krankenhaus die Rechte aus dem Bescheid bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht ausüben kann. Da sich Sozialgerichtsverfahren in der Hauptsache aber über mehrere Jahre hinstrecken können, hatte das Krankenhaus hilfsweise beantragt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides anzuordnen, damit dennoch (trotz Klage) gearbeitet werden kann.

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Gericht ordnet sofortige Vollziehung an

In Fällen, in denen die Klage aufschiebende Wirkung hat, kann ein Gericht die sofortige Vollziehung anordnen. Voraussetzung dabei ist eine sogenannte Interessenabwägung der Beteiligten. Einstweiliger Rechtsschutz ist dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen. Aus diesem Grund muss das Gericht eine Abwägung zwischen dem Aufschubinteresse der Kassenärztlichen Vereinigung und den Interessen des Krankenhauses am Vollzug der Erlaubnis nach § 116 b Abs. 2 SGB V bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage vornehmen. Im Rahmen dieses Abwägungsprozesses ist auch das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Entscheidung zu berücksichtigen. Das Gericht prüft im Eilverfahren auch hier nur summarisch, ob die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung Aussicht auf Erfolg haben kann. Nach Auffassung des Gerichts spricht der Zeitpunkt der Entscheidung mehr dafür, dass die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung voraussichtlich abgewiesen wird. § 116 b Abs. 2 SGB V liefert die Rechtsgrundlage, das Krankenhaus als zur ambulanten Behandlung bestimmter seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt zu bestimmen. Soweit § 116 b Abs. 2 SGB V vorschreibt, dass das Krankenhaus zur Erbringung der ambulanten Leistung geeignet sein muss, stellt das Sozialgericht fest, dass nicht das Krankenhaus seine Eignung positiv darlegen und beweisen muss, sondern vielmehr die Kassenärztliche Vereinigung Umstände hätte vortragen müssen, aus denen sich eine Nichteignung des Krankenhauses für ambulante Behandlungen ergeben soll. Dies war im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte im Wesentlichen damit argumentiert, dass die Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgung nicht ausreichend erfolgt sei. Das Gericht stellt insoweit fest, dass die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung gerade nicht bedarfsabhängig erfolgt und es daher in dem Verfahren nicht darauf ankommen kann, ob eine ausreichende Sicherstellung der ambulanten onkologischen Versorgung vorliegt oder nicht. Auch eine Wettbewerbsveränderung, die zu erheblichen Konkurrenznachteilen für Vertragsärzte führen kann, wurde vom Sozialgericht nicht berücksichtigt, da im konkreten Verfahren die nachteilige Betroffenheit der einzelnen onkologischen Schwerpunktpraxis vor Ort gar nicht nachvollziehbar dargelegt worden war. Nach Auffassung des Gerichts reicht allein das Auftreten des Krankenhauses als weitere ambulante Leistungserbringung auf dem onkologischen Gebiet, noch dazu für spezielle Leistungen, nicht aus, um hier eine verfassungskonforme Auslegung des § 116 b Abs. 2 SGB V vornehmen zu müssen.

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Interessenabwägung zugunsten des Krankenhauses

Nach Auffassung des Gerichts führt die summarische Prüfung dazu, dass die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und das besondere öffentliche Interesse an der Umsetzung der weiteren Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung dazu führt, dass das Interesse der Kassenärztlichen Vereinigung an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Interesse des Krankenhauses am sofortigen Vollzug zurückstehen muss. Die Kassenärztliche Vereinigung kann sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht auf eine Grundrechtsbetroffenheit berufen. Ob möglicherweise durch die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Tätigkeit nach § 116 b SGB V ein etwaiger Eingriff in die Berufsfreiheit von Vertragsärzten erfolgt, war im konkreten Fall nicht zu entscheiden.

Folglich kam das Gericht zum Ergebnis, dass das Interesse des Krankenhauses, bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens von den ihm zustehenden Beteiligungsrechten Gebrauch machen zu können, die Interessen der Kassenärztlichen Vereinigung überwiegt (SG Schwerin, Teilbeschluss vom 10.02.2009 - S 3 ER 367/08 KA).

Die Kosten des Verfahrens wurden der Kassenärztlichen Vereinigung auferlegt.

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Ausblick

Bei den Beschlüssen des Sozialgerichts Schwerin handelt es sich um eine der ersten Entscheidungen im Zusammenhang mit Klagen gegen Bestimmungen nach § 116 b Abs. 2 SGB V. Zwar sind die Beschlüsse noch nichts rechtskräftig, sie deuten aber sicherlich die Richtung an, die die Rechtsprechung wohl auch zukünftig in Hauptsacheverfahren einschlagen wird. Den Entscheidungsgründen kann deutlich zwischen den Zeilen entnommen werden, dass das Sozialgericht den Wunsch des Gesetzgebers, die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung zu öffnen, respektiert und durchzusetzen gewillt ist. Ob sich jedoch jedes Sozialgericht im Rahmen des Eilverfahrens dazu bewegen lässt, die sofortige Vollziehung derartiger Bescheide anzuordnen, darf durchaus bezweifelt werden. Krankenhäuser, die entsprechende Anträge gestellt haben, sollten dies hinsichtlich des zeitlichen Horizonts der Leistungserbringung zumindest mit berücksichtigen. Nicht zu vernachlässigen ist darüber hinaus die Problematik der Klagen von konkret betroffenen Vertragsärzten vor Ort, die möglicherweise höhere Erfolgsaussichten haben können.

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Korrespondenz

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Dr. jur. Isabel Häser

Rechtsanwältin

Ehlers, Ehlers und Partner

Widenmayerstr. 29

80538 München

 
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