Mit Liraglutid (Victoza®) hat das erste humane-GLP-1 Analogon die europäische Zulassung
für die Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes erhalten. Eine effektive Blutzuckersenkung
mit nur geringer Hypoglykämiegefahr bei gleichzeitig positiver Beeinflussung weiterer
Parameter des metabolischen Syndroms sind die Vorzüge der neuen Substanz. So kommt
es bei nur einmal täglicher Injektion zusätzlich zu einer Gewichtsreduktion, bevorzugt
an der kardiovaskulär problematischen viszeralen Fettmasse, und zu einer Senkung des
systolischen Blutdrucks.
Liraglutid unterscheidet sich vom körpereigenen Glukagon-like-Peptide-1 (GLP-1) lediglich
durch den Austausch einer Position in der Aminosäuresequenz und durch eine zusätzliche
Seitenkette mit einer Fettsäure. Letztere verhindert den beim körpereigenen GLP-1
innerhalb von etwa 90 Sekunden stattfindenden Abbau des Peptids (dieses ist deshalb
zur Therapie nicht geeignet) und steht einer stabilen Bindung an den GLP-1 Rezeptoren
der Inselzellen nicht im Wege. Lotte Bjerre Knudsen, Kopenhagen, die Liraglutid entwickelt
hat, betont, dass mit dieser Struktur eine 97 %ige Übereinstimmung mit dem humanen
GLP-1 erreicht wird und daraus eine geringere Antikörperbildung resultiert. Außerdem
verhindert die angebaute lange Seitenkette eine Eliminierung der Substanz über die
Niere. Der verzögerte Abbau des Peptids über die Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) resultiert
schließlich in einer Halbwertszeit von 13 Stunden, damit wird eine einmal tägliche
Gabe möglich.
In LEAD an mehr als 4 200 Patienten geprüft
Nach Prof. Dr. Mads Krogsgaard Thomsen, Kopenhagen, im Vorstand von Novo Nordisk für
Wissenschaft und Medizin verantwortlich, hat Liraglutid eines der umfangreichsten
Studienprogramme in der Geschichte der Entwicklung von Antidiabetika durchlaufen.
In den 6 Studien des LEAD-Studienprogramms (Liraglutide Effect and Action in Diabetes)
wurden mehr als 4 200 Patienten mit verschiedenen Fragestellungen zur Wirksamkeit
und Sicherheit der neuen Substanz eingeschlossen. Dabei wurde das humane-GLP-1 Analogon
in verschiedenen Stadien der Diabetes-Erkrankung als Monotherapie oder in Kombination
mit oralen Antidiabetika getestet. Als Referenz dienten jeweils etablierte Therapieregime,
insbesondere mit Metformin, aber auch mit Sulfonylharnstoffen, Thiazolidindionen und
Insulin, sowie gebräuchliche Kombinationstherapien. Während der jeweils 26 Wochen
dauernden Beobachtungen konnte Liraglutid beinahe durchgängig mit einer signifikant
besseren HbA1c-Senkung aufwarten. Lediglich in der LEAD 2-Studie war die kombinierte
Gabe von Liraglutid und Metformin der Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoff und
Metformin "nur" ebenbürtig. Überlegen war Liraglutid auch in der Vergleichsstudie
LEAD 6, in der die beiden GLP-1-Mimetika Liraglutid und Exenatid jeweils mit Metformin
und/oder Sulfonylharnstoff kombiniert wurden. Insgesamt, so Krogsgaard, konnten fast
zwei Drittel aller Patienten, die mit Liraglutid behandelt wurden, HbA1c-Werte unter
7 % erreichen. In der Monotherapie-Studie LEAD 3 erwies sich dieser Effekt im Median
für alle Studienteilnehmer gegenüber Glimepirid auch über zwei Jahre als nachhaltig.
In dieser Studie ließ sich auch eine gute Verträglichkeit der Therapie bestätigen.
Zwar klagten bis zu 14 % der mit Liraglutid behandelten Patienten anfangs über Übelkeit.
Nach 2 bis 3 Monaten gingen die gastrointestinalen Beschwerden aber deutlich zurück
und unterschieden sich in der Folge nur unwesentlich von denen unter Glimepiridtherapie.
In der Vergleichsstudie LEAD 6 schnitt Liraglutid in dieser Hinsicht wesentlich besser
ab als Exenatid, da unter Therapie mit dem Vergleichspräparat knapp 10 % der Patienten
auch nach 26 Wochen noch unter Übelkeit litten.
Die gute Verträglichkeit von Liraglutid führte Prof. Dr. Michael Nauck, Bad Lauterberg,
vor allem auf die lange Halbwertszeit des Präparates zurück. Bereits nach 3 Injektionen
wird ein Fließgleichgewicht erreicht, größere Konzentrationsschwankungen im Plasma
bleiben aus. Als weiteren entscheidenden Vorteil nannte er, dass Hypoglykämien unter
Liraglutid so selten auftreten wie bei Placebogabe, dafür sei der natürliche Wirkmechanismus
des Inkretinhormons GLP-1 verantwortlich. Dieser stimuliert unterhalb einer Glukosekonzentration
von 70 mg/dl nicht mehr die Insulinfreisetzung aus den Betazellen, lässt aber die
gegenregulatorische Aktivität der glukagonbildenden Alphazellen zu. Positiv ist nach
Nauck auch die Entwicklung des Körpergewichts unter der Therapie mit Liraglutid. Die
Gewichtsreduktion setzte bereits nach 2 Wochen ein und summierte sich nach 26 Wochen
bei allen Patienten des LEAD-Studienprogramms auf durchschnittlich 2,6 kg. Zusätzlich
sei auch eine Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils zu erwarten. So zeigte
sich unter Liraglutid nicht nur eine gewichtsunabhängige signifikante Blutdruckabsenkung
um 4,3 mmHg, sondern auch eine deutliche Reduktion der Triglyzeride und der inflammatorisch
bedeutsamen Marker PAI-1 und CRP. Zudem wurde das BNP, ein Marker für eine kardiale
Insuffizienz, deutlich abgesenkt.
Wer sollte Liraglutid bevorzugt erhalten?
Vor diesem Hintergrund empfahl Nauck die Therapie mit dem neuen GLP Analogon insbesondere
für Patienten mit Übergewicht. Auch bei Patienten, denen die Bereitschaft zu einer
aufwendigen Insulintherapie mit häufiger Blutzuckerselbstkontrolle fehlt, stellt Liraglutid
seiner Auffassung nach aufgrund der geringen Hypoglykämiegefahr eine gute Alternative
dar.
Liraglutid ist für die Kombinationstherapie mit Metformin oder einem Sulfonylharnstoff
zugelassen, eine Kombinationstherapie mit beiden Wirkstoffen ist möglich. Auch für
eine Kombinationstherapie mit Metformin und einem Thiazolidindion wurde die Zulassung
erteilt. Voraussetzung ist stets eine unzureichende Blutzuckerkontrolle unter der
bisherigen Therapie.
Martin Wiehl
Quelle: Einführungspressekonferenz "Humanes-GLP-1-Analogon Liraglutid - Diabetestherapie
mit System" am 18. Juni 2009 in Frankfurt/Main. Mit freundlicher Unterstützung durch
Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz.
Der Autor ist freier Journalist.
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