veterinär spiegel 2009; 19(04): 222-226
DOI: 10.1055/s-0029-1240572
nutztiere
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Eutergesundheitsprobleme in einer Milchviehherde – ein Lösungsvorschlag

Siegfried Moder
,
Gisela Bosch
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Publication Date:
15 December 2009 (online)

Einleitung

Der moderne Milcherzeuger ist ein Unternehmer, der nur dann langfristig rentabel wirtschaften kann, wenn er die Kosten-Ertrags-Kalkulation ständig im Auge behält. Im Hinblick auf die wahrscheinliche Aufhebung der Quotenregelung im Jahr 2015 wird dieser Punkt in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Der momentane Abwärtstrend der Erzeugerpreise und die gestiegenen Futter- und Energiekosten können vom Landwirt dabei nur bedingt beeinflusst werden. Allerdings steckt in jedem Betrieb, auch in gut geführten, verborgenes Potenzial zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Der bestandsbetreuende Tierarzt kann als externer und neutraler Betriebsberater steuernd in die Betriebsabläufe eingreifen. Der Tierarzt ist somit kein lästiger Kostenfaktor, sondern ein Rentabilitätsfaktor.

Herdengesundheit verbessern

Nach Auswertungen des VIT (2006) beträgt die durchschnittliche Nutzungsdauer der MLP-Kühe nur 2,4 Laktationen. Hauptabgangsursachen sind Fruchtbarkeitsprobleme sowie Euter- und Klauenerkrankungen. Die Aufzuchtskosten einer Färse sind, abhängig von der Milchleistung, frühestens in der 3. Laktation gedeckt. Legt man das zugrunde, gehen die meisten Kühe vom Hof, bevor der Landwirt anfängt, mit ihnen Geld zu verdienen. Eine zukunftsträchtige Milchviehhaltung braucht eine hohe Lebensleistung verbunden mit einer langen Nutzungsdauer. Die Genetik dafür ist durch den züchterischen Fortschritt der letzten 20 Jahre vorhanden. Um sie zu nutzen, sind eine stabile Herdengesundheit durch leistungs- und wiederkäuergerechte Fütterung, Haltungsbedingungen, die einen hohen Kuhkomfort gewährleisten, und ein optimales Betriebsmanagement notwendig.


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ITB

Die Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB) erkennt über eine gezielte und ganzheitliche Betriebsanalyse unter Einbeziehung des gesamten Betriebsumfelds Ursachen für Gesundheitsprobleme und Leistungsminderung. Über die Optimierung der bereits erwähnten Punkte Fütterung, Haltung und Management sowie über prophylaktische und präventive Maßnahmen soll als Hauptziel eine stabile Herdengesundheit erreicht werden. Mit einem gesunden und leistungsstarken Milchviehbestand ist eine wirtschaftliche und rentable Milchproduktion auch unter verschärften Wettbewerbsbedingungen realisierbar. Reduzierung des Medikamenteneinsatzes, tierschutz- und tierartgerechte Nutztierhaltung, Sicherung der Lebensmittelqualität und des Verbraucherschutzes sind weitere positive Effekte.

Treten in einer Milchviehherde gehäuft akute und/oder chronische Mastitiden auf, so ist das Problem durch alleinige medikamentöse Behandlung der Entzündungssymptome oft schwer oder gar nicht in den Griff zu bekommen. Verständlich wird das, wenn man sich vor Augen führt, dass Mastitiden immer multifaktorielle Ursachen haben ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Faktorenerkrankung Mastitis.

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Fütterung

Die Fütterung besitzt in der Bestandsmedizin als einer der Hauptfaktoren für Tiergesundheit und Leistung einen zentralen Stellenwert. Darum ist die Überprüfung der Fütterung Bestandteil jeder Betriebsanalyse. Immerhin sind 80 % der Gesundheitsprobleme unserer Milchkühe fütterungs- bzw. stoffwechselbedingt. Die Fütterung muss leistungs-, aber auch wiederkäuergerecht sein. Gerade im Hochleistungsbereich ist dies meist ein Balanceakt.

Die Rationen sind häufig am Limit mit knapper Rohfaserversorgung bei hohem Gehalt an leicht fermentierbaren Kohlenhydraten. Fütterungsfehler und Überkonditionierung in der vorhergehenden Laktation und in der Trockenstehphase fördern das Auftreten von Schwergeburten, das Fettmobilisationssyndrom und den Milchfieberkomplex. Betroffene Tiere fressen weniger, was zu einer Verstärkung der negativen Energiebilanz führt. Es kommt zu Energie- und Nährstoffmangelsituationen, Pansenfermentationsstörungen und Ketosen. Auch eine falsche Rationszusammensetzung oder Fütterungsfehler, vor allem in der Phase der Hochlaktation, können zu oben genannten Störungen führen. Folgen sind Leistungsrückgang und Persistenzverlust. Leberschädigung bedingt Abwehrschwäche mit nachfolgend steigender Infektionsanfälligkeit (v. a. Gebärmutter, Euter). Fruchtbarkeitsstörungen und Klauenprobleme sind weitere Folgen.

Gesundheitsprobleme in der peripartalen Phase führen häufig am Laktationsende durch niedriges Leistungsniveau und/oder lange Güstzeit wiederum zu einer zu guten Körperkonditionierung. Probleme in der nächsten Laktation sind dann bereits vorprogrammiert. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, muss die Fütterung im Rahmen der Bestandsanalyse engmaschig kontrolliert und angepasst werden. Wichtig ist es, nicht nur die Fütterung der laktierenden Kühe zu kontrollieren, sondern auch die der Trockensteher und der Nachzucht, oder anders gesagt der Hochleistungskühe von morgen.


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