Diabetes aktuell 2009; 7(6): 255
DOI: 10.1055/s-0029-1243084
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Screening auf Gestationsdiabetes muss Kassenleistung werden

Antje Bergmann, Peter Schwarz
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Publication Date:
06 November 2009 (online)

Was beschäftig eine Frau, wenn sie mit der Diagnose Gestationsdiabetes konfrontiert wird? In erster Linie geht es ihr um das Kind. Was bedeutet diese Diagnose für mein Kind? Ist damit ein Risiko für das Kind verbunden? Als Zweites denkt sie wahrscheinlich daran, was sie selbst als Mutter tun muss, um ihr Kind nicht zu gefährden. Wie muss ich mich verhalten, ernähren und behandeln lassen? Erst als Drittes kommt vermutlich die Frage auf: Was passiert mit mir später? Werde ich diesen Diabetes wieder los? Oder bin ich jetzt lebenslang spritzende Diabetikerin?

Gestationsdiabetes ist ein wichtiges Thema, welches in unserer klinischen Tätigkeit noch nicht den Stellenwert hat, den es haben sollte. Deshalb widmen wir diese Ausgabe der Diabetes aktuell den Ursachen, der Diagnostik, der Behandlung und den Folgen des Gestationsdiabetes.

Die adäquate Diagnostik und Therapie des Gestationsdiabetes wird immer bedeutsamer. Es ist zusammen mit der Behandlung der schwangeren Diabetikerin die einzige Situation in der Diabetologie, in der wir eine therapeutische Entscheidung treffen und gleichzeitig 2 Menschen behandeln. Es gibt seit Jahren Bestrebungen der Ärztekammern, von Fachkommissionen und auch Ärzteverbänden, das Screening auf einen Gestationsdiabetes als Kassenleistung zu implementieren, was bisher noch nicht wirklich erfolgreich war. Leider ist es immer noch so, dass ein Großteil der Frauen unerkannt einen Gestationsdiabetes hat und sich das negativ auf Mutter, Kind und die gesundheitliche Perspektive der Mutter auswirkt.

Die Diskussion um das Screening auf Gestationsdiabetes war in der Vergangenheit häufig konträr. Einerseits wurde über Jahre vom GBA darauf verwiesen, das die HAPO–Studie noch nicht beendet ist und man erst die Ergebnisse abwarten müsste. Nun liegen die Ergebnisse der Studie vor und das IQWiG äußert sich in einer Stellungnahme nur sehr vorsichtig. Gleichzeitig gibt es aber auch grünes Licht für Pilotprojekte zum Gestationsdiabetesscreening. In verschiedenen Bundesländern sollen solche Maßnahmen gemeinsam mit Krankenkassen umgesetzt werden. Wir hoffen sehr, dass wir es in Zukunft schaffen, ein Screening auf einen Gestationsdiabetes standardisiert in die Betreuung der Schwangeren zu implementieren. Dies ist einfach durchzuführen, gemeinsam vom Hausarzt und Diabetologen realisierbar und stellt einen Benefit für Mutter und Kind dar.

Die Genetik des Gestationsdiabetes unterscheidet sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sehr deutlich von der Genetik des Typ–2–Diabetes, da die klinischen Grundlagen letztendlich die gleichen bleiben. In einem Artikel wollen wir den Zusammenhang zwischen Pathophysiologie und Genetik erläutern.

Frau Sorger aus Bonn geht in ihrem Artikel auf die so wichtige Insulintherapie bei schwangeren Diabetikerinnen ein. Die Verfügbarkeit des Insulins bedeutet für viele Typ–1–Diabetikerinnen sowohl eine Chance schwanger zu werden und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, als auch eine enorme Verbesserung der Therapie bei einem Gestationsdiabetes. Für viele von uns ist die Insulintherapie bei Schwangeren etwas, wovor wir Berührungsängste haben. Sorger diskutiert die richtige Diagnostik, Durchführung, die entscheidenden Verantwortlichkeiten und das Monitoring bei diesen Patientinnen.

Frau Hunger–Battefeld aus Jena beschreibt, was passieren kann, wenn nicht rechtzeitig diagnostiziert wird und es zu Komplikationen kommt, und über die adäquate Therapie des Gestationsdiabetes bei Mutter und Kind.

Herr Riehn beschreibt seine Erfahrungen und existierende Richtlinien zur Betreuung von schwangeren Diabetikerinnen, mit dem Ziel, für Mutter und Kind eine Risikominimierung zu erreichen. Erstaunlich ist, dass dieses Thema unter ärztlichen Kollegen auch heute noch sehr wenig Resonanz erfährt. Diagnostik, therapeutische Interventionen und die Relevanz von Blutzucker und Gewicht sind Bestandteil seines Artikels.

Und noch ein Thema in eigener Sache: Diabetes aktuell wird kooperatives Mitglied der Deutschen Diabetesstiftung. Wir freuen uns sehr, dass wir diese Kooperation haben eingehen können. Ab sofort lesen Sie in jeder Ausgabe eine kurze Information von der Deutschen Diabetesstiftung, die in Deutschland einer der entscheidenden Partner zur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen auf dem Diabetessektor geworden ist.

Wir hoffen, dass wir Ihnen wieder ein interessantes Heft zu dem für die Diabetologie so wichtigen, aber auch immer noch unterbewerteten Thema haben zusammenstellen können und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.

PD Dr. med. habil. Antje Bergmann
Prof. Dr. med. habil. Peter Schwarz

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