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DOI: 10.1055/s-0029-1243339
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Pflege im Umbruch
Neuordnung der Aufgabenverteilung und AusbildungPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. November 2009 (online)
- Wer entlastet die Pflege?
- Änderung in der Ausbildung
- Geringes Ansehen und niedrige Bezahlung
- Fragebogen zur Arbeitssituation
- Literatur
Die Pflege ist im Notstand. Ist die Neuordnung der Aufgabenverteilung die Lösung? Was bedeutet das für die Nephrologie? Die Grundlage für den Personalbedarf sollte zwar die Patientenkategorisierung sein, doch wer ermittelt heute noch den Pflegebedarf der Patienten anhand der Kategorisierung? Die Bezahlung und das Ansehen von Pflegekräften ist im Vergleich zu anderen Ländern eher gering, was sich ändern müsste. Die Ausbildung für Pflegekräfte wurde nun für Hauptschulabsolventen mit erweitertem 10-jährigen Abschluss geöffnet. Die AfnP wehrt sich gegen die Absenkung der Zugangsqualifikation und der Altersgrenze in der 3-jährigen Ausbildung.
Durch die demografischen Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem und den entstandenen Facharztmangel sowie den Abbau von Stellen für Pflegekräfte steht das System vor einem Kollaps. Schon heute findet man in vielen Krankenhäusern maximal nur eine examinierte Pflegekraft pro Station. Diese hat überwiegend administrative und organisatorische Aufgaben. Sie hat aber das "Pflegen", das unmittelbare Arbeiten am Patienten, in ihrer Ausbildung erlernt und kann dies in der Praxis nicht anwenden oder umsetzen.
Das Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 01.07.2008 und die dazugehörige Grundlage des Gutachtens des Sachverständigenrats von 2007 sowie die sich daraus ergebende Neuordnung der Gesundheitsberufe ist ein Versuch, ein altes und längst bekanntes Problem zu lösen. So sollen Fachpflegekräfte ärztliche Aufgaben übernehmen, um die Ärzte zu entlasten. Das ist im Augenblick schon aus juristischer Sicht nicht möglich, denn dafür musste die Gesetzgebung geändert werden. Die Ärzteverbände haben dafür schon eine klare Absage erteilt. Dieses Thema wurde auf dem Symposium in Fulda ausführlich von einem Juristen der Ärztekammer und der 1. Vorsitzenden der AfnP behandelt.
Wer entlastet die Pflege?
Sollen Pflegehilfskräfte, die oft unzureichend geschult sind und unmittelbare Aufgaben am Patienten durchführen, die Pflege entlasten? Im Dialysestandard 2006 finden wir unter A.5 Anforderungen an die Qualifikation des Pflegepersonals im Unterpunkt A.5.2 Qualifikation [1]: "Bei allen Behandlungsformen ist für die unmittelbare Patientenbehandlung speziell ausgebildetes, qualifiziertes Personal einzusetzen. Dazu gehören examinierte Pflegekräfte, Arztfachhelfer (innen), Arzthelfer(innen) nach entsprechender Einarbeitung. [...]
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Bei der stationären Dialysebehandlung in Krankenhaus oder Klinik sollte grundsätzlich examiniertes Pflegepersonal zum Einsatz kommen, der Anteil von Fachpflegepersonal sollte über der Hälfte der Krankenschwestern/-pfleger liegen.
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Bei der ambulanten Zentrumsdialyse sowie der "Limited Care"-Dialyse (Zentralisierte Heimdialyse) sollte ein Anteil von mindestens 1/3 der examinierten Pflegekräfte die Qualifikation als Fachkrankenschwester/Fachkrankenpfleger für Nephrologie haben. Anteilsmäßig können auch bis zu 25 % des examinierten Pflegepersonals qualifizierte Arztfachhelfer/innen sein. Alle Arztfachhelfer/innen sollten die Qualifikation "Arztfachhelfer/in in der Dialyse" anstreben.
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Für die Ausbildung und Betreuung von Heimdialysepatienten sollten bevorzugt Fachkrankenschwestern/Fachkrankenpfleger für Nephrologie herangezogen werden.
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Für die mittelbare Betreuung, z. B. die Vor- und Nachbereitung der Dialysegeräte, Material- und Essensversorgung sowie Teile der allgemeinen Pflege können speziell geschulte Pflegehilfskräfte eingesetzt werden."
Das sind doch klare Aussagen, die aber nicht überall so umgesetzt werden.
Wie sich unter A.5.3 Quantitativer Personalbedarf [1] findet, "sollte die Grundlage für den Personalbedarf die Patientenkategorisierung sein. Es wird auf die Schlüsselzahlen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie verwiesen (Ich konnte nur Schlüsselzahlen von 1985 finden). Außerdem sollte bei An-/Abschluss jeweils 1 Kraft pro Patient zur Verfügung stehen. Schließlich muss während der gesamten Behandlung qualifiziertes Personal anwesend sein". Wer ermittelt heute noch den Pflegebedarf der Patienten anhand der Kategorisierung? Dieses Instrument belegt, was die Pflege pro Schicht leistet und bildet ab, dass 4 "leichte" Patienten problemlos versorgt werden, aber im anderen Fall schon 2 "pflegeintensive" Patienten nicht zu leisten sein können - ein unangenehmes Szenario.
Änderung in der Ausbildung
Zugangsqualifikation herabgesetzt
Als weitere Entwicklung zeichnet sich die Veränderung der Ausbildung mit großer Dynamik ab. Nicht alles, was politisch beschlossen wurde, entsprach dem Wunsch der Vertretungen der Pflege: Warum hat die Bundesregierung bzw. maßgeblich Bundesgesundheitsminis-terin Ulla Schmidt trotz Protest der Pflegeverbände am 10.07.2009 die Zugangsvoraussetzung für den Pflegeberuf verändert? Nun können Hauptschulabsolventen (mit erweitertem Hauptschulabschluss von 10 Jahren) die Krankenpflegeausbildung beginnen. Zitat Schmidt vom 06.05.2009: "Das Abitur oder die Mittlere Reife sind keine Garantie, dass jemand mit hohem Qualitätsniveau pflegt. Es geht bei dieser Änderung nur um den Zugang zur Ausbildung, nicht um die Qualität."
Unsere Position dazu ist folgendermaßen: Selbstverständlich muss Hauptschülern der Weg in die Pflege offen sein. Jedoch wehren wir uns gegen die Absenkung der Zugangsqualifikation in der 3-jährigen Ausbildung. Die AfnP unterstützt das Konzept des Deutschen Bildungsrates für Pflegeberufe. Dies sieht eine generalistische 3-jährige Ausbildung vor. Daneben stehen wir für ein Voranschreiten der notwendigen Akademisierung der Pflege auch im Hinblick auf Europa. Sicherlich ein längst überfälliger Schritt, der mit der Einführung der akademischen Erstausbildung und den Abschlüssen "Bachelor of Science Nursing" bzw. "Master" gegeben ist. Wie längst nachgewiesen ist, fördert die Anwesenheit von hervorragend qualifizierten Pflegenden die Patientensicherheit, da die Komplikationsraten sinken. Alle Entscheidungsträger im Bereich der Pflege, auch in der Nephrologie, sollten vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse auf die Qualifikation der Pflegenden achten und diese fördern.
Bei Ärzten ist die Absenkung der Eingangsqualifikation kein Thema: Die Zugangsbedingungen zum Studium sollen nicht verändert werden. Sie werden eher noch um die persönliche Qualifikation für den Arztberuf erweitert. Hiermit soll die Qualität der Ausbildung weiterhin gewährleistet werden. Es soll mehr Geld in die Universitäten zur Verbesserung der Ausbildung fließen. Bei den Ärzten steht die Ausbildungsqualität im engen Zusammenhang mit den Zugangsbedingungen. Gilt das für die Pflege nicht? Berufe, die eine hohe Zugangsvoraussetzung (Abitur oder Studium) benötigen, sind zudem besser angesehen und bezahlt. Die Bezahlung richtet sich auch nach der notwendigen Voraussetzung für den Beruf. Akademiker bekommen mehr Geld als Berufe mit Hauptschulabschluss. Soll auch hier an Personalkosten gespart werden?
Altersgrenze für die Ausbildung abgesenkt
Auch die Altersgrenze als Zugang für die Ausbildung ist gesenkt worden. Eine medizinische Fachangestellte beginnt die Ausbildung mit 15 bzw. 16 Jahren. Bei einer Dauer von 3 Jahren ist sie bei ihrem Abschluss gerade erst volljährig. Auch für die Pflegeausbildung wurde die Altersbegrenzung aufgehoben. Gerade volljährig kommt sie in Kontakt mit multimorbiden, geriatrischen, chronisch kranken Menschen, das heißt mit Demenz, Alzheimer und Sterben. Wie soll ein junger Mensch die physische und psychische Reife für diese Aufgabe haben? Fällt es doch selbst langjährigen Pflegekräften sehr schwer, dies über Jahre zu bewältigen. Burn-out und Arbeitsplatzwechsel sind die Folge. Wo bleibt da die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber? Warum schafft man es nicht, der Pflege gesellschaftliches Ansehen zu verschaffen und bezahlt sie der Leistung entsprechend?
Geringes Ansehen und niedrige Bezahlung
Pflegekräfte wandern wie Fachärzte in Länder mit besserer Bezahlung ab - darüber spricht niemand. Bei adäquater Bezahlung und entsprechendem Ansehen dieser Berufsgruppe in der Gesellschaft ließe sich der Pflegemangel leichter eindämmen. Selbstverständlich müsste durch entsprechende Pflegeschüssel das unmittelbare Arbeiten am Patienten auch noch für Fachpflegekräfte künftig möglich sein. Fachkräfte, die nur noch administrativ und organisatorisch arbeiten, sind da der falsche Weg.
Das Krankenpflegegesetz (KrPfG) vom 01.01.2004 § 3 gibt die Aufgabe der Pflege genau vor: Sie "soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten vermitteln". Die Pflege soll "sich unter Einbeziehung präventiver, rehabilitativer und palliativer Maßnahmen auf die Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden Menschen ausrichten. Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen."
Dafür werden Pflegekräfte ausgebildet und sind auch die Experten. Nephrologische Fachkräfte stehen für die spezifische fachliche Expertise in diesem Bereich. Ihr Einsatz sollte direkt am Patienten stattfinden. Daneben führen sie auch steuernde Funktionen zur Verbesserung der Pflegequalität aus.
Fragebogen zur Arbeitssituation
Die AfnP vertritt die nephrologischen Pflegekräfte berufspolitisch. Jedoch ist über die Arbeitsbedingungen nur wenig bekannt. Dies ist ein Grund für uns, eine umfangreiche Befragung durchzuführen. Unterstützen Sie die AfnP bitte in einem 1. Schritt mit Ihrer Teilnahme an der Befragung zur Arbeitssituation. Je größer die Teilnahme, umso aussagekräftiger wird die Befragung. Sie finden in diesem Heft den Fragebogen als Beilage. Sie können aber auch online unter www.afnp.de daran teilnehmen.
Wir wollen die gute Pflegequalität in der Nephrologie transparent machen und langfristig erhalten - und diese, wo es nötig ist, auch mit allen beteiligten Berufsgruppen zusammen verbessern. Die Krankenpflegeausbildung und das Berufsfeld befinden sich im Umbruch. Werden Sie aktiv, damit nicht andere bestimmen, welcher Platz Pflegenden eingeräumt wird. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen.
Marion Bundschu, Ulm


So können Sie uns erreichen:
AfnP Geschäftsstelle
Käppelesweg 8; 89129 Langenau
Tel.: 0 73 45/2 29 33; Fax: 0 73 45/75 40
eMail: info@afnp.de; Internet: www.afnp.de
Vorstand der AfnP e.V.
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Marion Bundschu (1. Vorsitzende)
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Hans-Martin Schröder (stellv. Vorsitzender)
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Gabriele Steck (Schatzmeisterin)
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Helga Damaschke (Schriftführerin)
Literatur
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