Rofo 2009; 181(12): 1195-1197
DOI: 10.1055/s-0029-1243402
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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Umstrukturierung im Universitätsklinikum - Die Rechtsposition eines medizinischen Hochschullehrers

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Rechtsanwälte Wigge

René T. Steinhäuser Rechtsanwalt

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Publication Date:
27 November 2009 (online)

 
Table of Contents

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehen sich medizinische Hochschullehrer vermehrt Forderungen des Klinikumsvorstands eines Universitätsklinikums ausgesetzt, dass die von ihnen geleiteten Kliniken, Institute und andere Einrichtungen umstrukturiert werden sollen. Der Klinikumsvorstand erhofft sich durch die Organisationsmaßnahmen regelmäßig Einsparungen und durch die Umverteilung der Einnahmen aus der Privatliquidation eine gesteigerte Motivation der unverhofft begünstigten Ärzte und damit insgesamt eine höhere Effizienz. Die Umverteilung bedeutet für den leitenden medizinischen Hochschullehrer einer Klinik, dass die Einnahmen aus der Privatliquidation geringer werden. Daneben besteht die Gefahr, dass er aufgrund des veränderten Tätigkeitsbereiches Forschung und Lehre nicht mehr in dem früheren Umfang nachgehen kann. Nicht selten kommen daneben persönliche Gründe aus dem Verhältnis zwischen dem betroffenen Universitätsprofessor und dem Klinikumsvorstand hinzu, die eine Verständigung und eine einvernehmlich zukunftsorientierte und vor allem interessengerechte Lösung für beide Seiten wesentlich erschweren oder ausschließen.

Einem betroffenen Chefarzt droht somit neben dem Verlust seiner Reputation in Forschung und Lehre der Verlust eines erheblichen Teils seiner Einnahmen und damit Einschnitte in seiner privaten und beruflichen Lebensführung.

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Umfangreiche Rechtsprechung

Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts ist zu dieser Frage entsprechend der Vielzahl von Fallvarianten sehr facettenreich. Eine vollständige Darstellung der Rechtsprechung würde den Rahmen dieses Beitrages überschreiten und ist aufgrund der zum Teil sehr speziellen Entscheidungen an dieser Stelle wenig sinnvoll. Im Folgenden sollen jedoch die tragenden Inhalte der wesentlichen Entscheidungen, die zu diesem Themenbereich ergangen sind, wiedergegeben werden.

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Ausgangspunkt der Organisationsmaßnahme

Ausgangspunkt für eine Umstrukturierung ist zwangsläufig der bestehende Zustand einer Klinik, der von Seiten eines Klinikumsvorstands als unangemessen und regelmäßig ineffizient betrachtet wird. Mit dem bestehenden Zustand ist unmittelbar die einstige Berufung eines medizinischen Hochschullehrers in sein Amt verbunden. In den Berufungs- oder Bleibeverhandlungen werden Zugeständnisse an den zukünftigen Hochschullehrer gemacht. Diese können darin bestehen, dass dieser Leiter oder Direktor einer bestimmten Klinik oder eines Instituts wird, an der Krankenversorgung teilnimmt oder in personellen oder sächlichen Ausstattungszusagen. In der Berufungsverhandlung kann auch vereinbart worden sein, dass der zukünftige Hochschullehrer eine bestimmte Klinik oder deren Teilbereiche ausbauen soll.

Für den Universitätsprofessor, der sich einer Organisationsmaßnahme ausgesetzt sieht, stellt sich daher die konkrete Frage, welche seiner Rechte in Forschung, Lehre und Krankenversorgung sind geschützt und wie intensiv ist der Schutz.

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Das Statusamt des Universitätsprofessors

Zuvorderst stellt sich die Kernfrage, ob das Amt eines Universitätsprofessors im statusrechtlichen, abstrakt-funktionellen oder konkret-funktionellen Sinne berührt ist. Dieser Frage muss nicht erst das angerufene Verwaltungsgericht nachgehen, sondern bereits der Klinikumsvorstand in seinen Beratungen. Der Schutz des statusrechtlichen Amtes unterscheidet sich von dem Schutz des abstrakt-funktionellen und konkret-funktionellen Amts (BVerwG 23.09.2004 - 2 C 27.03). Das Amt im statusrechtlichen Sinne betrifft die abstrakte Dienststellung wie "Universitätsprofessor." Das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne betrifft dagegen die Zuweisung in eine Behörde, z.B. als Leiter oder Direktor einer Klinik oder eines Instituts. Unter dem Amt im konkret-funktionellen Sinne versteht der Jurist den Dienstposten also die Übertragung eines geschäftsplanmäßigen Aufgabenkreises innerhalb einer Behörde. Bei einem leitenden medizinischen Hochschullehrer ergibt sich aus seinem Amt im abstrakt-funktionellen Sinne bereits der Inhalt seines Dienstpostens, sodass die Einweisung in die Leitungsfunktion regelmäßig zugleich das konkrete Amt bestimmt.

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Amtsgemäße Beschäftigung

Der Universitätsprofessor hat wie jeder andere Beamte einen Anspruch darauf, amtsgemäß, d.h. entsprechend seines Amts im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinn, beschäftigt zu werden (BVerwG, Urteil vom 11.07.1975 - 6 C 44.72). Mit dem statusrechtlichen Amt und dessen Zuordnung zu einer bestimmten Besoldungsgruppe in Verbindung mit der Relation zu anderen Ämtern sowie der laufbahnrechtlichen Einordnung wird abstrakt Inhalt, Bedeutung, Umfang und Verantwortung und damit die Wertigkeit des Amts zum Ausdruck gebracht (BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - 2 C 45.89).

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Beispielsfall

In einem Beispielsfall, der sich in Bayern ereignete, wurde ein außerplanmäßiger Universitätsprofessor als Oberarzt an einer Frauenklinik eingesetzt. Der Universitätsprofessor wurde Jahre später durch eine Verfügung mit sofortiger Wirkung vom Nacht- und Wochenenddienst ausgeschlossen. Die Funktion des Oberarztes im Tagdienst wurde ausdrücklich aufrechterhalten und die Leitung einer Station wurde ihm zur Betreuung der Tagespatienten übertragen. Gegen diese Maßnahme zog der Universitätsprofessor vor das Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht und später der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellten zunächst fest, dass gynäkologische Operationen und Geburtshilfe im Betrieb einer Universitätsfrauenklinik alltägliche und typische Aufgaben darstellen, die einen wesentlichen Teil der ärztlichen Aufgaben ausmachten. Da der Universitätsprofessor nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts aufgrund der Organisationsmaßnahme praktisch nicht mehr bei Operationen und Tätigkeiten im Bereich der Geburtshilfe zum Einsatz komme, war der Universitätsprofessor nicht mehr amtsgemäß beschäftigt (BVerwG, Urteil vom 01.06.1995 - 2 C 20.94).

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Kündbarkeit der Berufungszusage

Nach einer jüngeren Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 24.04.2009 - 9 S 609/09) sind Berufungszusagen aus wichtigem Grund kündbar. Das Statusamt eines medizinischen Hochschullehrers garantiere kein bestimmtes Amt im funktionellen Sinne, insbesondere nicht die Übertragung eines leitenden klinischen Amts mit der Möglichkeit der Privatliquidation. Die Begründung des Verwaltungsgerichtshofs ist an dieser Stelle pauschal und setzt sich nicht mit der konkreten Berufungszusage des klagenden Hochschullehrers auseinander. In der Berufungsvereinbarung hieß es unter anderem, dass er die Professur für Unfallchirurgie übernehmen und diese die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik beinhalten soll. Ganz offensichtlich wollte das ernennende Ministerium ursprünglich die Professur auch als leitendes klinisches Amt verstehen, sodass die Übertragung der Leitung der unfallchirurgischen Abteilung statusbegründende Elemente aufweist.

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Eingriff in Forschung und Lehre

Forschung und Lehre sind durch die Wissenschaftsfreiheit, die in Art. 5 Abs. 3 GG festgeschrieben steht, geschützt. Art. 5 Abs. 3 GG sieht keine Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber durch ein Gesetz in die Wissenschaftsfreiheit eingreift. Die Wissenschaftsfreiheit wird somit vorbehaltlos garantiert und kann daher nur durch die Kollision mit Grundrechten anderer eingeschränkt werden (BVerfGE 30, 193).

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Beispielsfall

In einem Eil-Rechtsschutzverfahren (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2007 - 1 BvR 1736/07) über einen Vorstandsbeschluss eines Universitätsklinikums aus dem Jahre 2006 ging es um die Schließung einer nuklearmedizinischen Bettenstation aus wirtschaftlichen Gründen. Der betroffene Universitätsprofessor widersprach der Schließung, unter anderem weil Forschungsprojekte abgebrochen werden mussten und rief das Verwaltungsgericht an.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 57, 98) hatte bereits in der Vergangenheit festgestellt, dass wegen der untrennbaren Verknüpfung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung an den Universitätskliniken das Grundrecht des medizinischen Hochschullehrers auf Wissenschaftsfreiheit auch bei seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht unberücksichtigt bleiben darf. Der Fachbereichsrat gewährleistet, dass die Universitätsprofessoren auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikum Einfluss nehmen können (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01). Das Einvernehmenserfordernis ist die Sicherungsfunktion gerade für die individualrechtliche Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers. Der einzelne an der Krankenversorgung teilnehmende Universitätsprofessor hat daher einen grundrechtlich geschützten Anspruch, dass Organisationsmaßnahmen des Universitätsklinikums im Bereich der Krankenversorgung, soweit diese Forschung und Lehre betreffen, nicht ohne das zur Sicherung seiner wissenschaftlichen Belange erforderliche Einvernehmen des Fachbereichsrats und damit unter Wahrung seiner insoweit bestehenden Einflussmöglichkeiten auf den organisierten Wissenschaftsbetrieb erfolgen. Für die Verwirklichung der individualgrundrechtlichen Schutzgehalte der Wissenschaftsfreiheit ist die Wahrung des erforderlichen Einvernehmens daher von zentraler Bedeutung. In dem Beispielsfall wurde der Kläger letztlich von dem Bundesverfassungsgericht an die Universität und den Fachbereich Medizin verwiesen, weil er dort die Gewährleistung seines Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit geltend machen musste.

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Bestandsschutz des Privatliquidationsrechts

Eine berechtigte Frage ist an dieser Stelle, welche Verbindung zwischen dem Amt eines Universitätsprofessors und dessen Privatliquidation besteht. Das Privatliquidationsrecht genießt in der Rechtsprechung isoliert betrachtet keinen absoluten Bestandsschutz. Das Bundesverwaltungsgericht führte seine Rechtsprechung im Jahre 2001 fort und stellte fest, dass das Privatliquidationsrecht beamteter Chefärzte ungeachtet dessen, ob es auf vertraglicher Grundlage oder auf einer Nebentätigkeitsgenehmigung beruht, keinen absoluten Bestandschutz genießt (BVerwG, Urteil vom 27.02.2001 - 2 C 2.00). Diese Rechtsprechung basiert auf den Nebentätigkeitsgesetzen der einzelnen Länder und auf der Vorstellung, dass der Dienstherr im Beamtenrecht grundsätzlich über eine nahezu uneingeschränkte organisatorische Dispositions-befugnis verfügt (BVerfGE 60, 144).

Aufgrund dessen muss der Frage des konkreten Amts eines Universitätsprofessors weiter nachgegangen werden, weil dieses durch die Grundrechte Art. 33 Abs. 5 GG "hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentum" und wenn Forschung und Lehre betroffen sind, wie dies bei einem medizinischen Hochschullehrer regelmäßig zutrifft, durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt werden. Ein Universitätsprofessor hat, wie bereits ausgeführt wurde, ein Recht an dem Kernbereich seines konkreten Amts, für das er berufen wurde. Zu dem nach dem Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich dieses Rechts gehört die Wahrnehmung der Forschungs- und Lehraufgaben seines Amts. Außerhalb dieses Kernbereichs liegende Aufgabenkreise und organisatorische Bedingungen genießen keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz. Davon ist unmittelbar die Privatliquidation betroffen. Das heißt nicht, dass jene außerhalb des Kernbereichs liegende Aufgaben überhaupt keinen Schutz genießen. Unter Beachtung des pflichtgemäßen Ermessens des Dienstherrn können die Aufgaben geändert werden.

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Ermessensfehlerfreie Organisationsmaßnahme

Ein Gericht darf bei der Überprüfung einer Organisationsmaßnahme nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Klinikumsvorstands setzen. Die Gerichte prüfen daher nur, ob die behördliche Ermessensentscheidung den Anforderungen der Rechtsordnung entspricht. Als Ermessensfehler kommen nur der Ermessensnichtgebrauch, die Ermessenunterschreitung oder -überschreitung sowie der Ermessensfehlgebrauch in Betracht. Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn der Klinikumsvorstand sein Ermessen nicht ausübt oder in der Organisationsverfügung nicht zum Ausdruck gebracht hat. Von Ermessenunterschreitung oder -überschreitung ist auszugehen, wenn der Klinikumsvorstand seinen Ermessensspielraum zu eng eingeschätzt hat bzw. sich nicht im Rahmen der ihm vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat. Ein Ermessensfehlgebrauch ist dann anzunehmen, wenn der Klinikumsvorstand von seinem Ermessen nicht im Sinne der Rechtsordnung Gebrauch gemacht hat. Dies führt schließlich zu einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Organisationsmaßnahme. Das Gericht prüft dabei, ob die Organisationsmaßnahme geeignet ist, den vom Klinikumsvorstand gesetzten Zweck zu erreichen. Obwohl dem Klinikumsvorstand dabei von Seiten der Rechtsprechung ein weiter Prognosespielraum eingeräumt wird, sind Organisationsmaßnahmen gelegentlich schlichtweg ungeeignet, um den eigenen Zweck zu erfüllen. In einem weiteren Schritt prüft das Gericht, ob die Organisationsmaßnahme erforderlich ist und stellt die Frage, ob es nicht ein milderes Mittel als Alternative gibt, was gleich geeignet ist. Der letzte Prüfungsschritt wägt die Interessen des Universitätsklinikums mit den Interessen des Universitätsprofessors ab.

Greift eine Organisationsmaßnahme nicht in die Wissenschaftsfreiheit ein, betrifft das Amt des Universitätsprofessors weder im statusrechtlichen noch im abstrakt-funktionellen Sinne oder ist verhältnismäßig, muss der medizinische Hochschullehrer die Organisationsmaßnahme hinnehmen und verliert entschädigungslos einen Teil seiner Einnahmen aus der Privatliquidation (BVerwG, Urteil vom 24.01.1991 - 2 C 2.89).

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Fazit

Erfolgsaussichten, eine Organisationsmaßnahme abzuwehren, bestehen für einen Universitätsprofessor, wenn sein Amt in Forschung und Lehre unmittelbar betroffen ist. Letztlich erweist sich die ureigene Aufgabe der Hochschulen und des jeweiligen Universitätsklinikums der Forschung und Lehre zu dienen, als der beste Schutz vor Organisationsmaßnahmen. Der in mehreren Bereichen seines Fachgebiets forschende medizinische Hochschullehrer unterfällt unmittelbar der grundrechtlich und vorbehaltlos verankerten Wissenschaftsfreiheit. Je stärker dabei die klinische Forschung auf prospektive Studien am Patienten ausgerichtet ist, umso intensiver muss der Universitätsprofessor an der Krankenversorgung teilnehmen. Der Schluss, dass derjenige, der intensiv an der Krankenversorgung teilnimmt, auch mehr Einnahmen liquidiert, ist nach alledem banal.

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