Der Klinikarzt 2009; 38(11): 480
DOI: 10.1055/s-0029-1243480
Medizin & Management

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Ärztinnen haben es schwerer

Das familienfreundliche Krankenhaus als Lösung
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 December 2009 (online)

 
Table of Contents

Vor allem Ärztinnen haben es schwer, eine Berufskarriere im Krankenhaus aufzubauen. Heute sind zwar zwei Drittel der Berufsanfänger Frauen, aber in Führungspositionen sind sie immer noch eine Minderheit. Ihnen stehen viele Hindernisse im Weg.

40 % aller Akademikerinnen bekommen keine oder sehr spät Kinder. Aber auch männliche Ärzte wollen mehr und mehr als Väter Beruf und Familie vereinen. Arbeitgeber, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewusst und aktiv fördern, haben deutliche Standort- und Wettbewerbsvorteile, wenn es darum geht, qualifizierte Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen und an ihr Klinikum zu binden. Das familienfreundliche Krankenhaus sollte die Regel werden, erklärte Dr. Cornelia Jaursch-Hanke, Krankenhausärztin und Vorstandsmitglied des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI), auf dem ersten Assistententag des BDI Ende September in Berlin.

#

Nötig sind flexible Elternzeit- und Teilzeitregelungen

Entscheidend ist, dass Eltern- und Schwangerschaft sowie Pflege von Angehörigen als natürliche Lebensereignisse und nicht als Störfaktoren der klinischen Organisationsabläufe betrachtet werden. Nötig sind flexible Elternzeit- und Teilzeitregelungen für Ärztinnen und Ärzte. Gefragt werden Serviceangebote für Kinderbetreuung, arbeitsplatznah und zeitlich kompatibel, am besten betrieblich, sonst Vermittlung und Kooperationen.

Krankenhäuser können Assistenz- und Oberärztinnen durch ein familienfreundliches Leitbild gewinnen und weiterhin an das Klinikum binden. Bisher lautete der Tenor: "Sie können bei uns arbeiten, aber es ist Ihr und nicht unser Problem, wie und ob Sie Ihre Berufstätigkeit mit Ihren familiären Aufgaben unter einen Hut bringen." Moderne Personalpolitik sollte vermitteln: "Wir wollen Ihre Mitarbeit, wir brauchen Sie, was können wir Ihnen anbieten, damit Sie Beruf, Weiterbildung, Wissenschaft, Familie und private Haushaltsführung ohne unnötigen Reibungsverlust tagtäglich bewältigen können?"

#

Familienfreundliches Leitbild und moderne Personalpolitik

Die private Helios-Klinikkette hat daraus bereits Konsequenzen gezogen, versicherte ihr Vertreter PD Dr. Parwis Fotuhi auf dem Assistententag. Wegen des Ärztemangels werden bald Krankenhäuser schließen müssen, meinte er. Helios sage den Ärztinnen: "Wir wollen Sie wieder haben." Die Klinik zahlt den Ärztinnen Fort- und Weiterbildung auch während der Elternzeit. Sie hat vor allem alleinerziehende Mütter als Zielgruppe im Blick, für die sie Lösungen anbietet. Im Krankenhaus, so Fotuhi, sind es vor allem 2 Personen, die das begreifen müssen: der Verwaltungsleiter und der Chefarzt.

In den 2027 deutschen Kliniken fehlen schon jetzt 4000 Ärzte. Ursachen sind u.a. die Überalterung der Ärzteschaft, die Reduzierung von Studienkapazitäten sowie unattraktive Arbeitsplätze.

Zoom Image
#

Feminisierung der Medizin als Chance

Die frühere Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Astrid Bühren, betrachtet die Feminisierung der Medizin als große Chance für Ärztinnen und Ärzte und auch für die Patienten: "Immer mehr wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass weibliche Ärzte ihre Patienten besser therapieren: sie sind deutlich zugewandter, fürsorglicher und empathischer. Und sie bereichern die Medizin, indem sie zunehmend die erforschten Geschlechtsunterschiede in der Medizin berücksichtigen, sodass Frauen mit chronischer Herzschwäche bei einer Ärztin tatsächlich in besseren Händen sind."

#

Arbeitsbedingungen korrelieren mit Karrierechancen

Familienfeindliche Arbeitsbedingungen in Kliniken und Praxen erschweren es Ärztinnen, im gewünschten Ausmaß ärztlich tätig zu sein oder reduzieren ihre Karrierechancen. Dr. Katrin Welcker, Leitende Oberärztin am Klinikum Bremen-Ost, kritisiert: "Kinder und Karriere - das geht immer noch nicht. Ohne massive Unterstützung ist dies vor allem auch für alleinerziehende Mütter gar nicht zu schaffen. Nach 6 Jahren hartem Studium sind die Bedingungen in einer Klinik für hoch motivierte Ärztinnen - von Ausnahmen abgesehen - alles andere als familienfreundlich. Ich konnte Familie und Beruf nur unter einen Hut bringen, weil ich von meiner Familie unterstützt wurde."

Die Feminisierung in der Medizin wird jedoch in der ärztlichen Selbstverwaltung, in den Fachgesellschaften häufig als Bedrohung empfunden und negativ thematisiert.

Der Deutsche Ärztinnenbund hat Checklisten "Das familienfreundliche Krankenhaus", "Studieren mit Kind" sowie "Die familienfreundliche Niederlassung" erarbeitet. Diese Checklisten sind auf der Homepage des DÄB (www.aerztinnenbund.de) abrufbar - ebenso wie eine Liste mit Kliniken, die Kinderbetreuung anbieten.

Klaus Schmidt, Planegg

 
Zoom Image