Einleitung
Einleitung
Die erste Welle der Infektionen mit dem neuen Influenzavirus A/H1N1
mit Mensch-zu-Mensch-Übertragung zwischen September und Anfang Dezember
2009 hat zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen geführt. Obwohl die
Infektion mit dem neuen A/H1N1-Influenzavirus nach den bisherigen Beobachtungen
in den meisten Fällen klinisch milde verläuft, hat es auch in
Deutschland schwerwiegende Infektionen und Todesfälle gegeben. Ein
erhöhtes Risiko für schwere Verläufe, Krankenhauseinweisungen
und Tod haben dabei Kinder, Jugendliche und Erwachsene < 65 Jahre
aufzuweisen, die an einer Grunderkrankung leiden. Zu beachten ist darüber
hinaus, dass bei Kindern und jüngeren Erwachsenen auch ohne
Grunderkrankungen schwere Verläufe und Todesfälle aufgetreten sind.
Menschen oberhalb des 65. Lebensjahres erkranken selten schwer
(≤ 5 % aller schweren Fälle), haben aber bei einer
Infektion ein hohes Komplikations- und Letalitätsrisiko, wenn
schwerwiegende Grunderkrankungen vorliegen.
In den USA sind zwischen April und Mitte Dezember nach den
Berechnungen des CDC zirka 50 Millionen Personen an der neuen Influenza
erkrankt, 200 000 Erkrankte sind hospitalisiert worden und zirka
10 000 Patienten sind an der neuen Influenza verstorben (entsprechend
0,02 % der Erkrankten bzw. 5 % der
Hospitalisierten), davon 85 % unterhalb des 65. Lebensjahres.
Dies ist ein fundamentaler Unterschied zur saisonalen Influenza, an der
überwiegend Personen in einem Lebensalter von > 65 Jahre schwer
erkranken oder versterben (
www.cdc.gov/h1n1flu/estimates_2009_h1n1.htm).
Die weitere Entwicklung der Pandemie bleibt schwer vorhersehbar,
jedoch muss mit einer zweiten Welle in den ersten Monaten des Jahres 2010
gerechnet werden. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, dass sich
in einer zweiten Welle die Pathogenität des A/H1N1-Influenzavirus bei
gleichbleibender Transmissionsrate steigert. In einem solchen Fall muss auch in
Deutschland mit einer deutlichen Exzess-Hospitalisierung und
Exzess-Mortalität vor allem bei Kindern und Erwachsenen unterhalb des 65.
Lebensjahres gerechnet werden. Es sollte daher ein vordringliches Ziel bleiben,
die Durchimpfungsrate in Deutschland insbesondere in den Risikogruppen und dem
medizinischen Personal deutlich zu steigern, um die mögliche
Morbidität und Mortalität zu reduzieren.
Dieses Update der Empfehlung für das Management einer
Influenza-Pandemie im Krankenhaus (
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982)
soll aktuellen Erkenntnissen aus der ersten Welle der neuen Influenza-Pandemie
Rechnung tragen.
Es handelt sich weiterhin um eine Experten-Empfehlung, da
evidenzbasierte Empfehlungen wegen des Fehlens entsprechender Daten noch nicht
gegeben werden können. Wie schon in der ersten Fassung beschränken
wir uns daher auf die Angabe wichtiger Informationsseiten im World Wide
Web.
Bestimmung des Schweregrads und Indikationen zur
Hospitalisation
Bestimmung des Schweregrads und Indikationen zur
Hospitalisation
Erhebung des Schweregrades
Die Erhebung des Schweregrads einer Influenza-Infektion
gehört zu den wichtigsten Maßnahmen der Versorgung entsprechend
erkrankter Patienten. Der Schweregrad ist ausschlaggebend für
Entscheidungen über den Behandlungsort, das Ausmaß der
erforderlichen Überwachung sowie die Therapie.
Eine akute Influenza-Infektion kann aus folgenden Gründen
schwer verlaufen ([Tab. 1]):
Tab. 1 Kriterien für
einen schweren Influenza-Verlauf.
akute respiratorische
Insuffizienz auf der Grundlage einer ausgeprägten viralen Bronchitis und
Bronchiolitis, einer viralen Pneumonie oder einer bakteriellen Superinfektion
bis hin zur bakteriellen Pneumonie
|
schwere Sepsis bzw.
septischer Schock im Falle einer komplizierenden bakteriellen Pneumonie
|
hämodynamische
Komplikationen bei Rhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz im Rahmen einer
viralen Peri- bzw. Myokarditis
|
Meningo-Enzephalitis bei
ZNS-Befall und andere neurologische Komplikationen
|
Dekompensation im Rahmen
einer schweren Komorbidität
|
ungewöhnliche,
klinisch relevante Folgen einer Influenza-Infektion, wie z. B.
Rhabdomyolysen, Nierenversagen, Hepatopathien, gastrointestinale Symptome
(Diarrhoen, Erbrechen)
|
Bei der Erfassung des Schweregrades einer akuten
Influenza-Infektion ist daher nicht nur auf respiratorische Symptome und ihre
Ausprägung zu achten, sondern auch auf kardiale, hepatische, renale und
neurologische Symptome sowie Art und Schweregrad der Komorbidität bzw. der
bereits eingetretenen Dekompensation von Begleiterkrankungen.
Indikation zur stationären Aufnahme aufgrund des
Schweregrades
Liegt eine der in [Tab. 1] genannten
Situationen vor, besteht eine Indikation zur stationären Aufnahme. Die
akute respiratorische Insuffizienz kann dabei über eine erhöhte
Atemfrequenz (>30/min) und/oder eine Gasaustauschstörung in der
Oxymetrie bzw. Blutgasanalyse objektiviert werden. Eine
hospitalisationspflichtige akute respiratorische Insuffizienz bemisst sich nach
der Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe bzw. einer (nicht invasiven oder
invasiven) Beatmung. Diese ist gegeben bei einer Sauerstoffsättigung
< 90 % bzw. einem paO2
< 60 mm Hg unter Raumluftatmung.
Bei allen anderen Patienten bleibt die sorgfältige
Abwägung der aktuellen Gefährdung des individuellen Patienten die
wichtigste primäre Aufgabe der aufnehmenden Ärzte.
Indikationen zur stationären Aufnahme aufgrund schwerer
Grunderkrankungen
Darüber hinaus ist aufgrund des Risikos einer vitalen
Gefährdung eine stationäre Aufnahme auch dann zu erwägen, wenn
eine der folgenden schweren Grunderkrankungen vorliegt ([Tab. 2]):
Tab. 2 Grunderkrankungen.
chronische pulmonale
(inklusive Asthma)
|
kardio-vaskuläre
(außer arterieller Hypertonie)
|
renale
|
hepatische
|
hämatologische
(inklusive Sichelzellanämie)
|
neurologische
|
neuromuskuläre oder
|
metabolische (inklusive
Diabetes mellitus) Erkrankungen
|
Immunsuppression (Chemo-
oder Strahlentherapie, iatrogene Immunsuppression, Neutropenie,
Transplantation, HIV-Infektion)
|
ein Alter
< 19 Jahre und eine Langzeittherapie mit Acetylsalicylsäure
(Risiko eines Reye-Syndroms)
|
Vorrangig gefährdet erscheinen auch Schwangere (und
Wöchnerinnen bis 2 Wochen post partum), die in den USA eine 4-fach
höhere Hospitalisierungsrate gezeigt haben (Vorgehen bei H1N1-Infektion
während Schwangerschaft und Stillzeit (siehe: DGGG und AGMFM):
www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30).
Andere seltenere, hier nicht genannte schwere Erkrankungen sind in
gleicher Weise zu bewerten.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Patienten sich in
Krankenhausambulanzen und -notaufnahmen mit Grippesymptomen vorstellen, ohne
eine Indikation für eine Krankenhausaufnahme zu erfüllen. In diesen
Fällen sollten aus medizinischen und forensischen Gründen von Seiten
des Arztes in der Ambulanz bzw. Notaufnahme mindestens folgende Parameter neben
den Personalien des Patienten dokumentiert werden:
-
Allgemeinzustand, Orientierung
-
Atemfrequenz, Puls, Blutdruck, Temperatur
-
Auskultationsbefund von Herz und Lunge
Indikationen zur stationären Aufnahme aus präventiven
Gründen
Die Strategie der aktiven Fallfindung sowie Isolation wurde
aufgrund der hohen Inzidenz bereits fallengelassen. In einer pandemischen
Ausbruchssituation bleibt eine massenhafte präventive Aufnahme weder
sinnvoll noch durchführbar.
Link
Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management
von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen
sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009:
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037
Patientenmanagement im Krankenhaus
Patientenmanagement im Krankenhaus
Strukturelle präventive Vorkehrungen zur Vermeidung
nosokomialer Übertragungen
Jedes Krankenhaus muss sicherstellen, dass die nosokomiale
Virusübertragung auf Patienten, Besucher und Personal minimiert wird. Um
dies zu erreichen, muss eine größtmögliche Distanz zwischen
Infizierten und anderen Patienten und Besuchern sichergestellt werden. Hierzu
gehört vordringlich die Auswahl eines geeigneten Aufnahmeraumes
(Zielkriterien: kurze Wege, Schleusenfunktion), die Wahl des Patientenweges von
dort zur Pflegestation jenseits der allgemeinen Verkehrswege und die Festlegung
geeigneter Patientenzimmer (möglichst mit Schleusenfunktion) sowohl im
Bereich der Regelpflege wie auch der Intensivpflege. Außerdem sollten
Regelungen gegen eine Ansteckungsgefährdung bei diagnostischen und
therapeutischen Maßnahmen und beim Leichentransport getroffen werden.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die rasche Verbesserung der
Influenzaimpfrate und auf die Schulung des Personals zu richten. Wichtig ist
ebenso die Beschaffung ausreichender Mengen von Schutzmasken, Schutzkitteln,
Einweghandschuhen und Arzneimitteln (z. B. Neuraminidaseinhibitoren,
Antibiotika).
Erstevaluation eines Verdachtsfalles im Aufnahmeraum
Besteht der Verdacht auf eine Influenzainfektion, werden die
notwendigen Personalschutzmaßnahmen eingeleitet (Kapitel
„Hygiene”) und der Patient wird, wenn es der Gesundheitszustand
erlaubt, mit einem Mund-Nasen-Schutz („chirurgische Maske”)
versorgt. Bei Erreichen des Krankenhauses wird der Patient zunächst
ärztlich untersucht und es wird geprüft, ob die Falldefinition
erfüllt ist (Falldefinition für Neue Influenza (A/H1N1) beim
Menschen:
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Falldefinition.html);
danach wird die Indikation zur stationären Aufnahme geprüft und es
erfolgt, falls indiziert, die Probenabnahme für die Influenza-in-vitro-Diagnostik (siehe
„Diagnostik”).
Der Patient verbleibt so lange in der Obhut der
Aufnahme-Institution, bis die Überprüfung der Falldefinition und
Evaluation des Erkrankungsschweregrades erfolgt ist. Falls aufgrund der
Untersuchungsergebnisse eine ambulante Weiterbehandlung angemessen ist, sollte
der Patient (gegebenenfalls nach Therapieeinleitung) in die ambulante Betreuung
entlassen werden.
Grundregeln der Prävention nosokomialer Übertragungen
im Rahmen der stationären Behandlung
Wenn eine stationäre Aufnahme eines Patienten mit klinisch
wahrscheinlicher Erkrankung durch Influenza A/H1N1 notwendig ist, wird die
vorgesehene Pflegestation darüber informiert. Transporte von
infektiösen Patienten sind – soweit möglich – zu
vermeiden. Dabei kann die Verwendung mobiler Geräte (z. B.
Röntgen, Endoskopie) hilfreich sein. Ist ein Transport im Krankenhaus
unvermeidbar, so ist der Zielbereich vorab zu informieren, damit dort ebenfalls
die notwendigen Distanzierungs- und Hygienemaßnahmen eingeleitet werden
können.
Eskalationspläne
Stellt sich im Verlauf der Pandemie heraus, dass mit zahlreichen
Erkrankten zu rechnen ist und/oder schwere Verläufe häufig vorkommen,
ist es die Aufgabe des lokalen Managementteams, einen vorher festgelegten
Eskalationsplan umzusetzen. Dazu gehören unter anderem die Ausweitung der
räumlichen Ressourcen (Kohortenisolation, Umwidmung ganzer Stationen oder
Stockwerke, Auslagerung in eigene Gebäude im Klinikbereich) ebenso wie die
Rekrutierung medizinischen Personals (z. B. Studenten,
Teilzeitkräfte, Ruheständler).
Links
Robert-Koch-Institut: Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zu
Hygienemaßnahmen bei Patienten mit Verdacht auf bzw. nachgewiesener
Influenza
www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Erreger__ausgewaehlt/Influenza/Influ__pdf.html
Robert-Koch-Institut:
Empfohlene Maßnahmen zur Folgenminderung der Neuen Influenza A/H1N1
(13. 11. 2009)
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Folgenminderung.html
Robert-Koch-Institut:
Hinweise für Ärzte zur Meldung des Todes an Neuer Influenza A/H1N1
und zu Maßnahmen bei Fällen mit Neuer Influenza A/H1N1
www.rki.de/cln_171/nn_200120/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Schweinegrippe__HinweiseArzt.html
Hygiene-Maßnahmen
Hygiene-Maßnahmen
Wesentliche Änderungen zur ersten Version der Empfehlungen
haben sich nicht ergeben (
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982).
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen sollten geimpfte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorrangig in der Betreuung von
Influenza-Patienten eingesetzt werden, da die Schutzrate der Impfung sehr hoch
ist.
Link
www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Erreger__ausgewaehlt/Influenza/Influ__pdf.html
Diagnostik
Diagnostik
Indikation zur erregerspezifischen Diagnostik
Aufgrund der Erfahrungen mit der ersten Welle in Deutschland ist
ein ressourcenschonender Einsatz der erregerspezifischen Diagnostik notwendig
und medizinisch sinnvoll. Die im Folgenden dargestellten Indikationen zur
erregerspezifischen Diagnostik bei hoher Infektionsprävalenz in der
Bevölkerung haben eine individualmedizinische Grundlage, d. h.
epidemiologische Indikationen sind hier nicht berücksichtigt.
Das Ziel der erregerspezifischen Diagnostik auf dieser Grundlage
ist es daher, einerseits den Erreger bei Patienten mit erhöhtem Risiko
für Komplikationen zeitnah zu erkennen und andererseits bei schweren
Krankheitsbildern die Möglichkeit einer spezifischen antiviralen
Behandlung einschätzen zu können.
Eine Diagnostik zum Nachweis oder Ausschluss einer Infektion mit
Influenza A/H1N1 ist bei Erwachsenen nur noch in den folgenden Fällen
indiziert:
-
bei Personen mit hospitalpflichtiger, schwerer
Influenza-Erkrankung,
-
bei Personen mit schwerer unterer Atemwegsinfektion oder
Pneumonie,
-
bei Personen mit infektiöser Erkrankung und Myokarditis,
Rhabdomyolyse, Hepatopathie, Enzephalitis oder akuter Niereninsuffizienz,
-
bei Schwangeren.
Bei Personen, die die Falldefinition erfüllen und eine
schwere Grunderkrankung nach [Tab. 2] aufweisen,
die ein besonderes Risiko für schwere Influenzaverläufe erwarten
lässt, ist die Diagnostik ebenfalls indiziert.
Die Bedeutung des labordiagnostischen Nachweises nimmt allerdings
bei einer rückläufigen oder niedrigen Positivenrate zu, um
differenzialdiagnostische Erkrankungen, die einer spezifischen Therapie
bedürfen, nachzuweisen.
Für die Diagnostik bei Kindern liegen aktualisierte
Empfehlungen der DGPI auf der Website des RKI vor (Aktualisierte Empfehlung der
DGPI zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe der Infektion mit dem Neuen
Influenza A/H1N1-Virus bei Kindern und Jugendlichen:
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/DGPI__AN1H1__Diagnostik.html)
Erregerspezifische Diagnostik: PCR-Nachweis von A/H1N1
Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass die Virusausscheidung
durch Erkrankte im Median bei 7 Tagen liegt (Inkubationszeit 1–3, maximal
5 Tage). In der jetzigen Situation wird der Virusnachweis nur noch mittels
einer PCR empfohlen (Grundsätze zur Indikation von diagnostischen
Testverfahren bei Neuer Influenza A/H1N1, Gesellschaft für Virologie
(GfV), Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM),
Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV):
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Stellungnahme__Diagnostik.html).
Influenza-Schnelltest
Der Test wird aufgrund seiner geringen Sensitivität
(< 50 %) für die Neue Influenza nicht mehr
empfohlen.
Influenza-Serologie
Die serologischen Tests für saisonale Influenza können
die Neue Influenza A/H1N1 nicht nachweisen und werden nicht empfohlen.
Validierte kommerzielle Testverfahren stehen zurzeit nicht zur
Verfügung.
Differenzialdiagnose
Auch in einer pandemischen Ausbruchssituation bleibt die klinische
Symptomatik der Influenzainfektion häufig unspezifisch und ist mit einer
Vielzahl weiterer respiratorischer Erkrankungen vereinbar. Die diagnostische
Abklärung muss daher insbesondere auch im Hinblick auf die Abgrenzung
bakterieller Infektionen oder Koinfektionen durchgeführt werden. Am
wichtigsten ist der Ausschluss oder Nachweis einer bakteriellen Pneumonie
(Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von
erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie
ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009:
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037).
Ebenso ist im weiteren Verlauf der Saison die Möglichkeit einer saisonalen
Influenza zu bedenken.
Diagnostisches Basisprogramm
Als Basisprogramm für hospitalisierte Influenza-Patienten
wird empfohlen:
-
Laboruntersuchungen: Blutbild und Differenzialblutbild,
C-reaktives Protein, Procalcitonin (zur Abgrenzung eines bakteriellen
Infektes), ggf. Elektrolyte, Serumcreatinin, Creatinkinase und Leberenzyme
-
Blutgasanalyse oder zumindest Oximetrie
-
Elektrokardiogramm
-
Röntgenuntersuchung des Thorax
Erweiterte Diagnostik
Zusätzliche Maßnahmen sind bei hospitalisierten
Patienten und Personen mit definierten Risikofaktoren zu erwägen.
Folgende diagnostische Maßnahmen werden in bestimmten
Situationen empfohlen:
-
zwei Blutkulturen bei Verdacht auf Pneumonie vor Einleitung
einer Antibiotikatherapie
-
transthorakale Echokardiografie bei kardial instabilen
Patienten
-
Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage bei
immundefizienten Patienten mit Nachweis von Lungeninfiltraten in der
Röntgenuntersuchung, wenn die Influenzadiagnostik negativ ist.
Antivirale Therapie der Influenza A/H1N1-Infektion
Antivirale Therapie der Influenza A/H1N1-Infektion
Die spezifische antivirale Therapie sollte begrenzt werden auf
hospitalisierte Patienten mit bestätigter und wahrscheinlicher
A/H1N1-Infektion mit schwerem Verlauf und/oder schwerer Komorbidität oder
einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Komplikationen (siehe
[Tab. 1] u. [2]).
Für Schwangere und Kinder liegen gesonderte Empfehlungen vor:
Vorgehen bei H1N1-Infektion während Schwangerschaft und Stillzeit (DGGG
und AGMFM):
www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30;
Aktualisierte Empfehlung der DGPI zur Diagnostik, Therapie und
Prophylaxe der Infektion mit dem Neuen Influenza A/H1N1-Virus bei Kindern und
Jugendlichen:
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/DGPI__AN1H1__Diagnostik.html.
Wirksame antivirale Medikamente
Aktuell sind die in Deutschland untersuchten A/H1N1-Viren
gegenüber den Neuraminidasehemmern Zanamivir und Oseltamivir empfindlich
und resistent gegen Adamantane (Amantadin, Rimantadin). Vereinzelte
Oseltamivir-resistente H1N1-Stämme sind noch Zanamivir-sensibel.
Kürzlich ist jedoch eine Debatte über die Wirksamkeit
von Oseltamivir entbrannt. Eine aktuelle Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass
es Zweifel an der Wirksamkeit von Oseltamivir hinsichtlich der Reduktion von
Komplikationen und des Antibiotikaverbrauches gibt und dringend neue,
unabhängige klinische Prüfungen die Wirksamkeit des Präparates
in dieser Hinsicht ermitteln müssen (
www.bmj.com/cgi/content/full/339/dec07_2/b5106).
Die Indikation zur antiviralen Therapie sollte daher weiterhin
sehr streng gestellt werden.
Die aktuelle lokale Resistenzlage kann sich darüber hinaus
weiterhin rasch ändern und sollte regelmäßig
überprüft werden. Dies kann auf der CDC-Webseite (
www.cdc.gov/flu) oder der
RKI-Webseite (
www.rki.de) geschehen.
Behandlungsbeginn
Die Behandlung sollte möglichst unmittelbar (innerhalb von
48 h nach Symptombeginn) erfolgen. Eine Wirksamkeit nach diesem
Zeitfenster ist nicht gesichert. Das Ergebnis der PCR-Untersuchung ist bei
Patienten mit schwerer Erkrankung oder Risikopatienten ([Tab. 1] u. [2])
nicht abzuwarten.
Ein Therapiebeginn nach mehr als 48 Stunden hat zwar nach der
bisherigen Datenlage weniger Aussicht auf Erfolg, ist jedoch als ultima ratio
bei schweren Verläufen sicherlich gerechtfertigt.
Dosierung, Therapiedauer und unerwünschte
Arzneimittelwirkungen
Die Dosierung entspricht der für die saisonale Influenza
zugelassenen ([Tab. 3]). Die Therapiedauer
beträgt fünf Tage.
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen
bei Oseltamivir (beides ca. 10 %) und die mögliche akute
Obstruktion der Atemwege bei Zanamivir (daher soll Zanamivir nicht bei
Patienten mit Atemwegserkrankungen eingesetzt werden). Bei Jugendlichen ist
über psychiatrische Nebenwirkungen (Suizidalität) berichtet worden,
die entsprechende Aufmerksamkeit erfordern (siehe Produktinformation).
Antivirale Chemoprophylaxe der Influenza
A/H1N1-Infektion
Die antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion
sollte zurzeit nur in sehr eng definierten Ausnahmesituationen
durchgeführt werden, um einer zu schnellen Resistenzentwicklung
vorzubeugen. Wir empfehlen daher die Prophylaxe nur noch für ungeimpfte
Personen mit einem stark erhöhten Risiko für Komplikationen, wenn ein
Haushaltsmitglied an nachgewiesener A/H1N1-Influenza erkrankt ist und für
ungeimpfte Haushaltsmitglieder in einem Haushalt, in dem Kindern < 6
Monaten leben, wenn im Haushalt eine Person an nachgewiesener A/H1N1-Influenza
erkrankt ist.
Sowohl Oseltamivir als auch Zanamivir werden für die
antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion empfohlen ([Tab. 3]).
Einsatz von Neuraminidasehemmern bei Schwangeren
Es existieren keine Daten klinischer Studien zur Sicherheit von
Neuraminidasehemmern bei Schwangeren. Da Schwangere ein höheres Risiko
für Komplikationen haben, sollte die Schwangerschaft aber keine
Kontraindikation für eine antivirale Therapie darstellen.
Aufgrund der systemischen Wirksamkeit wird Oseltamivir für
die Therapie empfohlen. Für die Prophylaxe könnte Zanamivir von
Vorteil sein. (Vorgehen bei H1N1-Infektion während Schwangerschaft und
Stillzeit (DGGG und AGMFM):
www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30).
Tab. 3 Dosierungsempfehlungen für die
antivirale Therapie oder Chemoprophylaxe der neuen Influenza
A/H1N1-Infektion.
Medikament
|
Therapie
|
Chemoprophylaxe
|
Oseltamivir
|
Erwachsene
|
75 mg Kapseln 2x
täglich über 5 Tage
|
75 mg Kapsel 1x
täglich mindestens 10 Tage
|
Zanamivir (*)
|
Erwachsene
|
zwei 5 mg
Inhalationen zweimal täglich
|
zwei 5 mg
Inhalationen einmal täglich mindestens 10 Tage
|
(*) Bei
lebensbedrohlicher Infektion steht nach Rücksprache mit dem Hersteller
unter Umständen auch parenterales Zanamivir im Rahmen eines Heilversuches
(off-label-use) zur Verfügung, mit dem etwaige Resorptionsprobleme
umgangen werden können.
|
Impfung
In der Zwischenzeit sind effektive Impfstoffe für die
Prävention vorhanden und ein nationales Impfprogramm ist in der
Umsetzung.
Auch nach der ersten Welle der Influenza-Epidemie ist die Impfung
weiterhin sehr sinnvoll, da frühere Influenzapandemien oft in mehreren
Wellen aufgetreten sind und mit einer langanhaltenden Zirkulation von A/H1N1
gerechnet werden muss. Die aktuellen Impfziele sind die Reduktion von
Morbidität und Mortalität.
Zudem besteht unverändert die Gefahr, dass sich
höher-pathogene Driftvarianten entwickeln und/oder das neue Influenzavirus
Resistenzen gegenüber den Neuraminidaseinhibitoren entwickelt. Zurzeit ist
von einer fortbestehenden Wirksamkeit der adjuvantierten Impfstoffe auszugehen,
wenn die sich entwickelnden Driftvarianten keine gravierenden
Veränderungen gegenüber den jetzt zirkulierenden Viren aufweisen.
Die Impfung gegen die Neue Influenza A/H1N1 sollte nach den
Empfehlungen der STIKO (Aktualisierte Empfehlung der Ständigen
Impfkommission (STIKO) zur Neuen Influenza mit den Hinweisen des
Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert-Koch-Instituts:
www.rki.de/cln_171/nn_200120/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/50__09.html)
in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Impfstoffe in folgender
zeitlicher Reihenfolge und Abstufung erfolgen:
-
Beschäftigte in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
mit Kontakt zu Patienten oder infektiösem Material.
-
Personen ab einem Alter von 6 Monaten mit erhöhter
gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie zum Beispiel:
chronische Krankheiten der Atmungsorgane, chronische Herz-Kreislauf-, Leber-
und Nierenkrankheiten, Malignome, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten,
neurologische und neuromuskuläre Grundkrankheiten, angeborene oder
erworbene Immundefekte mit T- oder B-zellulärer Restfunktion,
HIV-Infektion.
-
Schwangere (vorzugsweise ab dem zweiten Trimenon) und
Wöchnerinnen.
-
Haushaltskontaktpersonen, die eine mögliche
Infektionsquelle für ungeimpfte Risikopersonen (s. 2. und 3. und
Säuglinge unter 6 Monaten) sein können.
-
Alle übrigen Personen ab dem Alter von 6 Monaten.
Für Erwachsene und Kinder ab dem 10. Lebensjahr reicht eine
einzige Impfung (ganze Dosis: 0,5 ml) mit dem Impfstoff Pandemrix.
Kinder vom 6. Lebensmonat bis zum 9. Lebensjahr erhalten einmalig eine halbe
Erwachsenendosis (0,25 ml).
Alle bisher zur Verfügung stehenden Daten belegen, dass die
Verträglichkeit der adjuvantierten Impfung mit der nicht adjuvantierten
Impfung gegen die saisonale Grippe bis auf eine deutlich verstärkte
Lokalreaktion vergleichbar ist. Die Rate schwerwiegender unerwünschter
Wirkungen ist sehr gering. Allerdings muss auf die Möglichkeit
anaphylaktoider Reaktionen geachtet werden (Nachbeobachtung der Patienten
mindestens 30 Minuten). Im Ganzen entsprechen die beobachteten UAWs von
Pandemrix den Erfahrungen mit den adjuvantierten Impfstoffen gegen die
saisonale Grippe (Paul-Ehrlich-Institut:
www.pei.de/cln_092/nn_1509734/DE/infos/fachkreise/impf-fach/schweineinfluenza/sicherheit-pand-impfstoff/sicherheit-pand-impfstoff-node.html?__nnn=true).
Influenza-assoziierte Pneumonie
Influenza-assoziierte Pneumonie
Keine Änderung: Siehe Management der neuen Influenza
A/H1N1-Virus--Pandemie im Krankenhaus: Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin:
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982
Es liegt allerdings eine aktualisierte Fassung der folgenden
Leitlinie vor: Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und
Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren
Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update
2009:
www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037
Behandlung respiratorischer Komplikationen:
Sauerstoffinsufflation und Beatmungsformen
Behandlung respiratorischer Komplikationen:
Sauerstoffinsufflation und Beatmungsformen
In seltenen Fällen kommt es zu schweren Verläufen mit
respiratorischem Versagen. Neben den bekannten Risikofaktoren (Schwangere,
stark übergewichtige Patienten, Asthma/COPD, Diabetes) erkranken aus
unklaren Gründen auch völlig gesunde junge Erwachsene schwer.
Etwa die Hälfte der beatmungspflichtigen Patienten ist mit
einer klassischen Beatmungstherapie nicht oxygenierbar. Mit der extrakorporalen
Membranoxigenierung (ECMO) steht ein Verfahren zur Verfügung, dass gerade
bei schwer kranken Patienten mit A/H1N1 und ausgereizter Beatmungssituation
eine Überlebensrate von 50 % gezeigt hat. Im deutschen ARDS
Netzwerk (www.ards.network.de) sind die deutschen Zentren, die ECMO
durchführen, zusammengefasst.
Links
Interessenkonflikte
Interessenkonflikte
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.