In diesem Jahr feiert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
(DGP) ihren 100. Geburtstag. Zeit also für eine Zwischenbilanz und einen Ausblick
auf die Herausforderungen der kommenden Jahre. Von Niels Bohr – Nobelpreisträger für
Physik im Jahre 1912 – stammt der viel zitierte Satz „Voraussagen sind schwierig,
besonders wenn sie die Zukunft betreffen”. Die Autoren des nachfolgenden Beitrags
sind sich dieser Problematik durchaus bewusst, wollen aber trotzdem vom Status quo
ausgehend einen mutigen Blick in die Zukunft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
und Beatmungsmedizin (DGP) wagen.
Status quo
Status quo
Die DGP ist eine Schwerpunktgesellschaft innerhalb der Inneren Medizin. Demzufolge
kooperiert die DGP mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Weiter arbeitet
die DGP mit den pneumologischen Regionalgesellschaften (Norddeutsche, Süddeutsche,
Mitteldeutsche und Westdeutsche Gesellschaft für Pneumologie), dem Bundesverband der
Pneumologen, der Atemwegsliga und der Deutschen Lungenstiftung zusammen. Traditionell
bestehen gewachsene Kooperationen mit der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie,
der Deutschen Krebsgesellschaft und den Fachgesellschaften in der Schlafmedizin. Im
Augenblick laufen Bemühungen, eine intensive Zusammenarbeit mit der noch jungen Deutschen
Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie aufzubauen.
Aktuell nehmen Lungenerkrankungen im Verhältnis zu anderen Erkrankungen der Inneren
Medizin überproportional zu. Erkrankungen der Lunge und/oder der Atemwege sind bzgl.
Morbidität, Mortalität ([Abb. 1]) und Kosten ([Abb. 2]) von großer Bedeutung [1].
Abb. 1 Anteil der Lungenkrankheiten an der Mortalität in Deutschland im Jahre 2002. Quelle:
Statistisches Bundesamt 2004 (modif. nach [1]).
Abb. 2 Gesamtkosten der wichtigsten Krankheitsgruppen. Quelle: Statistisches Bundesamt, AOK,
VDR, IMS, Kohlmeier et al. (modif. nach [1]).
So weisen Prognosen für die weltweite Mortalitätsentwicklung aus, dass 4 der 10 häufigsten
zum Tode führenden Erkrankungen unser Fachgebiet betreffen ([Tab. 1]) [2].
Tab. 1 Die zehn weltweit häufigsten zum Tode führenden Erkrankungen. Vergleich 1990 mit den
Schätzungen für 2020. Modifiziert nach Murray CJL, Lopez AD [2].
|
n (Millionen) |
% |
n (Millionen) |
% |
Lungenkrankheiten – Lungenentzündung – COPD – Tuberkulose – Lungenkrebs |
9,4 4,3 2,2 2,0 0,95 |
18,7 8,5 4,3 3,9 1,8 |
11,9 2,5 4,7 2,4 2,3 |
17,4 3,6 6,8 3,5 3,3 |
kardiovaskuläre Erkrankungen |
6,3 |
12,4 |
11,1 |
16,2 |
zerebrovaskuläre Erkrankungen |
4,4 |
8,7 |
7,7 |
11,3 |
alle Todesursachen |
50,5 |
100,0 |
68,3 |
100,0 |
Die Bedeutung einzelner pneumologischer Krankheiten für die Gesundheitsversorgung
ergibt sich besonders deutlich anhand der prognostizierten prozentualen Zunahme von
Krankheiten pro 100 000 Einwohner bis 2050 ([Abb. 3]) [3].
Abb. 3 Prozentuale Zunahme Erkrankter pro 100 000 Einwohner für 22 Krankheiten von 2007 bis
2050 (modif. nach [3]).
Diese Zahlen geben einen wichtigen Hinweis auf den zu erwartenden organisatorischen,
personellen und finanziellen Bedarf im Bereich der qualifizierten pneumologischen
Versorgung.
Die Einführung der Fallpauschalen (DRGs) im Krankenhaus hat die Bedeutung pneumologischer
Erkrankungen für das Gesundheitswesen verdeutlicht. Außerdem gibt es Belege dafür,
dass die Prognose von Patienten mit Lungenkrebs, COPD oder im Falle einer Langzeitbeatmung
maßgeblich davon abhängt, ob der Erkrankte primär von einem Pneumologen behandelt
wird oder nicht. Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, warum die Zahl der pneumologischen
Abteilungen in Krankenhäusern der Regel- und Maximalversorgung in den letzten fünf
bis zehn Jahren spürbar zugenommen hat.
Dieser erfreulichen Entwicklung steht ein Manko gegenüber: die immer noch mangelnde
Repräsentanz unseres Fachgebietes an den deutschen Universitäten und den grundlagenorientierten
Forschungseinrichtungen. Daraus resultieren Defizite hinsichtlich Lehre (mit entsprechenden
Konsequenzen für den Stand des pneumologischen Wissens bei Studenten und Allgemeinärzten)
und Forschung. Letzteres trifft für alle relevanten Teilbereiche zu: Grundlagenforschung,
klinische Forschung und Versorgungsforschung.
Dabei bietet gerade unser Fachgebiet aufgrund der Besonderheiten des Organs Lunge
eine breit gefächerte Palette an relevanten Forschungsfeldern, die von der Molekular-
und Zellbiologie und der Physiologie bis zu Bildgebungsverfahren, Nanotechnologie
und Mikroelektronik reichen.
Diese Situation erklärt zwanglos, warum die Angebote an qualifizierter pneumologischer
Lehre für Studenten und die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden bezüglich Anzahl
und Qualität nicht dem gewünschten Standard entsprechen. Im Verhältnis zum wachsenden
Bedarf defizitär ist ferner die fachspezifische Fort- und Weiterbildung außerhalb
der Universitäten, zum Beispiel für Hausärzte, Internisten, nicht pneumologisch ausgebildete
Fachärzte, aber auch für das medizinische Assistenzpersonal (z. B. Atmungstherapeuten,
Physiotherapeuten, Medizin-Controller etc.). Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass
Kenntnisse bezüglich Prävention, Diagnostik und Therapie pneumologischer Erkrankungen
in der deutschen Medizin bei Weitem nicht in dem Ausmaß vorhanden sind, wie es angesichts
der aufgeführten epidemiologischen Fakten erforderlich wäre.
Eine Weiterentwicklung der deutschen Pneumologie in Klinik, Forschung und Lehre setzt
eine konzertierte Aktion voraus:
-
Der Öffentlichkeit, den politischen Entscheidungsträgern und den Kostenträgern muss
bewusst gemacht werden, welche Defizite in der pneumologischen Versorgung bestehen.
-
Den Patienten und Selbsthilfegruppen muss der Mehrwert einer Versorgung von Lungen-
und Atemwegserkrankungen auf hohem Niveau verdeutlicht werden. Diese Bemühungen können
nur dann erfolgreich sein, wenn belastbare Daten zur Versorgungsrealität erarbeitet
werden.
Nachwuchsförderung in Klinik und Forschung
Nachwuchsförderung in Klinik und Forschung
Nur wenige Zukunftsaspekte lassen sich so sicher prognostizieren wie die Bedeutung
einer konsequenten und strategisch geplanten Nachwuchsförderung in allen Sparten unseres
Fachgebietes. Die Nachwuchsförderung ist der wichtigste Garant für die Weiterentwicklung
und Konkurrenzfähigkeit der Pneumologie.
Was ist hierfür zu tun? Es muss uns gelingen, mehr Internisten in Ausbildung dafür
zu gewinnen, sich mit pneumologischen Fragen zu befassen und/oder sogar den Weg in
die Spezialisierung aufzunehmen. Unser Ziel muss sein, dass nahezu jeder Internist
– gleich wo er seine Ausbildung durchläuft – mit pneumologischer Expertise konfrontiert
wird. Weiter müssen wir eine suffiziente Zahl an qualifizierten Weiterbildungsplätzen
bereitstellen – und zwar nicht nur an Universitätskliniken, sondern auch an nicht
universitären pneumologischen Zentren. Hier scheint es ein Problem zu geben: Es besteht
der Eindruck, dass pneumologische Fachkliniken dazu neigen, weniger Berufsanfänger
einzustellen und mehr auf erfahrene Kollegen zu setzen, was für die einzelne Klinik
vielleicht kurzfristig von Vorteil ist, für das Fach auf Dauer betrachtet allerdings
deletäre Konsequenzen hat. In den universitären Abteilungen mit Schwerpunkt Pneumologie
kommt es entscheidend darauf an, dass diese bezüglich Klinik, Lehre und Forschung
ein hohes Maß an Aktivität entwickeln, um so die Wertschätzung für unser Fach im allgemeinen
und speziell im akademischen Umfeld zu steigern.
Da mittlerweile mehr Frauen als Männer Medizin studieren, ist die gezielte Frauenförderung
in der Pneumologie ein wichtiges Zukunftsthema. Auf diesem Gebiet können wir Pneumologen
viel vom Weitblick der Gastroenterologen und Abdominalchirurgen lernen. Im Jahre 2007
wurde das Netzwerk Frauen in der Viszeralmedizin (FIV) gegründet. Der Verbund hat
zum Ziel, die Berufs- und Karrierechancen von Frauen mit fachspezifischem Interesse
zu verbessern. Die DGP wäre gut beraten, ähnliche Überlegungen für die Thoraxmedizin
anzustellen und die Realisierung eines analog strukturierten Netzwerkes vorbehaltlos
zu fördern.
Letztlich wird die DGP aus eigenem Antrieb nur dann weiter wachsen können, wenn es
uns gelingt, genügend junge Kolleginnen und Kollegen für die Pneumologie zu interessieren
und diese zu motivieren, sich in unserer wissenschaftlichen Fachgesellschaft und deren
Gremien zu engagieren. Auch wenn die Mitgliederzahl der DGP durch die Mitgliedschaft
von Medizinern aus anderen Bereichen (z. B. Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Onkologie,
Thoraxchirurgie, Intensivmedizin etc.) und durch die Öffnung für medizinische Assistenzberufe
in den letzten Jahren erfreulicherweise auf über 2700 angestiegen ist ([Abb. 4]), hängt die Zukunft der DGP insbesondere davon ab, ob in vermehrtem Maße innovative
Pneumologen sowie profilierte Hochschullehrer und Forscher mit Interesse an pneumologischen
Fragestellungen die Geschicke der Fachgesellschaft in den Sektionen und im Vorstand
lenken.
Abb. 4 Mitgliederentwicklung in der DGP von 1974 bis 2009.
Die Nachwuchsarbeit muss sich deshalb auch innerhalb der Fachgesellschaft intensiv
darauf konzentrieren, geeignete und motivierte Kandidaten für die Mitwirkung in der
DGP in einem frühen Stadium ihrer beruflichen Entwicklung zu identifizieren und danach
intensiv und zielgerichtet für Tätigkeiten innerhalb der Fachgesellschaft aufzubauen.
Außerdem müssen wir in Zukunft das enorme Potenzial profilierter älterer DGP-Mitglieder
besser als in der Vergangenheit nutzen und diese in vermehrtem Umfang als Mentoren
für die Realisierung unserer Ziele gewinnen.
Was wir nicht über uns wissen, für die Gestaltung der Zukunft aber unbedingt kennen
sollten
Was wir nicht über uns wissen, für die Gestaltung der Zukunft aber unbedingt kennen
sollten
Um unser Fach bedarfsgerecht ausbauen zu können, sind Überlegungen notwendig, wie
und wohin sich die Lungenheilkunde in den nächsten Jahren entwickeln könnte und welche
Impulse für die Erreichung der postulierten Ziele notwendig sind.
Die Pneumologie wird sich ohne Zweifel mit Änderungen ihres derzeitigen Profils auseinandersetzen
müssen. Neue Technologien wie die Schnittbildverfahren, Gen-Chips und andere molekularbiologische
Methoden könnten sich in Zukunft als Alternativen zur konventionellen Endoskopie und
mikrobiologischen Diagnostik entwickeln bzw. das Spektrum von Strategien für die Prävention
benigner und maligner Lungenerkrankungen erweitern. Bereits heute liegen bedeutsame
Schwerpunkte im stationären und ambulanten Bereich auf den Gebieten der Beatmungstechnologie,
der interventionellen Pneumologie und in zunehmendem Umfang der Onkologie thorakaler
Tumoren. Im stationären Bereich stellen die Infektiologie, die internistische Intensiv-
und Notfallmedizin und die Palliativmedizin Disziplinen dar, denen sich die Pneumologie
im Interesse der Patienten vermehrt widmen muss.
Der prognostizierte Anstieg des Lebensalters und die weite Verbreitung der Adipositas
haben Auswirkungen auf die Pneumologie der Zukunft bei Erkrankungen wie der COPD,
in der Beatmungsmedizin und im perioperativen Management dieser Patienten. Außerdem
spielen schlafbezogene Atmungsstörungen insbesondere bei Herzkranken, Hypertonie,
Diabetes mellitus und COPD eine bedeutsame Rolle. Weitere Brennpunkte der Pneumologie
stellen problematische Infektionserkrankungen der Lunge dar, außerdem Konzepte für
die palliative Versorgung von Patienten mit Lungenerkrankungen im Endstadium. Diese
Aussage erscheint zunächst trivial, ist es aber bei genauer Betrachtung nicht, da
bisher Palliativmedizin im Wesentlichen als Betätigungsfeld der Onkologen verstanden
wird, was der Versorgungsrealität aber nicht gerecht wird.
Die pneumologische Onkologie wird allgemein als einer der herausragenden Schwerpunkte
der künftigen pneumologischen Tätigkeit sowohl in der Klinik als auch in der Praxis
angesehen. Dabei darf die pneumologische Onkologie nicht auf das Screening und die
endoskopische Diagnostik/Behandlung maligner und prämaligner Veränderungen beschränkt
bleiben. Die pneumologische Onkologie umfasst – nicht nur gemäß Musterweiterbildungsordnung
– schwerpunktmäßig ebenso die medikamentöse Tumortherapie. Das bedeutet, dass auch
in der Praxis tätige Kollegen eine entsprechende Expertise erwerben sollten.
Nicht nur unser theoretisches Wissen über immunologische Erkrankungen mit Lungenbeteiligung
und von primären Erkrankungen des Lungenparenchyms nimmt ständig zu, sondern gegenwärtig
werden von Pneumologen und ihren Partnern vielversprechende neue Therapiekonzepte
erprobt.
Bei fast allen Organtransplantationen, insbesondere bei der Lungentransplantation
und der Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation, spielen pulmonale Komplikationen
eine zentrale Rolle. Um diesen Problemen gerecht zu werden, ist der Erwerb spezialisierter
Kenntnisse für uns Pneumologen essenziell.
Konsequenzen mit Blick auf die Zukunft
Konsequenzen mit Blick auf die Zukunft
All diese Felder sind für die Wahrnehmung der Pneumologie und Beatmungsmedizin bei
Patienten und in der Öffentlichkeit von immenser Wichtigkeit und verdeutlichen, wohin
sich die Pneumologie der Zukunft entwickeln könnte. Doch verfügen wir über die personellen
und strukturellen Ressourcen?
Der Vorstand der DGP räumt dem Thema „Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die
Pneumologie und Definition strategischer Handlungsfelder” höchste Priorität ein. Die
Einrichtung einer Projektgruppe „Pneumologie der Zukunft” wäre z. B. ein richtungweisender
Schritt. Am Anfang müsste die Durchführung einer Ist-Analyse der diagnostischen und
therapeutischen Leistungen der Pneumologie in Klinik und Praxis stehen, um daraus
Schlussfolgerungen und Empfehlungen formulieren zu können und diese dann auf kommenden
Kongressen und in weiteren geeigneten Foren unserer Fachgesellschaft zur Diskussion
zu stellen.
Diese Erhebung muss sich auf Klinik, Praxis und Forschungsbereiche erstrecken und
belastbare Informationen liefern über die aktuelle Zahl der Pneumologen in Deutschland,
über den Anteil der pneumologisch aktiven Kollegen, über die Zahl der weiterbildungsberechtigten
Institutionen, die Zahl der Weiterbildungsplätze sowie über die Zahl der Pneumologen
in Weiterbildung, ferner die Anzahl derjenigen, die in den letzten Jahren erfolgreich
die Schwerpunktprüfung Pneumologie abgelegt haben. Außerdem sollte erfasst werden,
welche Zusatzausbildungen von Pneumologen erworben werden und in welchem prozentualen
Anteil Pneumologen über eine Doppel- bzw. Mehrfachqualifikationen (z. B. Pneumologie
plus Kardiologie, Onkologie oder Rehabilitationsmedizin) verfügen.
Die Zukunft der Pneumologie hängt nicht nur davon ab, ob Internisten in genügender
Zahl die Spezialisierung zum Pneumologen anstreben, sondern in entscheidendem Maße
unter anderem auch davon, ob für nicht ärztliches Personal (Krankenschwestern, medizinische
Fachangestellte, Physiotherapeuten) in ausreichendem Umfang Zusatzqualifikationen
angeboten und wahrgenommen werden, die sich auf die berufliche Weiterentwicklung der
Absolventen positiv auswirken.
Forschungsförderung als Motor für Innovation und Wachstum in der Pneumologie
Forschungsförderung als Motor für Innovation und Wachstum in der Pneumologie
Die Zukunft der Pneumologie wird auch davon abhängen, ob und in welchem Umfang uns
die Etablierung weiterer pneumologischer Abteilungen an den deutschen Universitäten
gelingt und mit welchem Erfolg die vorhandenen Abteilungen sich in der universitären
Forschungs- und Lehrlandschaft positionieren. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft
müssen wir uns wesentlich intensiver als in der Vergangenheit für eine gezielte Forschungsförderung
des pneumologischen Nachwuchses an den Universitäten einsetzen, um unser Fach für
junge Kliniker und Nachwuchswissenschaftler deutlich attraktiver und konkurrenzfähig
zu gestalten.
Hilfreich wäre außerdem die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Forschungsförderung
in der Pneumologie, deren Aufgabe darin besteht, regelmäßig über die verschiedensten
Forschungsförderungsprogramme der Europäischen Union, der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und anderer Institutionen
zu informieren.
Darüber hinaus kann die Attraktivität der Pneumologie für Nachwuchswissenschaftler
durch Unterstützung bei der Erstellung des Designs klinischer Studien oder sonstiger
Forschungsprojekte und bei der Beantragung von Forschungsgeldern gefördert werden.
Dabei könnte das Institut für Lungenforschung (ILF) eine zentrale Rolle spielen. Satzungsgemäße
Aufgaben des ILF sind die Förderung der Pneumologie durch Beratung, Organisation und
Durchführung von industrieneutralen klinischen Studien, die Erstellung von Datenbanken
für die fachspezifische Versorgungsforschung, die Vernetzung forschender klinischer
Einrichtungen sowie die Beratung bei der Erstellung von Forschungsanträgen, klinischen
Studienkonzepten, biometrischen Fragestellungen und wissenschaftlichen Publikationen.
Ein sehr effektiver Schritt der Forschungsförderung könnte auch die Einbindung von
Mentoren in diesen Prozess sein, also von ideenreichen bzw. innovativen Pneumologen
und Grundlagenforschern, die über umfangreiche Forschungserfahrung verfügen und diese
uneigennützig als Beratungsleistung zur Verfügung stellen.
Stärkung der pneumologischen Forschung in Deutschland
Stärkung der pneumologischen Forschung in Deutschland
Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin muss die Pneumologie vermehrt die Durchführung
multizentrischer, randomisierter Studien mit harten Endpunkten anstreben und daneben
der fachspezifischen Versorgungsforschung sowie der Forschung in themenbezogenen Netzwerken
breiteren Raum geben. Als Beispiel einer erfolgreichen Verbundforschung sei das CAPNETZ
in der Pneumonieforschung genannt. Zukunftschancen ergeben sich in den kommenden Jahren
unter anderem durch das BMBF-Kompetenznetz Asthma und COPD (ASCONET). Hier besteht
erstmals die Möglichkeit, relevante Daten von großen Kohorten zu beiden Volkskrankheiten
für Deutschland zu generieren und gleichzeitig die pneumologische Grundlagenforschung
auf diesen Gebieten zu fördern.
Zentrale Felder einer erfolgversprechenden grundlagenorientierten Forschung der Zukunft
umfassen beispielsweise die Inhalationstechnologie (z. B. Targeted Therapy), den Einsatz der Nanotechnologie, die Therapie pulmonaler Infektionen (z. B. jenseits
der Antibiotika), die pulmonale Onkologie (z. B. Rolle der Entzündung für die Tumorentstehung,
individualisierte Tumortherapie mittels Targeted Therapy) sowie die regenerative Pneumologie
(Remodeling, Reverse Remodeling und In-vivo tissue engineering).
Bis heute sterben 10 – 15 % der Pneumoniepatienten trotz angemessener Antibiotikatherapie.
Der Anteil antibiotikaresistenter Bakterienstämme nimmt weltweit zu, die Zahl neu
entwickelter wirksamer Antibiotika hält aber keinesfalls Schritt mit dieser besorgniserregenden
Entwicklung. Ein zukunftsweisendes Forschungsfeld in der Behandlung der Pneumonie
stellt deshalb die Entwicklung neuer Therapiekonzepte unter Verzicht auf Antibiotika
oder mit dem Ziel der Verstärkung oder Modulation der Wirkung dieser Substanzen dar.
Strategisches Ziel der Forschung ist dabei die Aufdeckung organspezifischer molekularer
Signalwege und zellulärer Interaktionen bei Infektion und Inflammation der Lunge und
die Ausnutzung der molekularen Pathogenese zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien
für die Behandlung der Pneumonie.
Beim Lungenkrebs kann die Aufdeckung der Interaktionen von Tumor und Entzündung zu
erheblichen Fortschritten beitragen.
Ziel der regenerativen Medizin ist die Wiederherstellung von Struktur und Funktion
geschädigter Zellen, von Gewebe oder Organe durch biologischen Ersatz oder Anregung
körpereigener Regenerations- oder Reparaturprozesse. Bei den Wiederherstellungsprozessen
muss zwischen dem Abbau, Umbau und Aufbau der geschädigten Strukturen unterschieden
werden. Zukünftige Lösungsansätze für die Steuerung dieser Prozesse liefert unter
anderem die Erforschung der Plastizität von adulten Stammzellen. Ist die Lungenregeneration
aus dem Knochenmark denkbar? Welche Rolle spielen ortsständige Stammzellen? Lassen
sich Ergebnisse der Lungenregeneration bei adulten Mäusen auf die Situation beim Menschen
übertragen?
Professionalisierung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Professionalisierung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Ob es der DGP gelingt, den international deutlich spürbaren Aufwind des Fachgebietes
erfolgreich für die Weiterentwicklung der Pneumologie in Deutschland zu nutzen, wird
maßgeblich von der Professionalisierung unserer Fachgesellschaft und der Gesellschaftsstrukturen,
darüber hinaus aber auch vom besonderen Engagement einzelner profilierter Mitglieder
zum Wohle des Ganzen abhängig sein.
Um die Effizienz der Vorstandsarbeit nachhaltig zu verbessern, ist die Einstellung
eines hauptamtlichen Geschäftsführers notwendig. Die Nähe zur Politik ist eine wichtige
Voraussetzung dafür, dass die Peumologie öffentlich in angemessenem Umfang wahrgenommen
wird. Deshalb wurde auf der Grundlage der Beschlüsse der Mitgliederversammlung der
DGP in Mannheim im März 2009 Ende des vergangenen Jahres das Hauptstadtbüro der DGP
in Berlin eröffnet. Robert Loddenkemper hat sich bereiterklärt, das Hauptstadtbüro
im Schulterschluss mit Präsident und Geschäftsführer der Gesellschaft federführend
aufzubauen.
Dringend erforderlich ist zudem die Modernisierung der EDV-Plattform der DGP und eine
zukunftsweisende Strukturierung und Pflege der Website. Die Internetpräsenz unserer
Fachgesellschaft muss tagesaktuell organisiert werden, um so Inhalte der jüngsten
Forschung und klinischen Entwicklung allen Mitgliedern und interessierten Laien zeitnah
anbieten zu können. Weiteres Optimierungspotenzial besteht bei der webbasierten Verbesserung
der internen Kommunikation unserer Mitglieder, der einzelnen Sektionen und Arbeitsgruppen
untereinander und miteinander sowie mit unseren Kooperationspartnern. Mit Hilfe der
optimierten EDV-Infrastruktur ließe sich darüber hinaus die webbasierte Fort- und
Weiterbildung verbessern.
Ein weiterer Schwerpunkt auf dem Weg für eine zeitgemäße Professionalisierung der
DGP muss im Ausbau der fachspezifischen Öffentlichkeitsarbeit liegen. Ziel muss sein,
aktuelle Themen der Pneumologie aus Prävention, Diagnostik und Therapie sowie neueste
Aspekte der Forschung aktuell und in ansprechender Form fachspezifisch sowie öffentlichkeitswirksam
aufzubereiten.
Bleibt ein ganz zentraler Punkt: Wie soll das alles finanziert werden? Aktuell leben
nahezu alle klinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften von den Überschüssen der
Jahreskongresse, die wiederum im Wesentlichen durch die Standmieten und sonstigen
Beiträge der ausstellenden Industrie zustande kommen. Ob diese Art der Finanzierung
auch für die Zukunft Bestand haben kann (Stichwort: Interessenkonflikte), ist gegenwärtig
nicht klar. Plausible Alternativen sind momentan allerdings nicht in Sicht. Professionelles
Fundraising ist schon von vielen versucht worden, meist jedoch ohne nachhaltigen Erfolg.
Nationale und internationale Kooperationen
Nationale und internationale Kooperationen
Für eine erfolgreiche Zukunft der Pneumologie ist es notwendig, dass die nationalen
pneumologischen Vereinigungen und Arbeitsgemeinschaften ihre Ziele und Aktivitäten
aufeinander abstimmen und im Sinne einer Bündelung aller verfügbaren Kräfte agieren.
Von mindestens ebenso großer Bedeutung ist die Intensivierung der schon heute engen
Kooperation mit den internationalen Fachgesellschaften für Pneumologie, hier insbesondere
der European Respiratory Society (ERS). So können über ERS-Stipendien interessierte
Kollegen in deutsche Abteilungen mit pneumologischem Schwerpunkt kommen, um an Forschungsprojekten
zu arbeiten oder sich klinisch fortzubilden. Auf diesem Weg können wir unsere internationale
Rolle verbessern, Kontakte intensivieren und begabte Kollegen auch über die Landesgrenzen
hinweg gewinnen.
Mittelfristig könnten auch Kooperationen mit asiatischen Fachgesellschaften bedeutsam
werden. Die Zukunft der Pneumologie wird zudem abhängen vom Ausbau der Kooperation
mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde
und Jugendmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin,
der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, der Deutschen Gesellschaft
für Palliativmedizin und nicht zuletzt mit den intensivmedizinischen Fachgesellschaften.
Eingeleitet haben wir diesen Beitrag mit dem Zitat „Voraussagen sind schwierig, besonders
wenn sie die Zukunft betreffen”. Ob Niels Bohr mit diesem von Lebensweisheit geprägten
Satz Recht behält oder ob wir die Zukunftsaspekte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
und Beatmungsmedizin auf absehbare Zeit trefflich prognostiziert und zentrale Handlungsfelder
aufgezeigt haben, die in den kommenden Jahren erfolgreich umgesetzt werden, müssen
wir dem Urteil späterer Chronisten überlassen.
Prof. Dr. med. Helmut Teschler
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2007 – 2009
Prof. Dr. med. Werner Seeger
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie 2003 – 2005
Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2009 – 2011