Anamnese
Anamnese
Wir berichten über eine 1999 geborene, damals 9-jährige Patientin, bei der erstmalig
im Juni 2007 über dem linken Ellenbogengelenk ein weißer Fleck aufgefallen war. Bei
Berührung bestand vermehrte Schmerzempfindlichkeit, zudem trat in diesem Areal intermittierend
ein Hitzegefühl auf. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine kontinuierliche Verhärtung
der Läsion und Progredienz mit Ausbildung weiterer Herde entlang des Unterarms und
konsekutiver Beugekontraktur des linken Ringfingers im Mittelgelenk.
Schwerwiegende Vorerkrankungen waren bei der jungen Patientin nicht bekannt, seit
2006/2007 bestand gelegentlich Migränesymptomatik mit halbseitigen Kopfschmerzen und
Lichtempfindlichkeit. Die frühkindliche Entwicklung verlief unauffällig, Impfungen
erfolgten entsprechend den STIKO-Empfehlungen. Zudem wurden im April und Mai 2007
FSME-Impfungen vorgenommen. Die Familienanamnese war bis auf eine multiple Sklerose
großmütterlicherseits bezüglich Autoimmunerkrankungen, Immundefekten oder Krebserkrankungen
leer.
Erstbefund
Erstbefund
Es zeigte sich in der linken Armbeuge eine ausgedehnte, ca. handtellergroße weißliche,
indurierte atrophische Plaque umgeben von einem livid-rötlichen Randsaum. Einzelne
kleinere Herde fanden sich auch entlang des Unterarms sowie am Handrücken.
Am Ringfinger der jungen Patientin sah man neben einer zirkulär angeordneten atrophischen
Plaque eine deutliche Schwellung im Bereich des Mittelgelenks mit beginnender Beugekontraktur
und eingeschränkter Beweglichkeit ([Abb. 1]). Sonstige Gelenke waren sämtlich aktiv und passiv frei beweglich. Die orientierende
internistische und neurologische Untersuchung verlief altersentsprechend unauffällig.
Abb. 1 Indurierte, atrophische Plaques mit livid-rötlichem Randsaum am linken Unterarm sowie
initiale Beugekontraktur des linken Ringfingers bei linearer zirkumskripter Sklerodermie.
Erstvorstellung der Patientin, vor Therapiebeginn.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Unauffällig bzw. altersentsprechend waren Differenzialblutbild, Leber-/Nierenparameter,
Blutzucker, CRP, Urin- und Gerinnungsstatus, infektiologische Serologie und Autoantikörperdiagnostik.
Ergänzende Untersuchungen
Ergänzende Untersuchungen
Sonografisch zeigte sich im Bereich der sichtbar veränderten Hautabschnitte eine nahezu
homogene angehobene Echogenität von Haut und subkutanem Fettgewebe mit verwaschener
Haut-Subkutisgrenze. Tiefenausdehnung im Mittel 5 mm. Weiterführende röntgenologische
und augenärztliche Untersuchungen waren unauffällig.
Bei typischem klinischem Befund wurde auf die Entnahme einer Probebiopsie verzichtet.
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Anhand der Anamnese und des hier typischen klinischen Befundes diagnostizierten wir
eine lineare zirkumskripte Sklerodermie.
Aufgrund des ausgedehnten progredienten Hautbefundes und der starken Aktivität der
Erkrankung mit drohender Zunahme der Bewegungseinschränkung des linken Ringfingers
entschlossen wir uns für die Einleitung einer Hochdosis-Steroid-Pulstherapie mit nachfolgender
MTX-Erhaltungstherapie. Initial erhielt die junge Patientin in der ersten und zweiten
Woche eine Methylprednisolon-Hochdosistherapie von 500 mg/d i. v. an drei aufeinanderfolgenden
Tagen. Zwischen den beiden Zyklen und am Ende der Hochdosistherapie wurde Prednisolon
gewichtsadaptiert (0,5 mg/kgKG) p. o. in absteigender Dosierung verabreicht.
Ab Tag 15 setzte die Erhaltungstherapie mit 12,5 mg MTX p. o. (10 mg/m²) 1 × wöchentlich
unter Folsäuresubstitution von 0,8 mg am Folgetag ein, welche insgesamt 12 Monate
andauerte. Eine engmaschige medizinische Betreuung und Kontrolle während der Therapie
wurde durchgeführt.
Die Therapie wurde insgesamt gut toleriert, bis auf gelegentliche kurzzeitige Diarrhöen
und Übelkeit traten keine interkurrenten Erkrankungen auf.
In der aktuellen Aufnahme von Dezember 2008 zeigt sich eine deutliche Aktivitätsabnahme
der Erkrankung mit Rückgang der Rötung und Induration sowie eine resultierende postinflammatorische
Hyperpigmentierung ([Abb. 2] u. [3]). Die Beweglichkeit des Ringerfingers zeigte sich in der klinischen Untersuchung
deutlich gebessert.
Abb. 2 Rückläufiger Lokalbefund mit Wiederherstellung der Beweglichkeit des linken Ringfingers
nach Hochdosis-Steroid-Pulstherapie und nachfolgender MTX-Erhaltungstherapie.
Abb. 3 Aktivitätsabnahme der Erkrankung mit resultierender postinflammatorischer Hyperpigmentierung
nach Hochdosis-Steroid-Pulstherapie und nachfolgender MTX-Erhaltungstherapie.
In der sonografischen Kontrolle ließ sich eine deutliche Rückbildung der beschriebenen
Veränderungen, insbesondere der Tiefenausdehnung, von zuvor 5 mm im Mittel auf 1 mm
nachweisen.
Besprechung
Besprechung
Die zirkumskripte Sklerodermie ist eine seltene entzündliche sklerosierende Erkrankung.
Die Inzidenz wird in einigen Studien auf 0,4 bis 1 pro 100 000 Einwohner geschätzt.
Die hier beschriebene lineare Verlaufsform ist nach dem Plaque-Typ (36 %) mit ca.
25 – 30 % der zweithäufigste Subtyp der zirkumskripten Sklerodermie. Neueste Untersuchungen
an einem Patientenkollektiv von 245 Patienten zeigten, dass Kinder und Erwachsene
weitgehend gleichmäßig betroffen sind. In früheren kleineren Kollektiven wurde das
Verhältnis von 2 : 1 Kindern zu Erwachsenen beobachtet. Neben der Haut können bei
der zirkumskripten Sklerodermie auch extrakutane Beteiligungen auftreten. Dabei sind
neben muskuloskelettalen (z. B. Arthralgien) auch gastrointestinale, neurologische,
pulmonale und vaskuläre Manifestationen beschrieben worden [15]. Bei der linearen Verlaufsform kann es in dem betroffenen Körperteil zu Wachstumsstörungen,
Fehlstellungen und Verkürzungen von Knochen und Muskulatur kommen. Insgesamt kann
dies häufig zu erheblichen körperlichen und auch psychischen Konsequenzen führen.
Auch neurologische Symptome (z. B. Kopfschmerzen, periphere Neuropathien) sowie ophthalmologische
Erkrankungen (z. B. Episkleritis, Glaukom, Uveitis) werden bei der linearen Verlaufsform
vermehrt beobachtet [1]. In der kürzlich veröffentlichten Studie von Leitenberger et al. [14] zeigten sich daneben auch Assoziationen mit Systemerkrankungen, nicht selten mit
Autoimmunkrankheiten und rheumatologischen Erkrankungen. Dabei wiesen Kinder im Vergleich
zu den erwachsenen Probanden deutlich weniger (4,4 % vs. 30,1 %) begleitende Autoimmunerkrankungen
auf. Ob Kinder mit Morphea später im Erwachsenenalter eine erhöhte Rate an Autoimmunkrankheiten
aufweisen, bleibt noch zu untersuchen.
Die Ätiologie der zirkumskripten Sklerodermie ist noch weitestgehend unbekannt. Diskutiert
werden genetische (Korrelation mit HLA-B8, DR1, DR5), immunologische, hormonelle,
virale, toxische, traumatische, medikamentöse, neurogene oder vaskuläre Faktoren.
Jüngere Studienergebnisse zeigen eine hohe Korrelation mit einer vorangegangenen Borrelieninfektion
[2]
[16]. Die Diagnose der linearen Sklerodermie stützt sich vor allem auf das charakteristische,
klinische Bild. Die histologische Untersuchung unterstützt die klinische Diagnose.
Im Gegensatz zur systemischen Sklerodermie sind die antinukleären Antikörper meist
unauffällig [3]
[14]. Aufgrund der spontanen Abheilungstendenz ist zunächst therapeutische Zurückhaltung
geboten. Meist ist eine Lokalbehandlung mit Glukosteroiden, Vitamin-D3-Analoga, UVA1-
oder PUVA-Lichttherapie ausreichend [4]
[5]
[6]
[7]. Erst bei Progredienz der Erkrankung ist eine Systemtherapie indiziert. Klinisch
unterschiedliche Ergebnisse wurden mit Penicillamin, Antimalariamitteln, Retinoiden,
Calcipotriol, Cyclosporin und Interferon gamma beschrieben [8], welche vor allem bei tiefreichenden Verlaufsformen nur begrenzte Erfolge zeigten
[9].
Ermutigende Resultate konnten jedoch in verschiedenen Studien unter einer niedrig-dosierten
Methotrexat-Therapie (15 mg/Woche) erreicht werden [8]
[10]
[11]. Trotz des jungen Alters der Patientin entschlossen wir uns aufgrund der Befundprogredienz
und der drohenden Kontraktur des linken Ringfingers im Mittelgelenk zur Einleitung
einer Hochdosis-Steroid-Pulstherapie mit nachfolgender MTX-Erhaltungstherapie, angelehnt
an die Studienergebnisse von Weibel et al. [12]. Anhand einer retrospektiven Untersuchung an 34 Kindern unter Kombinationstherapie
von MTX und Steroiden zeigte sich bereits zu Therapiebeginn bei 94 % der Patienten
ein Sistieren der Erkrankung. 71 % der behandelten Kinder wiesen auch zum Zeitpunkt
der letzten Kontrolle, nach 2 bis 7 Jahren, keinerlei Krankheitsaktivität mehr auf.
Auch bei unserer jungen Patientin zeigte sich unter der eingeleiteten Therapie eine
deutliche Aktivitätsabnahme der Erkrankung bei insgesamt nur geringen Nebenwirkungen
(Grad I und II nach WHO).
Der genaue Wirkmechanismus von niedrig dosiertem Methotrexat auf die Fibrose ist jedoch
bis heute unklar. Vermutet wird ein direktes Einwirken auf die Fibroblasten der Haut
oder ein generell antiinflammatorischer Effekt [13].
Im Hinblick auf die beschriebene Datenlage sollte auch bei Kindern und Jugendlichen
bei Vorliegen einer zirkumskripten linearen oder profunden Sklerodermie und damit
verbundenen drohenden funktionellen Beeinträchtigungen frühzeitig eine Systemtherapie
mit einer initialen Hochdosis-Steroid-Pulstherapie und Erhaltungstherapie mit MTX
in Erwägung gezogen werden. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen sollte diese Behandlung
unter engmaschigen klinischen und labormedizinischen Kontrollen erfolgen.