Aktuelle Dermatologie 2010; 36(6): 214-216
DOI: 10.1055/s-0029-1244015
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hautpflege im Säuglingsalter – Zum Einfluss standardisierter Pflegeregime auf die Hautbarrierefunktion

Neonatal Skin Care – Influence of Standardized Skin Care Regimen on Skin Barrier FunctionU.  Blume-Peytavi1 , N.  Garcia Bartels1
  • 1Clinical Research Center for Hair and Skin Science, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
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Prof. Dr. Ulrike Blume-Peytavi

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Charité-Universitätsmedizin

Charitéplatz 1
10117 Berlin

Email: crc-office@charite.de

Publication History

Publication Date:
16 March 2010 (online)

Table of Contents

Zusammenfassung

Neuere Studien haben gezeigt, dass die Reifung der Hautschutzbarriere mindestens über die ersten 12 Lebensmonate hinweg anhält. Vor diesem Hintergrund gewinnt die richtige Hautpflege an Bedeutung, nicht zuletzt unter dem Aspekt der Prävention von Hauterkrankungen, die mit einer frühen Störung der Hautfunktion assoziiert werden. Deshalb verglichen zwei monozentrische, prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien mit gesunden Neugeborenen im Alter von < 48 h erstmals den Einfluss standardisierter Pflegeroutinen wie Baden und Waschen mit und ohne Babypflegeprodukte auf die Entwicklung der Barrierefunktion der Haut. Sie ergaben, dass sich zweimal wöchentliches Baden in klarem Wasser an einigen Körperregionen etwas besser auf die Hautschutzbarriere auswirkt als Waschen. Darüber hinaus schadet, im Vergleich zur Anwendung von Wasser allein, der zweimal wöchentliche Einsatz von Badezusatz und Pflegecreme bzw. Pflegecreme der Anpassung der Hautfunktion in den ersten Lebenswochen nicht.

Abstract

Recent studies have shown that skin barrier maturation continues at least during the first year of life. The findings strengthen the importance of proper skin care not least with regard to the prevention of skin diseases associated with early skin barrier dysfunction. Therefore two monocentric, prospective, randomized, controlled studies with healthy newborns aged < 48 h compared the influence of standardized skin care regimens like bathing and washing with and without baby skin care products on skin barrier maturation. The results showed that twice-weekly bathing with clear water positively influences skin barrier adaptation in some body areas compared to washing. Furthermore, twice-weekly usage of wash gel and or cream better supports skin barrier maturation compared to water alone.

Besonderheiten der Haut im 1. Lebensjahr

Unmittelbar nach der Geburt vollzieht sich ein Anpassungsprozess der Haut an die neue Umgebung ex utero. Die Haut gesunder Reifgeborener ist zu diesem Zeitpunkt bereits gut entwickelt. Trotzdem unterliegt die Reifung der Hautbarrierefunktion Schwankungen und ist anfällig für Störungen [1]. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das Stratum corneum im gesamten ersten Lebensjahr in Bezug auf Wasserspeicher- und Transportfunktionen nicht mit dem Stratum corneum Erwachsener vergleichbar ist [2]. Anhand verschiedener Messwerte wie transepidermalem Wasserverlust (TEWL), Hydration des Stratum corneum (SCH), Anteil an natürlichen Feuchtigkeitsfaktoren (NMF) und mittels Ramanspektroskopie wurde nachgewiesen, dass Säuglingshaut schneller und mehr Wasser aufnehmen kann als Erwachsenenhaut, dieses aber auch rascher wieder abgibt [2]. Neben der Funktion bestehen auch auf Organ- und Zellebene zwischen der Haut im Erwachsenenalter und in den ersten beiden Lebensjahren zentrale Unterschiede [3]. So besitzt Babyhaut ein ausgeprägteres Hautrelief und eine höhere Elastizität. Das Stratum corneum ist ca. 30 %, die Epidermis etwa 20 % dünner als bei Erwachsenen. Ebenso sind Korneozyten und Keratinozyten deutlich kleiner, die Zelldichte in der Granularschicht und die Proliferationsrate der epidermalen Zellen sind erhöht [3]. Zusammengefasst verfügt die Haut mindestens im ersten Lebensjahr noch nicht über eine voll ausgereifte Barrierefunktion [2] [3].

Bisherige Pflegeempfehlungen

Angesichts dieser Erkenntnisse gewinnt die richtige Hautpflege in den ersten Lebenswochen an Bedeutung. Eine frühe Dysfunktion der Hautschutzbarriere kann im Zusammenhang mit der Entwicklung einer atopischen Dermatitis stehen [4]. Auch bestimmte Pflege- und Reinigungsprozeduren können zu einer frühen Beeinträchtigung der Hautbarrierefunktion führen [5].

Bisher existieren viele unterschiedliche Auffassungen über eine adäquate Hautpflege in der Neugeborenen- und Säuglingsperiode. Sie unterscheiden sich u. a. in Bezug auf Häufigkeit, Art der Reinigung und den Einsatz von Reinigungs- oder Pflegeprodukten. Da gegenwärtig nur wenige standardisierte, wissenschaftliche Daten über die Auswirkungen gängiger Pflegeroutinen auf die Hautschutzbarriere bei Neugeborenen und Säuglingen vorliegen, basieren Empfehlungen zumeist auf persönlichen Erfahrungen, kulturell geprägten Traditionen oder Mythen.

Garcia Bartels et al. untersuchten in zwei monozentrischen, prospektiven, randomisierten, kontrollierten klinischen Studien mit standardisierten Verfahren und nicht invasiven Messmethoden erstmals den Einfluss von gängigen Pflegeroutinen auf die Hautbarrierefunktion an verschiedenen Körperstellen, den Hautzustand und die Häufigkeit von Windeldermatitis bei gesunden Neugeborenen und Säuglingen über die ersten vier bzw. acht Lebenswochen [6] [7].

Baden und Waschen im Vergleich

In der ersten Studie wurde der Einfluss von Baden gegenüber dem Waschen mit einem Waschlappen auf die Hautbarrierefunktion überprüft [6]. Dafür wurden 57 gesunde, reifgeborene Neugeborene (Vollendung der 37. SSW), Alter < 48 h, in zwei Gruppen randomisiert und ab dem 7. Lebenstag über einen Zeitraum von vier Wochen unter standardisierten Bedingungen zweimal wöchentlich in klarem Wasser gebadet oder mit einem Waschlappen und klarem Wasser gewaschen. Regelmäßige Messungen von funktionalen, hautphysiologischen Parametern wie TEWL, SCH, pH-Wert und Sebum erfolgten an Tag 2, 7 und 28 [6]. Die Messungen wurden mit Abstand von 12 Stunden nach der letzten Hautpflegemaßnahme oder Reinigung vorgenommen, um kurzzeitige Schwankungen der Barrierefunktion auszuschließen [8]. Da die Hautfunktion je nach Körperstelle variiert [9], wurden mit Stirn, Abdomen, Oberschenkel und Gesäß verschiedene Körperregionen berücksichtigt.

Gebadete Neugeborene wiesen einen signifikant höheren SCH an Stirn (p = 0,032) und Bauch (p = 0,018) und einen niedrigeren TEWL am Gesäß (p = 0,004) auf, verglichen mit den Probanden, die im selben Zeitraum mit einem Waschlappen gewaschen wurden. pH-Wert und Sebumlevel waren in beiden Gruppen vergleichbar [6].

Grundsätzlich zeigte sich in beiden Gruppen im betrachteten Zeitraum eine physiologische, dynamische Anpassung der Hautfunktion in den beobachteten Körperregionen postnatal. Keine der beiden Pflegeroutinen führte zu pathologischen Hautveränderungen oder hatte einen negativen Einfluss auf die Hautreifung in den ersten vier Lebenswochen. Die Häufigkeit von Windeldermatitiden war gering und in den Gruppen vergleichbar [6]. Da sich das Baden im Vergleich zum Waschen an zwei Körperregionen etwas positiver auf den Feuchtigkeitsgehalt und den TEWL am Gesäß auswirkte, kann man aus hautphysiologischer Sicht das zweimal wöchentliche Baden von Neugeborenen ab dem 7. Lebenstag empfehlen.

Einsatz von Pflegeprodukten in den ersten Lebenswochen

In einer weiteren Studie wurden erstmalig der Einfluss einer Anwendung von Babypflegeprodukten auf die Anpassung der Hautschutzbarriere über 8 Wochen standardisiert untersucht [7]. 64 gesunde, reifgeborene Neugeborene (Vollendung der 37. SSW), < 48 h, wurden randomisiert vier Gruppen zugeteilt. Alle wurden über 8 Wochen hinweg ab dem 7. Lebenstag unter standardisierten Bedingungen zweimal wöchentlich gebadet.

  • Gruppe 1 wurde mit Babybadezusatz gebadet.

  • Gruppe 2 wurde mit klarem Wasser gebadet und anschließend mit einer Babypflegecreme eingecremt.

  • Gruppe 3 wurde mit Babybadezusatz gebadet und mit Babypflegecreme eingecremt.

  • Gruppe 4 wurde nur mit klarem Wasser gebadet und nicht eingecremt.

Messungen von hautphysiologischen Parametern TEWL, SCH, pH-Wert und Sebumlevel wurden zur Charakterisierung der Barrierefunktion am 2. Lebenstag, in Woche 2, 4 und 8 an Stirn, Abdomen, Oberschenkel und Gesäß vorgenommen.

Die Neugeborenen, bei denen ein Badezusatz und bzw. oder eine Pflegecreme eingesetzt wurden, wiesen einen signifikant niedrigeren TEWL an Stirn, Bauch und Beinen sowie eine signifikant höhere SCH an Stirn und Bauch auf als die Gruppe, die nur in klarem Wasser gebadet wurde. Gruppe 1, die mit einem Badezusatz gebadet wurde, wies eine signifikant stärkere Abnahme des pH-Wertes nach 8 Wochen an allen Messorten auf, verglichen mit einer ausschließlichen Verwendung von klarem Wasser. Das Sebumlevel an Stirn und Abdomen war in allen vier Gruppen vergleichbar.

Der klinische Hautzustand an den Messorten war in allen Gruppen normal und zeigte keine pathologischen Werte. Das Auftreten von Windeldermatitiden war gering und ebenso wie der Nachweis von mikrobieller Besiedlung im Nabelbereich unbeeinflusst von der Art des Pflegeregimes. Das zweimal wöchentliche Baden mit Einsatz von Babypflegeprodukten wie ein Babybadezusatz und die zusätzliche oder ausschließliche Anwendung einer Babypflegecreme schadeten der postnatalen Entwicklung der Hautbarrierefunktion nicht [7].

Schlussbemerkungen

Jede Pflegeroutine hat Einfluss auf die biophysikalischen Eigenschaften der Hautfunktion. Entscheidend ist, dass die Hautreifung nicht negativ beeinflusst, sondern im Idealfall unterstützt wird. Deshalb sollten bei gesunden Neugeborenen und Säuglingen standardisierte Pflegeregime empfohlen und eingesetzt werden, die der Entwicklung der natürlichen Hautschutzbarriere von Neugeborenen und Säuglingen nicht schaden [6] [7].

Aus den aktuellen Studien sowie den Ergebnissen eines Europäischen Roundtable von Dermatologen und Pädiatern [10] lassen sich evidenzgestützte Empfehlungen zur Pflege der gesunden Säuglingshaut ableiten ([Tab. 1]). Diese können Dermatologen und Pädiatern eine Orientierung für die Beratung der Eltern geben.

Tab. 1 Pflegeempfehlungen für Neugeborene und Säuglinge.
Zeitpunkt Nach der Geburt 1. – 7. Lebenstag > 7. Lebenstag
Dauer 2 – 3 Minuten 5 Minuten 5 – 10 Minuten
Baden/
Waschen
Waschen mit Waschlappen Waschen mit Waschlappen Baden, alternativ:
Waschen mit Waschlappen
Pflegefrequenz Einmalig 2 × pro Woche 2 × pro Woche
Wassertemperatur 37 – 38 C ° 37 – 38 C ° 37 – 38 C °
Raumtemperatur > 22 C ° > 22 C ° > 22 C °
Badezusatz Keiner Keiner Mild, speziell für Babyhaut
Pflegecreme Keine Keine Mild, streichfähig, speziell für Babyhaut

In Zukunft sollten weitere wissenschaftliche Studien die Auswirkungen der verschiedenen Pflegemöglichkeiten der gesunden Säuglingshaut ebenso wie für andere Altersgruppen untersuchen. So könnten einheitliche Pflegeempfehlungen für Säuglinge und Kleinkinder basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt werden.

Literatur

Prof. Dr. Ulrike Blume-Peytavi

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Charité-Universitätsmedizin

Charitéplatz 1
10117 Berlin

Email: crc-office@charite.de

Literatur

Prof. Dr. Ulrike Blume-Peytavi

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