Fallberichte
Fall 1
Anamnese. Die 18-jährige Patientin wurde zunächst in einer chirurgischen Klinik stationär aufgenommen
zur Abklärung blutiger Stühle, die seit einigen Wochen bestanden. Innerhalb weniger
Tage kam es zum Auftreten von Pusteln am gesamten Integument. Daraufhin erfolgte die
Verlegung der Patientin in die Hautklinik. Bei Aufnahme befand sich die Patientin
in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand.
Befunde. Hautbefund: Am gesamten Integument fanden sich disseminiert Pusteln einschließlich des Capillitiums
sowie prominent retroaurikulär rechts, im Bereich der Gingiva und perianal, welche
sich im Verlauf teilweise ulzerierten und ausdehnten.
Koloskopie: Bereits im proximalen Sigma erfolgte ein Abbruch der Untersuchung bei ausgeprägter
Entzündung und schwerer ulzeröser Kolitis mit teils sehr tiefen Ulzera. In der Histologie
der Kolonschleimhautbiopsien zeigte sich in erster Linie das Bild einer Colitis ulcerosa.
Histopathologie. An der Oberfläche zeigte sich eine leicht vorgewölbte, noch intakte, zentral blasig
vorgewölbte Epidermis mit reaktiver Akanthose und leichter Hyperkeratose, darunter
intradermal eine abszedierende Läsion mit massenhafter Anschoppung von neutrophilen
Granulozyten, wenigen Lymphozyten und Plasmazellen. Weiterhin zeigten sich ein Ödem
der Haut mit Hyperämie und prominenten Papillen sowie Reste von zu Grunde gegangenen
follikulären Strukturen und im Randbereich wiederholt Gefäße mit fibrinoider Wandnekrose.
Weitere Befunde: In der mikrobiologischen Diagnostik konnten keine pathogenen Keime nachgewiesen werden.
Auffällige Laborparameter waren unter anderem eine CRP-Erhöhung von 18,4 mg/dl, eine
Leukozytose von 13,2/nl sowie ein erniedrigtes Hämoglobin von 9,0 g/dl.
Diagnose. Pyoderma gangraenosum, pustulöser Typ.
Therapie und Verlauf. Wir leiteten zunächst eine systemische Antibiose ein, zusätzlich erfolgte eine systemische
Steroidtherapie mit initial Solu-Decortin H 100 mg i. v. Lokal behandelten wir mit
antiseptischen Externa, eine größere abszedierte Hautveränderung retroaurikulär rechts
wurde mittels Inzision entlastet und mit Polividon-Iod-Lösung gespült.
Nach vier Tagen erfolgte die Verlegung in die Gastroenterologie im Hause. Dort wurde
aufgrund einer Fistel mit Abszedierung eine Omphalektomie durchgeführt. Im weiteren
Verlauf wurde eine Therapie mit Cyclosporin A begonnen, hierunter waren die pustulösen
und abzedierenden Hautveränderungen deutlich rückläufig.
Fall 2
Anamnese. Die 40-jährige Patientin befand sich initial in einer internistischen Klinik zur
Abklärung von Hämoptypsen und trockenem Husten, bestehend seit zwei Monaten. Bronchoskopisch
wurden massive granulomatöse Veränderungen des gesamten Tracheo-Bronchialsystems gesehen.
Von klinischer Seite war eine Sarkoidose differenzialdiagnostisch am wahrscheinlichsten,
obwohl die histologische Sicherung von entnommenen Proben keinen richtungsweisenden
Befund ergab. Eine offene Tuberkulose wurde ausgeschlossen. Eine hochdosierte Steroidtherapie
wurde begonnen, nach einigen Wochen schrittweise reduziert bis auf eine Dosis von
40 mg täglich. Zeitgleich traten am Unterschenkel und an der rechten Flanke schmerzhafte
knotige Hautveränderungen auf, welche rasch ulzerierten und sich vergrößerten. Anamnestisch
wurden vor 20 Jahren eosinophile Granulome im Bereich beider Oberschenkel sowie des
linken Fußes mit Radiatio behandelt.
Befunde. Hautbefund: Am rechten Oberschenkel ventral sah man ein ca. 4 × 4 cm großes Ulkus mit livid-rötlichem
Randsaum, am linken Oberschenkel ventral fand sich ein ca. 2 cm großes Ulkus. Am linken
Unterschenkel zeigte sich ein ca. 5 × 5 cm großes, livid rotes Ulkus. Am Rücken zeigte
sich ein ca. 5 × 3 cm großes Ulkus mit Randwall.
Histopathologie: In der dermatohistopathologischen Untersuchung zeigte sich eine mit neutrophilen
Granulozyten durchsetzte Epidermis, stellenweise mit Parakeratose. Es fand sich ein
kaum beteiligter subepidermaler Kollagenstreifen, unterlagernd ein massives Entzündungszellinfiltrat,
bestehend überwiegend aus intakten neutrophilen Granulozyten.
Weitere Befunde: In der mikrobiologischen Diagnostik konnten keine pathogenen Keime nachgewiesen werden.
Bei den Laborparametern zeigte sich eine Leukozytose von 23,4/nl, ein erniedrigtes
Hämoglobin von 11,0 mg/dl, eine Thrombozytose von 562/nl sowie eine Neutrophilie von
84,8 %. Das CRP war mit 13,8 mg/dl erhöht.
Diagnose. Pyoderma gangraenosum, ulzerierter Typ.
Therapie und Verlauf. Wir leiteten zunächst eine immunsuppressive Therapie ein mit 250 mg Solu-Decortin
H i. v. für zwei Tage, danach mit 100 mg täglich in absteigender Dosierung in Kombination
mit Cyclosporin A mit 5 mg/kg/KG. Bei zögerlichem Ansprechen und Befundprogredienz
entschieden wir uns für eine zusätzliche einmalige Antikörper-Gabe mit Infliximab
200 mg. Lokal kam initial Polyhexanid-Creme, zuletzt Tacrolimus 0,1 %-Salbe zum Einsatz.
Darunter konnte eine rasche Abheilungstendenz der Ulzera beobachtet werden, sodass
die Steroiddosis bei Entlassung auf Decortin H 20 mg täglich reduziert werden konnte
([Abb. 1]).
Abb. 1 Klinischer Verlauf eines ulzerienden Pyoderma gangraenosum im Bereich des Oberschenkels
nach Gabe von Infliximab (Pat. 2).
Zusätzlich erfolgte eine Reduktion der Dosierung von Cyclosporin auf 200 mg täglich
bei einem Talspiegel von 150 ng/ml.
Die Schmerztherapie wurde regelmäßig optimiert. Vor der Entlassung konnte die Einnahme
von Hydromorphonhydrochlorid 8 mg/d abgesetzt werden. Den steroidinduzierten Diabetes
behandelten wir zuletzt mit Humaninsulin 8-5-0 IE tgl. Bezüglich der radiologisch
nachgewiesenen Sarkoidose erfolgte ein Verlaufs-Thorax-CT, welches keinen Hinweis
für vergrößerte Lymphknoten ergab.
Fall 3
Anamnese und Lokalbefund. Bei einem 70-jährigen Patienten zeigte sich nach einem bullösen Erysipel am Unterschenkel
links ein chronisches Ulkus, sodass zunächst eine Mesh-Graft-Transplantation vom Oberschenkel
links erfolgte. Im Verlauf befand sich der Patient innerhalb von 18 Monaten sechsmalig
in unserer stationären Behandlung zur konservativen Therapie unter der Diagnose eines
Ulcus cruris. Zuletzt hatte das Ulkus am Unterschenkel links eine Größenausdehnung
von ca. 30 × 15 cm erreicht. Aufgrund der Therapieresistenz wurde eine Probeexzision
entnommen und eine immunsuppressive Therapie eingeleitet.
Diagnose. Pyoderma gangraenosum, vegetierender Typ.
Therapie und Verlauf. Nach Gabe von Cyclosporin A 3 mg/kg/KG und Prednisolon 20 mg/d konnte innerhalb von
wenigen Wochen eine nahezu vollständige Abheilung der Ulzeration erzielt werden.
Fall 4
Anamnese und Lokalbefund. Die 35-jährige Patientin befand sich in den letzten vier Jahren mehrfach in unserer
stationären Behandlung bei erstmalig vor fünf Jahren aufgetreten, zunächst münzgroßen,
im Verlauf an Größe zunehmenden flachen Ulzerationen mit lividem Randsaum an den Unterschenkeln
beidseits ([Abb. 2]).
Abb. 2 Vegetierendes Pyoderma gangraenosum mit flachen Ulzerationen und diskretem lividem
Randsaum am Unterschenkel (Pat. 4).
Zunächst erfolgte eine hochdosierte systemische Steroidtherapie, darunter zeigte sich
jedoch ein mangelndes Ansprechen der Ulzera.
Seit 8 Jahren wird die Patientin bei Z. n. Heroin-Abusus mit Methadon substituiert.
Nebenbefundlich besteht eine bekannte chronische Hepatitis C.
Diagnose. Pyoderma gangraenosum, vegetierender Typ.
Therapie und Verlauf. Unter einer Therapie mit zuletzt Azathioprin 75 mg und Prednisolon 40 mg waren die
Ulzera deutlich rückläufig.
Fall 5
Anamnese. Bei der 66-jährigen Patientin bestanden seit vier Jahren Ulzera an beiden Unterschenkeln,
seit einem halben Jahr waren diese zunehmend größenprogredient trotz ambulanter Therapie
mit Prednisolon 40 mg. Eine Probeexzision wurde von der Patientin abgelehnt. Weitere
Erkrankungen: arterielle Hypertonie, Z. n. Myokardinfarkt, Z. n. Apoplex, Z. n. Mamma-Karzinom,
periphere arterielle Verschlusskrankheit.
Befunde. Hautbefund: An beiden Unterschenkeln zeigten sich multiple Ulzera mit lividem Randsaum und gelblichen
Belägen, Durchmesser jeweils ca. 2 × 2 bis 4 × 4 cm, tibial links 8 × 5 cm.
Diagnose. Pyoderma gangraenosum, vegetierender Typ.
Therapie und Verlauf. Die Therapie erfolgte mit Azathioprin 100 mg/d und Prednisolon 30 mg/d für 3 Wochen.
Weiterhin wurde eine operative Deckung mittels Meshgraft-Transplantat vom linken Oberschenkel
durchgeführt. Postoperativ zeigte sich eine Anheilung des Transplantates nur am linken
Unterschenkel.
Fall 6
Anamnese. Die 62-jährige Patientin berichtete bei Vorstellung über akut aufgetretene Fieberschübe
bis 39,0 ° C mit begleitenden Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Lymphknotenschwellung
nach Besuch eines Badesees. Im Verlauf traten disseminiert Erytheme an Schultern und
Rücken auf, welche sich auf Arme und Beine ausbreiteten mit begleitend leichtem Juckreiz
und zeitweise Schmerzhaftigkeit der Effloreszenzen. Ferner gab die Patientin Abgeschlagenheit
und Nachtschweiß an.
Befunde. Hautbefund: Am oberen Rücken, an den Streckseiten der Arme beidseits und vereinzelt am Dekolleté
sowie am unteren Rücken zeigten sich infiltrierte sukkulente erythematöse Plaques
mit teilweise klarer Sekretion und Pseudobläschenbildung. Auch an den Oberschenkeln
beidseits fanden sich einzelne erythematöse Plaques. Zervikal zeigten sich beidseits
geschwollene Lymphknoten bei insgesamt deutlich reduziertem Allgemeinzustand.
Weitere Befunde: Im Rahmen des Routinelabors fielen folgende Parameter pathologisch aus: Erythrozyten
3,93/pl, Hämoglobin 11,7 g/dl, Hämatokrit 34,3 %, Thrombozyten 574/nl, Lymphozyten
22,7 %, Neutrophile 73,8 %, Eosinophile 0,2 %.
Blutsenkung > 120 mm/h. CRP 11,5 mg/dl.
Diagnose. Sweet-Syndrom bei Infekt der oberen Atemwege.
Therapie und Verlauf. Wir behandelten systemisch mit Steroiden, initial Prednisolon 50 mg p. o. mit Dosisreduktion
im weiteren Verlauf, sowie ergänzend mit lokalen Steroiden. Unter dieser Therapie
zeigte sich rasch ein deutlicher Rückgang der Effloreszenzen. Laborchemisch zeigten
sich die initial erhöhten Entzündungsparameter bereits nach wenigen Tagen rückläufig.
Fall 7
Anamnese. Bei der stationären Aufnahme berichtete die 59-jährige Patientin über seit einer
Woche bestehende Halsschmerzen mit Lymphknotenschwellung. Aufgrund dieser Symptomatik
wurde Aspirin® über mehrere Tage eingenommen. Nach vier Tagen kam es zum Auftreten von rötlichen
Plaques an den Händen mit zügiger Progression. Am Tag vor der Aufnahme zeigte sich
eine Druckdolenz der Knoten mit Nekrosenbildung an der linken Hand und Bewegungseinschränkung.
Weiter berichtete die Patientin über Gelenkbeschwerden in BWS, LWS und im Hüftgelenk
sowie Schüttelfrost und Abgeschlagenheit.
Befunde. Hautbefund: An Gesicht und Rücken sowie an den Händen beidseits fanden sich unterschiedlich große
erythematöse, indurierte und scharf begrenzte Knoten. An den Unterschenkeln beidseits
sah man kleine, erythematöse Papeln. An der linken Hand fand sich zusätzlich eine
etwa 2 cm große livide Plaque mit Bewegungseinschränkung der Hand.
Histopathologie: Unterhalb der Epidermis fand sich ein von perivaskulär auf das Interstitium übergreifendes
Entzündungsinfiltrat bestehend aus stabkernigen und segmentkernigen Neutrophilen sowie
Leukzytoklasie.
Weitere Befunde: Leukozyten 18,4/nl. CRP 11,8 mg/dl.
Diagnose. Sweet-Syndrom bei Infekt der oberen Atemwege DD medikamentenallergisch.
Therapie und Verlauf. Es erfolgte eine Therapie mit Prednisolon initial 100 mg p. o. mit anschließend schrittweiser
Reduktion sowie zusätzlich lokal steroidhaltigen Externa. Hierunter zeigte sich rasch
ein rückläufiger Befund.
Fall 8
Anamnese. Bei der 54-jährigen Patientin waren eine Woche vor der stationären Aufnahme schmerzhafte
entzündliche Hautveränderungen an den Unterschenkeln beidseits sowie am rechten Unterarm
mit rascher Größenprogredienz aufgetreten, am Unterschenkel rechts auch Blasenbildung.
In den vorangehenden Tagen bestanden zudem Gelenkschmerzen und Fieber.
Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich die Patientin schon einmal mit ähnlichen Beschwerden
vorgestellt, damals wurde ebenfalls die Verdachtsdiagnose eines Sweet-Syndroms gestellt.
Befunde. Hautbefund: Am rechten Unterschenkel bestand auf dem Boden einer erythematösen, randständig auch
lividen, 7 × 8 cm durchmessenden Plaque eine pralle ca. 4 × 3 cm durchmessende Blase
mit klarer Flüssigkeit. Am rechten Unterarm sowie am linken Unterschenkel zeigten
sich multiple erythematöse sukkulente, zum Teil infiltrierte, druckdolente Papeln
und Plaques sowie vereinzelt bräunliche, postinflammatorische Herde.
Histopathologie: In der Probebiopsie zeigte sich ein Ödem der papillären Dermis und ein dichtes diffuses
granulozytäres Entzündungsinfiltrat.
Weitere Befunde: CRP 2,9 mg/dl. Blutsenkung 58 mm/h.
Diagnose. Sweet-Syndrom.
Therapie und Verlauf. Nach Biopsieentnahme und steriler Blasenpunktion am rechten Unterschenkel leiteten
wir umgehend eine systemische steroidale Therapie ein mit Prednisolon 80 mg p. o.
in stufenweiser Dosisreduktion. Gleichzeitig wurde eine Therapie mit Dapson 100 mg
pro Tag p. o. begonnen. Lokal behandelten wir an den Unterschenkeln zunächst mit antiseptischen
Umschlägen im Wechsel mit lokalen Steroiden. Hierunter zeigte sich eine deutliche
Befundbesserung.
Fall 9
Anamnese. Eine 49-jährige Patientin stellte sich stationär in der HNO-Klinik vor mit rezidivierenden
Abzessen im Hals und Brustbereich. Mehrfache Inzisionen ergaben keinen Keimnachweis.
Systemisch durchgeführte Antibiosen zeigten kein Ansprechen.
Befunde. Es fanden sich multiple schmerzhafte abzedierende polsterartige Hautveränderungen
im Brust- und Halsbereich, z. T. mit erythematöser Mitbeteiligung der Kutis ([Abb. 3]). Erhöhte Temperatur bestand nicht, jedoch ausgeprägtes Krankheitsgefühl. In den
Laboruntersuchungen zeigte sich ein erhöhtes CRP und eine Paraproteinämie. Im Rahmen
der Tumorsuche konnte kein sicherer Nachweis einer myeloproliferativen Erkrankung
festgestellt werden.
Abb. 3 Abzedierende neutrophile Dermatose bei einer 49-jährigen Patientin mit Paraproteinämie
(Pat. 9).
Diagnose. Abzedierende neutrophile Dermatose.
Therapie. Es erfolgte die Inzision eines sehr schmerzhaften Abzesses im Brustbereich und Gabe
von 2 mg/kg/KG Methylprednisolon p. o. für eine Woche, dann schrittweise Dosisreduktion.
Bereits nach zwei Tagen zeigte sich eine deutliche Besserung.
Diskussion
Der Begriff Pyoderma gangraenosum wurde von Busting 1930 erstmalig eingeführt [5] und die enge Beziehung der dramatisch zerstörenden Hauterkrankung mit entzündlichen
Darmerkrankungen hergestellt. Eine weitere wichtige Beobachtung war das Pathergiephänomen
beim Pyoderma grangraenosum und daher der Rat bei aktiven Ulzera von chirurgischen
Exzisionen abzusehen. Häufig waren Minimaltraumata den ulzerierten Hautveränderungen
vorausgegangen. Auch bei drei hier beschriebenen Patienten (Pat. 3, 4, 5) ([Tab. 2]) wurden anamnestisch Minimaltraumata angegeben. Das Pathergiephänomen kann man auch
gut an den Stellen verfolgen, wo eine histologische Sicherung durch eine Probeexzision
(PE) vorgenommen wurde. Bei Pat. 1 und Pat. 2 vergrößerten sich die PE-Stellen rasch
nach der Entnahme ([Tab. 2]).
Tab. 2 Klinische Daten der behandelten Patienten mit neutrophilen Dermatosen.
Pat.Nr. |
Alter, Geschlecht |
Diagnose |
Initiale Läsion |
Lokalisation |
Assoziierte Grunderkrankung |
Stationäre Dauer (d) |
Therapie |
Therapie-ansprechen |
1 |
W, 18 |
Pyoderma gangraenosum |
Pustel |
gesamtes Integument |
Colitis ulcerosa |
25 |
Pr, CyA |
PR |
2 |
W, 40 |
Pyoderma gangraenosum |
Makula |
Oberschenkel, Unterschenkel, Rücken |
Sarkoidose |
30 |
Pr, CyA, Infliximab |
CR |
3 |
M, 70 |
Pyoderma gangraenosum |
Trauma |
Unterschenkel links |
– |
104 |
Pr, CyA |
CR |
4 |
W, 35 |
Pyoderma gangraenosum |
Makula |
Unterschenkel beidseits |
Hepatitis C |
74 |
Pr, Az |
CR |
5 |
W, 66 |
Pyoderma gangraenosum |
Makula |
Unterschenkel beidseits |
– |
62 |
Pr, Az |
PR |
6 |
W, 62 |
Sweet-Syndrom |
Makula |
Stamm, Extremitäten |
Infekt der oberen Atemwege |
7 |
Pr |
CR |
7 |
W, 59 |
Sweet-Syndrom |
Knoten |
gesamtes Ingument |
Infekt der oberen Atemwege |
10 |
Pr |
CR |
8 |
W, 54 |
Sweet-Syndrom |
Makula |
Extremitäten |
– |
7 |
Pr, Da |
CR |
9 |
W, 49 |
Abzedierende neutrophilie Dermatose |
Knoten |
Brust, Hals |
Paraproteinämie |
10 |
Pr |
CR |
Pr = Prednisolon, CyA = Cyclosporin A, Az = Azathioprin, Da = Dapson, CR = complete
remission, PR = partial remission |
Seit der Erstbeschreibung sind neben den entzündlichen Darmerkrankungen eine Reihe
von weiteren assoziierten Systemerkrankungen und Bedingungen beschrieben worden, wie
die rheumatoide Arthritis, der Lupus erythematodes, die Psoriasis arthritis, Lebererkrankungen,
Tumorerkrankungen und Medikamente [6]
[7]. Interessant ist, dass gerade die vegetierenden Varianten des Pyoderma gangraensoum
seltener eine Assoziation mit entzündlichen Systemerkrankungen aufweisen [8]
[9]
[10]. Diese Variante ist insgesamt limitiert in der Ausprägung und Progression, häufig
mit chronischem Verlauf von oberflächlichen Ulzerationen. Die Diagnose ist oft schwieriger
zu stellen, da im Gegensatz zum klassischen Pyoderma die Ulzera nicht unterminierend
sind, weniger Gefäßverschlüsse in Randbereich zeigen und damit weniger stark livide
im Ulkusrand imponieren ([Abb. 2]). Insgesamt sind die klinischen und histologischen Symptome weniger von Akuität
geprägt. Die histologischen Veränderungen zeigen neben einem dermalen Infiltrat aus
neutrophilen Granulozyten auch Lymphozyten, Plasmazellen und Fremdkörperriesenzellen.
Daher wird im Schrifttum auch der angloamerikanische Begriff „superficial granulomatous
pyoderma” verwendet [10]. Die feingeweblichen Untersuchungen sind weder bei den klassischen noch bei den
vegetierenden Formen spezifisch diagnostisch. Das klinische Krankheitsbild sowie der
Verlauf sind führend bei der differenzialdiagnostischen Einordung. Ein weiterer typischer
Vertreter der neutrophilen Dermatosen ist das Sweet-Syndrom, welches sich durch einen
plötzlichen Beginn mit Fieber, Leukozytose und erythematösen z. T. sukkulenten Plaques
auszeichnet ([Tab. 3]) [11].
Tab. 3 Diagostische Kriterien des Sweet-Syndroms.
Hauptkriterien
|
Plötzlicher Beginn mit typischen ödematösen, sukkulenten erythematösen Plaques Histologische Zeichen mit massiver Infiltration von neutrophilen Granulozyten in der
mittleren und oberen Dermis, häufig mit subepidermalen Ödem |
Nebenkriterien
|
Fieber oder Infektion Begleitendes Fieber, Arthralgie, Konjunktivitis oder maligne Erkrankung Leukozytose Gutes Ansprechen auf systemische Kortikoide und kein Ansprechen auf Antibiotika |
In mehr als 50 % der Fälle beobachtet man das Sweet-Syndrom in Assoziation mit anderen
Erkrankungen oder Bedingungen (Medikamente, Schwangerschaft) (siehe [Tab. 1]) [12]
[13]
[14]. Von der Erkrankung sind Frauen häufiger betroffen (w : m, 4 : 1), wie auch in der
hier vorgestellten Fallserie. Bei Pat. 6 und 7 sind vermutlich Streptokokkeninfekte
der oberen Atemwege mit der Ausbildung des Sweet-Syndroms assoziiert. Histologisch
findet sich beim Sweet-Syndrom meist eine eindrucksvolle dichte Infiltration von neutrophilen
Granulozyten und nur wenigen Lymphozyten, Histiozyten und eosinophilen Granulozyten.
Neutrophile Granulozyten können transepidermal migrieren und dabei subkorneale Pusteln
ausbilden. Aber auch die Subkutis kann mit meist septalen entzündlichen Infiltraten
mitbetroffen sein.
Die subkorneale Pustel ist die Leiteffloreszenz einer weiteren neutrophilen Dermatose,
der subkornealen Pustulose (Sneddon-Wilkinson) [15]. Klinisch finden sich zunächst kleine diskrete Pusteln, welche dann in weiteren
Verlauf zu konfluierenden zirzinären z. T. bizarren pustulösen Formationen werden
können. Nach einigen Tagen trocknen dann die Pusteln ein und heilen mit Krusten und
Schuppenbildung sowie typischen bräunlichen Hyperpigmentierungen ab. Episodische Verläufe
sind nicht selten. In einigen Fällen gehen die akuten Hautveränderungen auch mit einem
Pyoderma gangraenosum, entzündlichen Darmerkrankungen und IgA-Gammopathie einher [16]
[17].
Seltener als die subkorneale Pustulose sind die ekkrine Hidradenitis und die rheumatoide
neutrophile Dermatose. Die ekkrine Hidradenitis wurde erstmalig von Harrist et al.
bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie unter Polychemotherapien beschrieben
[18]. Da die schmerzhaften, erythematösen, plaqueartigen Hautveränderungen immer wieder
bei erneuten Chemotherapiezyklen auftraten, wurden als Ursachen eher die Chemotherapeutika
angesehen als die zugrunde liegenden hämatologischen Erkrankungen ([Tab. 4]).
Tab. 4 Medikamentöse Auslöser.
Medikamentöse Ursachen bei Sweet-Syndrom
|
Lithium, Furosemid, Hydralazin, Minozyklin, Imatinib, Bortezomib, Trimethprim-Sulfamethoxazol,
orale Kontrazeptiva |
Medikamentöse Ursachen bei neutrophiler ekkriner Hidradenitis
|
Bleomycin, Chlorambucil, Cyclophosamid, Cytarabin, Doxorubicin, Lomustin, Mitoxantrone,
Topotecan, Vincristin |
Zahlreiche nachfolgende Kasuistiken bestätigen diese Befunde. Am häufigsten sind die
Extremitäten betroffen. Die Erkrankung ist selbstlimitierend, daher ist eine Therapie
häufig nicht nötig. Bei jugendlichen Patienten fand sich die ekkrine neutrophile Hidradenitis
auch ohne Grunderkrankung, meist an den Fußsohlen. In den feingeweblichen Untersuchungen
fanden sich dichte Infiltrate von neutrophilen Granulozyten entlang der ekkrinen Schweißdrüsengänge.
Ob die ekkrinen Schweißdrüsen als ein weiteres Ausscheidungsorgan des Körpers bei
bestimmten Chemotherapeutika diese pathologische Entzündungsreaktion auslösen, ist
mehrfach vermutet, aber bisher nicht endgültig bewiesen worden.
Die rheumatoide neutrophile Dermatose wurde von Ackerman 1978 erstmalig beschrieben
[19]. Klinisch finden sich scharf begrenzte erythematöse bis violette Papeln und Plaques
meist symmetrisch über den Gelenken und an den Streckseiten der Extremitäten. Im Gegensatz
zu den bisher beschriebenen neutrophilen Dermatosen gehen diese Hautveränderungen
nur mit der rheumatoiden Arthritis einher und meist parallel zu akuten Symptomen einer
Gelenkentzündung. Histologisch findet sich ein dichtes Infiltrat aus neutrophilen
Granulozyten im Bereich der gesamten Dermis. Die Erkrankung ist selbstlimitierend
und dauert nur einige Tage an. Eine spezifische Therapie ist in den meisten Fällen
nicht nötig [20]
[21].
Die neutrophilen Dermatosen sind keine streng umrissene Gruppe von Erkrankungen, die
einer festen Zuordnung unterliegen. Im weiteren Sinne können auch Entitäten wie die
Pustulosen, das Erythema elevatum diutium, das Reiter-Syndrom, der Morbus Behçet und
das SAPO-Syndrom genannt werden. Eine weitere sehr seltene reaktive neutrophile Dermatose
ist die abzedierende neutrophile Dermatose [22]
[23]. Definiert sind aseptische Abzesse als tiefe sterile, meist runde Formationen, bestehend
aus neutrophilen Granulozyten, die auf Antibiotika nicht ansprechen, sich aber nach
Gabe von Kortikosteroiden dramatisch verbessern. Horiguchi u. Mitarb. beschrieben
drei Fälle, zwei mit myelodysplastischem Syndrom und einen mit IgA-Myelom [23]. Auch die hier beschriebene Patientin hatte eine Paraproteinämie ohne sicheren Nachweis
eines Myeloms oder Plasmozytoms. Innerhalb von wenigen Tagen bildeten sich neue Abzesse.
Nach Gabe von Kortikosteroiden kam es auch in diesem Fall zu einer schnellen Besserung.
Die Pathogenese der neutrophilen Dermatosen ist noch nicht klar erforscht, jedoch
ist es naheliegend, dass das pathogenetische Reaktionsmuster ähnlich ist oder sogar
ein kontinuierliches Spektrum darstellt. Neben den meist gut wirksamen Kortikosteroiden
stellt die anti-TNFα-Antikörpertherapie eine gute Ergänzung des therapeutischen Spektrums
dar, die in ihrer Wirksamkeit in den bisher dokumentierten Kasuistiken eindrucksvoll
ist ([Abb. 1]). Multizenterstudien sind hier nötig, um diese Befunde bei diesen seltenen Entitäten
zu überprüfen.