Einleitung
Acinetobacter (A.) baumannii , ein Gram-negatives, non-fermentatives Stäbchen, ist ein bedeutsamer opportunistischer
Krankheitserreger. Der Keim tritt im Krankenhausumfeld inzwischen weit verbreitet
auf und zeichnet nicht zuletzt aufgrund seiner ausgeprägten Tenazität, die seine Infektionsfähigkeit
über Wochen in der unbelebten Umgebung erhält, für eine Vielzahl nosokomialer Infektionen
verantwortlich, wobei Intensivpatienten besonders betroffen sind [1 ]. Des Weiteren kann er eine Vielzahl von Resistenzgenen tragen [2 ]. Allerdings führt A. baumannii mittlerweile auch außerhalb der Krankenhäuser zu zum Teil schwer verlaufenden Krankheitsbildern.
Bereits 2008 wurde von einer ambulant erworbenen A. baumannii -Meningitis berichtet [3 ], 2009 von schwer und teilweise tödlich verlaufenden ambulant erworbenen Pneumonien
im pazifischen Raum [4 ]. Ausbrüche, die durch Carbapenem-resistente A. baumannii -Stämme verursacht werden, wurden bisher in Deutschland im Vergleich zum internationalen
Ausland noch selten beschrieben. Wir schildern Nachweis und Management eines Ausbruchs
durch einen multiresistenten A. baumannii -Klon auf der neurologischen Intensivstation des Universitätsklinikums Rostock mit
mehrheitlich respiratorischer Symptomatik bei den Betroffenen. Die notwendigen Hygienemaßnahmen
werden dabei am konkreten Beispiel anschaulich und praxisnah dargestellt.
Material und Methoden
Kurzcharakterisierung von Patienten und Ausbruchsgeschehen
Im Verlauf des Ausbruchs konnte multiresistenter A. baumannii in Proben von sieben Patienten der kleinen, aus drei überwiegend als Zweibettzimmer
genutzten Patientenzimmern bestehenden neurologischen Intensivstation nachgewiesen
werden. Alle infizierten oder kolonisierten Patienten erfüllten die Definition der
nosokomialen Keimübertragung, nämlich den Erregernachweis erst nach mehr als 48 Stunden
nach Aufnahme ins Krankenhaus. Das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen, das Durchschnittsalter
lag bei 70 Jahren, die häufigste Aufnahmediagnose war Apoplex ([Tab. 1 ]). Häufige funktionelle Defizite waren Paresen (3 × linksseitige und 2 × rechtsseitige
Hemiparese, 2 × Tetraparese), Dysphagie (6 ×), Vigilanzminderung (6 ×), Dysarthrie
(4 ×), Hemineglekt (3 ×), motorische Dysphasie (2 ×), Hemianopsie (1 ×) und initiales
Erbrechen (1 ×). Wichtige internistische Risikofaktoren waren Herzinsuffizienz (4 ×),
Diabetes mellitus (2 ×) und COPD (2 ×). Vor Nachweis der multiresistenten A. baumannii -Isolate waren die Patienten ausnahmslos mit Antibiotika und zum Teil auch Antimykotika
über 4 bis 15 Tage therapiert worden. Die häufigsten eingesetzten Substanzen und Kombinationen
waren Ceftriaxon und Metronidazol (6 ×), Fluconazol (3 ×), Imipenem (2 ×), Ciprofloxacin
(1 ×), Clarithromycin (1 ×), Ceftazidim und Levofloxacin (1 ×) sowie Imipenem, Vancomycin
und Rifampicin (1 ×).
Tab. 1 Patientenbezogene Daten, die während des Acinetobacter baumannii -Ausbruchs gesammelt wurden.
Patient (Nr.)
Geschlecht
Alter
Aufnahme-diagnose
Dauer (in Tagen) bis zum Keimnachweis nach der A. baumannii -Erstisolation vom Indexpatienten
A. baumannii -positive Patientenproben
Klinisch dominierende Infektion versus Kolonisation
Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation (in Tagen)/klinisches Outcome
1
männlich
55
Apoplex
– 46 (früherer Krankenhausaufenthalt)
Trachealsekret
Aspirationspneumonie
9/Pneumonie gebessert, Verlegung auf Normalstation innerhalb der Klinik
+ 18
broncho-alveoläre Lavage
2
männlich
69
Apoplex
+ 16
broncho-alveoläre Lavage
Aspirationspneumonie
27/Pneumonie gebessert, Verlegung unter mechanischer Beatmung in die Rehabilitationsklinik
3
männlich
80
Apoplex
+ 19
broncho-alveoläre Lavage
Aspirationspneumonie
30/Pneumonie gebessert, Verlegung unter mechanischer Beatmung in die Rehabilitationsklinik
4
männlich
80
Apoplex
+ 31
Trachealsekret
Pneumonie
53/Pneumonie gebessert, bei suffizienter Spontanatmung Verlegung in die Rehabilitationsklinik
+ 33
broncho-alveoläre Lavage
+ 57
Hauteffloreszenzen der Hoden
+ 59
Hauteffloreszenzen der Hoden
+ 61
Trachealsekret
+ 63
Trachealsekret
+ 63
Wangenschleimhautabstrich
+ 73
Trachealsekret
+ 73
Hodenabstrich
5
weiblich
78
Apoplex
+ 39
Trachealsekret
Aspirationspneumonie
66/Pneumonie gebessert, Tetraplegie, bei suffizienter Spontanatmung Verlegung ins
Pflegeheim
+ 63
PEG
+ 66
Trachealsekret
6
weiblich
73
intrazerebrale Blutung
+ 97
entzündlich gerötete Hautfalte
Kolonisation
26/Pneumonie gebessert, bei suffizienter Spontanatmung Verlegung in die Rehabilitationsklinik
+ 101
Trachealsekret
7
weiblich
52
Apoplex
+ 104
Trachealsekret
Pneumonie
49/Pneumonie gebessert, Verlegung unter mechanischer Beatmung in die Rehabilitationsklinik
+ 105
Zentrale Blutkultur (Sepsis?)
+ 113
Zentrale Blutkultur (Sepsis?)
+ 114
zentralvenöser Katheter (Sepsis?)
+ 132
Urin
+ 136
zentralvenöser Katheter (Sepsis?)
+ 142
Trachealsekret
Die Nummerierung der Ausbruchstage wurde retrospektiv mit dem Aufnahmetag des ersten
A. baumannii tragenden Patienten (Index-Patient) begonnen. Mit Entlassung des letzten betroffenen
Patienten wurde das Geschehen als beendet angesehen.
A. baumannii konnte aus Trachealsekret, bronchoalveolärer Lavage-Spülflüssigkeit, von Wangenschleimhaut-
und Hautabstrichen, aus vesikulären Hauteffloreszenzen im Bereich der Hoden, an zentralen
Venenkathetern und PEG-Sonden sowie aus Urinproben und Blutkulturen nachgewiesen werden
([Tab. 1 ]). Die Erreger wurden teils in Reinkultur, teils in wechselnder Zusammensetzung mit
anderen Gram-positiven und Gram-negativen Pathogenen sowie Keimen der Standortflora
nachgewiesen. A. baumannii war als Leitkeim quantitativ führend. Ein typisches Muster in der Erregerzusammensetzung
ließ sich nicht aufzeigen und die Begleitflora wurde unter adäquater antibiotischer
Therapie regelmäßig zügig eradiziert.
Alle betroffenen Patienten wurden in den drei Patientenzimmern der neurologischen
Intensivstation behandelt. Die Erstisolation der Acinetobacter -Stämme erfolgte bei fünf der sieben Patienten im ersten der drei Patientenzimmer,
während bei den verbliebenen zwei Betroffenen der Erstnachweis des Keims bereits vor
Aufnahme auf die Intensivstation erfolgte. Die bei einigen Patienten nachweisbaren
Lücken in den Liegezeiten auf der Neurointensivstation ([Abb. 1 ]) erklären sich durch Zeiten, die sie aus medizinischer Indikation auf anderen (Intensiv-)Stationen
zubrachten. Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation entsprach jeweils nicht der
Gesamtaufenthaltszeit des Patienten im Krankenhaus. Zwischen den Patienten überlappende
Liegezeiten entsprachen Zeiträumen, in denen Übertragungsereignisse stattgefunden
haben könnten bzw. in denen eine Kohortenisolierung durchgeführt wurde. Letzteres
erfolgte zeitweise in den Räumen eins und drei ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Schematische Darstellung der Liegezeiten der A. baumannii -positiven Patienten in den drei Räumen der Intensivstation. Horizontale Balken zeigen
die kontinuierliche oder diskontinuierliche Anwesenheit der A. baumannii -positiven Patienten 1 – 7 in den Räumen I bis III entsprechend des Zeitstrahls auf
der Abszisse. Die Räume I bis III sind durch horizontale Linien getrennt, lange vertikale
Linien kennzeichnen die Zeitpunkte der Ausbruchsuntersuchungen, kurze vertikale Linien
die Zeitpunkte der A. baumannii -Erstisolationen bei den einzelnen Patienten, sofern diese auf der Intensivstation
erfolgten.
Bei sechs von sieben Patienten konnte die Diagnose einer Aspirationspneumonie (in
vier von sechs Fällen) oder Pneumonie gesichert werden [5 ], die sich umgekehrt mit den in typischer Lokalisation nachweisbaren A. baumannii -Stämmen in Verbindung bringen ließen ([Tab. 1 ]). Das Vorhandensein einer Pneumonie wurde bei Nachweis von 3 der folgenden Variablen
als gesichert angenommen: Fieber (Körperkerntemperatur > 38 °C), produktiver Husten
mit eitrigem Sputum, pathologischer auskultatorischer Befund in der körperlichen Untersuchung
(Tachypnoe > 22/Min., Tachykardie, inspiratorisches Rasseln, Bronchialatmen), pathologische
Röntgenbefunde des Thorax, eine neu aufgetretene arterielle Hypoxämie (pO2 < 70 mm Hg) sowie die Isolation eines lungenpathogenen Erregers in Gram-Färbung und
Kultur. Keimzahlen zwischen 104 und 106 Keimen pro ml wurden als relevant angesehen. Die Diagnose einer Aspirationspneumonie
wurde gestellt, wenn darüber hinaus eine neurogene Dysphagie oder eine Vigilanzminderung
vorlagen [6 ].
Die durchschnittliche Behandlungszeit auf der Intensivstation lag bei 37 Tagen (9
bis 66 Tage). Sechs der sieben Patienten mussten invasiv beatmet werden, wobei 2 Patienten
nach 17 bzw. 22 Tagen wieder selbstständig atmen konnten, während die anderen 4 mit
Heimbeatmung entlassen werden mussten.
Die Patienten wurden mit einer Kombination aus systemischem und inhalativem Colistin
behandelt. Die Therapiedauer variierte zwischen 7 und 12 Tagen. Die Tagestherapiedosis
wurde auf 2 × 1 Million Einheiten festgelegt. Kombinationstherapien mit anderen Antibiotikagruppen
erfolgten nicht, zumal mit dem Micronaut-S-System zur Messung minimaler Hemmkonzentrationen
(MHK) (Merlin, Bornheim-Hersel) keine Hinweise auf positive Synergieeffekte nachweisbar
waren. Bei dem kolonisierten Patienten wurde das Colistin im Sinne eines Sanierungsversuchs
appliziert, um angesichts der schweren Grunderkrankung das Infektionsrisiko zu minimieren.
Unter Therapie kam es zu einer Unterdrückung des Keimwachstums, nachweisbar durch
einen nur noch gelegentlichen kulturellen Nachweis von A. baumannii aus respiratorischen Proben in geringer Keimzahl. Eine klinisch relevante Nephro-
oder Neurotoxizität als unerwünschte Wirkung der Colistintherapie wurde nicht beobachtet.
Verschiedene klinisch und/oder mikrobiologisch belegte Rückfälle nach Absetzen der
antibiotischen Therapie deuten jedoch auf eine nur unvollständige Eradikation der
Keime unter Therapie hin. Dies steht im Einklang mit der nur bakteriostatischen Wirksamkeit
des Colistins bzw. der ungenügenden Anreicherung des Medikaments in und auf den Schleimhäuten
der Atemwege [7 ].
Nach Stabilisierung ihrer Vitalfunktionen wurden die Patienten in Rehabilitationskliniken
verlegt, sodass der weitere Verlauf ihrer A. baumannii -Kolonisation nicht weiter verfolgt werden konnte. Mit Entlassung der siebten Patientin
wurde der Ausbruch am Tag 145 nach dem ersten Nachweis des Stamms im Rahmen dieses
Ausbruchs für beendet erklärt.
Ausbruchsuntersuchung und eingeleitete Hygienemaßnahmen
Ein Anfangsverdacht hinsichtlich eines nosokomialen Zusammenhangs zwischen den zeitlich
assoziiert erfolgten A. baumannii -Infektionen zweier Patienten auf der neurologischen Intensivstation kam erstmals
am retrospektiv identifizierten Ausbruchstag 24 im mikrobiologischen Routinelabor
auf. Als am darauffolgenden Tag ein weiterer multiresistenter Stamm bei einem dritten
Patienten nachgewiesen werden konnte, wurde eine Ausbruchsuntersuchung eingeleitet.
Unter Verwendung von 24 cm² messenden „RODACTM ”-Abklatschplatten (BD, Franklin Lakes, NJ, USA) wurden im Verlauf der Untersuchung
37 Oberflächenproben genommen. Die Analyse umfasste die Oberflächen von medizinischen
Geräten, persönlichen Bedarfsgegenständen der Patienten und der Zimmereinrichtung
([Tab. 2 ]). Die Umgebungsuntersuchung wurde am Tag 68 wiederholt, nachdem die Einhaltung adäquater
Hygienevorschriften für die Patientenumgebung durchgesetzt worden war.
Die Patientenisolierung in Einzelzimmer war die bevorzugte Maßnahme, jedoch aus Platzgründen
nicht immer umsetzbar ([Abb. 1 ]). Als Alternativlösung erfolgte in solchen Fällen eine konsequente Barrierepflege
in Kombination mit strenger Beachtung der nachfolgend beschriebenen Standardhygienemaßnahmen.
Patientenassoziierte Instrumente wie Stethoskope, Monitore und Reflexhämmer wurden
unmittelbar nach Benutzung oder potenzieller Kontamination mit Einmaltüchern von einer
Fliesrolle desinfiziert, die zuvor nach Herstellerangaben mit dem Propanolol- und
Ethanol-haltigen Desinfektionsmittel Bacillol AF (Bode, Hamburg) oder dem Benzalkoniumchlorid-
und Glukoprotamin-haltigen Incidin Extra N (Ecolab, Düsseldorf) (beide RKI-gelistet)
getränkt worden waren.
Die Bedeutung der hygienischen Händedesinfektion mit alkoholbasierten Desinfektionsmitteln
wurde besonders betont und die korrekte Durchführung mit den Hygienefachkräften wiederholt
trainiert. Körpernah anzuwendende Kleingeräte wie Thermometer und Stauschläuche wurden
patientengebunden eingesetzt. Die Mundpflegesets der Patienten wurden täglich in einer
funktionskontrollierten Spülmaschine gereinigt. Ergänzend wurde ein, wenn auch nicht
validiertes, Routinescreening auf A. baumannii aus Trachealsekret von neu aufgenommenen Patienten aus Rehabilitationskliniken und
Pflegeheimen implementiert. Auf ein Personalscreening wurde aus rechtlichen und praktischen
Erwägungen verzichtet.
Kultur, Keimidentifzierung, Empfindlichkeitstestung und molekulare Typisierung
Alle Proben wurde auf mit 5 % Schafblut angereichertem Columbia-Agar (BD, Franklin
Lakes, NJ, USA) ausgestrichen und bei 36 ± 1 °C für 48 Stunden inkubiert. Die Keimidentifizierung
erfolgte mit den Identifikationskarten für Gram-negative Keime des automatischen VITEK-II-Systems
(bioMérieux, Nürtingen) in Kombination mit einer 16S rDNA-Sequenzierung unter Verwendung
der Primer AGAGTTTGATCMTGGCTCAG und CCGTCAATTCMTTTRAGTTT (Base 1 – 917 des 16S rDNA-Gens,
NCBI-Zugriffscode NC_009 085.1) zur Abgrenzung von den Genomospezies 3 und 13TU.
Die Empfindlichkeitstestung wurde mit den n062-Karten des VITEX-II-Systems (Ampicillin ± Sulbactam,
Piperacillin ± Tazobactam, Cefuroxim, Cefotaxim, Cefpodoxim, Ceftazidim, Imipenem,
Meropenem, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Gentamicin, Tobramycin, Tetracyclin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol)
in Kombination mit E-Tests (AB Biodisk, bioMérieux) (Tigecyclin, MIC < 2,0 µg/ml;
Doripenem, MIC < 1,0 µg/ml), Plättchendiffusionstests auf Müller-Hinton-Agar (BD)
(Colistin (Cl-10), 10 µg, ≥ 11 mm; Cefepim (FEP-30), 30 µg, ≥ 18 mm, Ertapenem (ETP-10),
10 µg, ≥ 19 mm) und dem Micronaut-S-System zur Messung minimaler Hemmkonzentrationen
(MHK) (Merlin, Bornheim-Hersel) (Amikacin ≤ 4 µg/ml, Moxifloxacin ≤ 1 µg/ml, Fosfomycin
≤ 32 µg/ml, Aztreonam ≤ 2 µg/ml) durchgeführt. Für jedes Verfahren sind die Grenzwerte
für die Sensibilität gegenüber dem jeweiligen Antibiotikum in Klammern angegeben.
Eine molekulare Charakterisierung der Resistenzgene wurde nicht durchgeführt.
Alle zum Ausbruch gehörenden Isolate wurden mittels Pulsfeldgelektrophorese (PFGE)
nach vorbeschriebenen Protokollen [8 ]
[9 ] unter Verwendung der Restriktionsendonuklease ApaI (Fermentas, St. Leon-Rot, Germany)
auf klonale Identität untersucht. Vier Stämme wurden anschließend für die Multilokus-Sequenztypisierung
(MLST) ausgewählt [10 ]
[11 ]. Die resultierenden Sequenzdaten wurden mittels BLAST-Analyse mit allelischen Sequenzen
der „pubMLST”-Datenbank (http://pubmlst.org/abaumannii/) verglichen.
Ergebnisse
A. baumannii konnte aus 13 von 37 (35 %) Proben der ersten Ausbruchsuntersuchung kultiviert werden
([Tab. 2 ]). Im Gegensatz dazu gelang im Verlauf der zweiten Umgebungsuntersuchung kein weiterer
Nachweis vitaler A. baumannii -Isolate. Bemerkenswerterweise konnte A. baumannii auch nicht aus Screeningproben von drei bekannten Kontaktpatienten der betroffenen
Patienten vier und sechs angezüchtet werden.
Tab. 2 Liste der Gegenstände, die während der Ausbruchsuntersuchungen durch Abstrich- und
Kulturtechniken untersucht wurden. In Fettdruck : Gegenstände, die mit multiresistentem Acinetobacter baumannii kontaminiert waren.
Medizinische Geräte:
automatische Endoskopwaschanlagen automatische Injektoren Blutgasmessgeräte und Blutzuckermessgeräte
Beatmungsgeräte
Bedienflächen an automatischen Betten
Bettgestelle
Computertastaturen, -mäuse und Monitore
Desinfektionsmittelflaschen
Ernährungspumpen Handschuhsammelboxen nicht-sterile Spülbeutel
Reflexhämmer Spritzenkästen Stablampen
Stethoskope
Urinbeutel
Zangen
Persönliche Gebrauchsgegenstände der Patienten:
Behälter für Zahnprothesen
Cremetuben und Flaschen Mundpflegesets
Rasierschaum
Einrichtungsgegenstände:
automatische Türöffner und Lichtschalter Glastüren Türgriffe Schreibpulte Telefone Wasserhähne
Waschbecken
Die PFGE-Untersuchung legte die klonale Identität der Patienten-assoziierten Isolate
mit den Umweltisolaten offen ([Abb. 2 ]). Entsprechend waren auch alle von den Patienten und aus der Umwelt isolierten A. baumannii -Stämme unter 24 getesteten Antibiotika nur gegen Colistin sensibel. Die parallel
durchgeführte PFGE-Analyse von multiresistenten A. baumannii -Isolaten, die zwischen 2006 und 2009 am Klinikum gesammelt worden waren, zeigte,
dass der Ausbruchsklon 2006 zuerst nachgewiesen wurde und seither am Universitätsklinikum
Rostock wiederholt auftauchte. Auch vor dem Ausbruch wurde dieser Klon sporadisch
in Proben chirurgischer und internistischer Intensivpatienten nachgewiesen. Seit Ende
des Ausbruchs konnte der Klon acht weitere Male aus Proben einzelner Patienten neurologischer
und internistischer Intensivstationen nachgewiesen werden.
Abb. 2 PFGE-Analyse der Ausbruchsisolate und einiger Referenzstämme (Bahnen 1 + 30: DNA-Massenstandards
(je 48,5 kb Distanz), Bahnen 2 – 5: multiresistente Isolate ohne Assoziation zu dem
Ausbruchsgeschehen, Bahnen 6 – 29: multiresistente Isolate mit Assoziation zu dem
Ausbruch).
Nach Auswertung der PFGE-Analyse lag die Identität der Ausbruchsisolate zwischen 96
und 100 % und damit oberhalb der 95 %-Grenze, die für die laborinterne Identifizierung
von Ausbruchsklonen definiert ist [5 ]. In der MLST zeigten die untersuchten Ausbruchsstämme einheitlich und reproduzierbar
folgendes allelisches Muster: gltA Variante 1 (identisch), gyrB Variante 3 (identisch), gdhB Variante 3 (identisch), recA Variante 2 (neun Fehlpaarungen innerhalb eines Fragments über 371 Basenpaare), cpn60 Variante 2 (zwei Fehlpaarungen innerhalb eines Fragments über 421 Basenpaare), gpi Variante 10 (identisch), rpoD Variante 3 (identisch). Der Klon war in der Datenbank noch nicht geführt und wurde
entsprechend als neu angesehen. Die Sequenztypen ST22 und ST53, die zu keinem definierten
klonalen Cluster zugerechnet werden, zeigten zu unserem Stamm die engste Übereinstimmung
mit jeweils einer Abweichung im MLST-Profil.
Diskussion
Nonfermentative Stäbe wie A. baumannii gehören zu den quantitativ bedeutsamsten Pneumonieerregern. Wichtige Risikofaktoren
für die Akquirierung von Nonfermenter-assoziierten Pneumonien, wie sie am Beispiel
von Lebertransplantierten beschrieben wurden, sind höhergradige Enzephalopathien,
prolongierte endotracheale Intubationszeiten, das Vorhandensein eines Tracheostomas
und Reoperationen im Krankheitsverlauf [12 ]. Zum Risikokollektiv für die Entwicklung nosokomialer Pneumonien gehören Patienten
mit Krankenhausaufenthalten über 2 oder mehr Tage in den vergangenen 90 Tagen, Bewohner
von Pflegeeinrichtungen, Patienten nach vorausgegangener antibiotischer oder Chemotherapie
sowie Wundversorgung innerhalb der letzten 30 Tage und aktuell aus Krankenhäusern
oder Dialyseeinrichtungen zuverlegte Patienten [13 ]. Als typische Risikofaktoren für die Akquirierung speziell multiresistenter Erreger
gelten kurz zurückliegende Krankenhausaufenthalte, Unterbringungen in Pflegeheimen,
Hämodialysebehandlungen und Aufenthalte auf Intensivstationen [14 ]. Als Faktoren für die Entwicklung A. baumannii -assoziierter Bakteriämien schließlich werden vorausgegangene ventilationsassoziierte
Pneumonien und eine hohe Zahl invasiver Fremdkörper angesehen [15 ].
Die A. baumannii zuschreibbare Mortalität wurde im direkten Vergleich von infizierten und kolonisierten
Patienten als nur gering eingeschätzt. Allerdings verschlechtern Aufenthalte auf Intensivstationen
sowie der Nachweis von Pneumonien oder Bakteriämien die Prognose der Betroffenen [16 ]. Auch findet sich kein Unterschied in der Mortalität von A. baumannii -assoziierten Bakteriämien mit oder ohne Carbapenem-Resistenz der Erreger [15 ]. Die Mortalität bei Patienten mit Nachweis von A. baumannii wird durch Faktoren wie lange Krankenhaus- und Intensivstationsaufenthalte, Intubationsbedarf,
den vermehrten Einsatz invasiver Fremdkörper sowie den Nachweis einer fokalen oder
generalisierten Infektion erhöht [17 ].
Unsere Arbeit fügt sich in eine wachsende Zahl von Berichten über nosokomiale Infektionen
durch multiresistenten A. baumannii ein [18 ]
[19 ]
[20 ]
[21 ]. Nach unserer Datenlage steht zweifelsfrei fest, dass der neue A. baumannii -Stamm bereits vor und auch nach dem Ausbruch gelegentlich an unserem Klinikum vorkam.
Eine Typisierung wurde in den Vorjahren jedoch nicht vorgenommen, da es sich bei den
damaligen Isolationen lediglich um Einzelfälle handelte, die keine Ausbruchs- bzw.
Umgebungsuntersuchung erforderlich machten. Nicht zu klären ist die Frage, ob der
Stamm an nicht-lebenden oder lebenden Quellen innerhalb des Krankenhauses kontinuierlich
persistierte oder wiederholt von außerhalb eingebracht wurde. Auch eine später eingeleitete
gezielte Beprobung des Wassernetzes infolge eines einmaligen Nachweises des Klons
an einer Umkehrosmoseanlage der Zentralapotheke des Klinikums führte zu keiner Klärung
der Herkunft des Keims.
A. baumannii wurde bereits in früheren Arbeiten von Einrichtungsgegenständen, patientennah eingesetzten
medizinischen Geräten, medizinischem Personal und Patienten unter polyantimikrobieller
Therapie isoliert [18 ]
[19 ]
[22 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]. Weltweit nachgewiesene Übertragungswege von A. baumannii beinhalten die direkte Transmission über die Hände des medizinischen Personals sowie
die indirekte Transmission über kontaminierte Oberflächen und Ausrüstung wie etwa
Bronchoskope, Beatmungsschläuche oder Inhalationsgeräte sowie durch Aerosolbildung
während des pulsatilen Lavagierens, beim Débridement infizierter Wunden und beim technisch
inadäquat durchgeführten Absaugen besiedelter Atemwege [27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ]
[31 ]
[32 ].
Bemerkenswert erscheint, dass an den Endoskopwaschanlagen in unserer Ausbruchsuntersuchung
kein A. baumannii nachgewiesen wurde. Das Bronchoskop Typ Olympus BF P-40 wird in der Bronchoskopwanne
unter Einhaltung der RKI-Empfehlungen zur Aufarbeitung von Medizinprodukten und konkret
von Endoskopen behandelt. Die mikrobiologische Qualität der Aufarbeitung wird regelmäßig
durch die Hygieneabteilung des Klinikums überprüft, wobei bisher nie Beanstandungen
zu vermelden waren. Wenngleich der Resistenz gegenüber handelsüblichen Desinfektionsmitteln
wie zum Beispiel Propanol, Polyvinylpyrrolidon-(PVP-)Iod oder Chlorhexidin keine wesentliche
Bedeutung für die epidemische Ausbreitung von A. baumannii zukommt, können schon geringe Abweichungen von den empfohlenen Desinfektionsverfahren,
die mit geringeren Wirkstoffkonzentrationen oder Einwirkzeiten einhergehen, bei nosokomialen
Übertragungen eine Rolle spielen [33 ]. Es gibt jedoch weder einen Beweis für eine bisherige Resistenzentwicklung gegenüber
Desinfektionsmitteln noch eine Korrelation zwischen Antibiotikaresistenzen und einer
verringerten Empfindlichkeit gegenüber Desinfektionsmitteln bei A. baumannii [34 ].
Feste Assoziationen des Auftretens von multiresistentem A. baumannii mit bestimmten Antibiotikakombinationen in der Vortherapie ließen sich bei unserem
Ausbruch nicht zweifelsfrei nachweisen, wenngleich generell von einer Selektion resistenter
Erreger unter Antibiotikatherapie ausgegangen werden muss. Ein Zusammenhang zwischen
Vortherapien mit Antibiotika wie Colistin, Carbapenemen und Linezolid und konsekutiver
Akquirierung von multiresistentem A. baumannii konnte bisher nicht belegt werden [15 ]. Um Selektionen unter inadäquater antibiotischer Therapie gering zu halten, wird
die neurologische Intensivstation wöchentlich vom mikrobiologischen Konsiliardienst
im Sinne einer „Antibiotic stewardship” visitiert. Wie der beschriebene Ausbruch belegt,
lassen sich Ausbruchsgeschehen auf diese Weise jedoch nicht vollständig vermeiden.
Bedenken hinsichtlich der Toxizität von Polymyxinen wie Colistin werden durch günstige
klinische Verläufe relativiert, sodass diese Substanzen appliziert werden sollten,
wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen [35 ]. Unsere Erfahrungen bestätigen diese Empfehlung. Die intravenöse Wirksamkeit des
Colistins entspricht etwa der des Tobramycins bei einem vergleichbaren Nephrotoxizitätsrisiko
[36 ]. Der Einsatz multipler Antibiotika scheint die Mortalität bei A. baumannii -Infektionen nicht zu beeinflussen [17 ].
Wenngleich A. baummannii in Feuchtreservoiren persistiert und überwiegend über die Hände übertragen wird [29 ], kann der Keim bekanntermaßen sowohl Atemwege als auch Körperoberflächen und den
Verdauungstrakt asymptomatisch besiedeln [26 ]
[37 ]
[38 ]. Aufgrund der eng gefassten juristischen Vorgaben zum Schutz der persönlichen Integrität
und zur Vermeidung einer persönlichen Stigmatisierung bei nur eingeschränkter Aussagekraft
einer einmaligen Momentaufnahme wurde in unserem Fall dennoch auf ein Personalscreening
verzichtet, wodurch der Übertragungsweg nicht abschließend geklärt ist. In der Zusammenschau
legt die Vielzahl der mit A. baumannii kontaminierten Objekte während des untersuchten Ausbruchs jedoch mehrere verschiedene
Übertragungsereignisse nahe.
Höchstwahrscheinlich führt das Scheitern der Bemühungen, die Keimzahl im stationären
Umfeld gering zu halten und Übertragungen zwischen den Patienten effektiv zu verhindern,
kumulativ zu einer Zunahme der Kolonisierung der Patienten mit den relevanten Erregern
und konsekutiv zu den auch in der Vergangenheit mehrfach beschriebenen Ausbruchssituationen
[39 ]
[40 ]
[41 ].
Multimodale Interventionsprogramme sollten durch qualifiziertes Personal eingeleitet
werden, um Ausbrüche durch multiresistenten A. baumannii zu kontrollieren und einzudämmen [31 ]
[42 ]. Wie es für multimodale Ansätze typisch ist, konnte auch in unserem Fall der Erfolg,
der sich anhand der Reduktion von Neuinfektionen auf das Niveau gelegentlicher Einzelfälle
und die komplette Abwesenheit vitaler A. baumannii aus Umgebungsproben aufzeigen ließ, keiner Einzelmaßnahme zugeordnet werden. Sehr
wahrscheinlich haben mehrere, wenn nicht gar alle der beschriebenen Maßnahmen dazu
beigetragen. In guter Übereinstimmung mit den aktuellen CDC-Leitlinien zum Management
von Ausbrüchen durch multiresistente Erreger im medizinischen Umfeld [43 ] konnten wir nach dem Ende der Ausbruchssituation ohne ein erneutes Aufflammen des
Geschehens den Routinestationsbetrieb unter Standardhygienemaßnahmen wieder aufnehmen.