ergopraxis 2010; 3(1): 14
DOI: 10.1055/s-0029-1245078
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Wissenschaft erklärt: Plagiate – Diebstahl geistigen Eigentums

Joachim Schwarz
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Publication Date:
26 January 2010 (online)

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Verwendet man unerlaubterweise Textpassagen anderer Autoren für eigene Werke, spricht man von einem Plagiat. Hier erfahren Sie unter anderem, welche Folgen solch ein unerlaubter Abschrieb haben kann.

Wer unterrichtet, einen Vortrag hält, eine Bachelorarbeit oder auch einen Artikel schreibt, der muss sich die Inhalte erarbeiten. Schnell schreibt man mal hier eine Textpassage ab und nutzt dort eine Abbildung, ohne die Quelle anzugeben. Alles ganz harmlos? Dass das bei weitem nicht der Fall ist, zeigt Ihnen folgendes Beispiel aus der Physiotherapie: Ein Physiotherapeut aus Süddeutschland musste 2009 das Thema seiner Bachelorarbeit ändern. Der Grund: Plagiatsvorwurf! Was war geschehen? Ende 2008 hatten die beiden Physiotherapeuten Antonia Stieger und Claus Beyerlein nach viermonatiger Arbeit einen Fragebogen fertiggestellt und per E-Mail verschickt. Damit wollten sie die Kenntnisse deutscher Physiotherapeuten in der Differenzialdiagnostik überprüfen. Dieser Bogen, den bereits amerikanische Forscher zur Untersuchung desselben Themas eingesetzt hatten, ist Teil von Claus Beyerleins Promotionsarbeit.

Die beiden Therapeuten hatten sich bei den amerikanischen Erstautoren die Erlaubnis eingeholt, deren Fragebogen verwenden zu dürfen. Sie kümmerten sich um die Übersetzung, formulierten das Anschreiben und die Fragen und machten stets kenntlich, dass ihr Fragebogen in Anlehnung an das Werk anderer Autoren entstand. Anfang 2009 erreichte die beiden der Anruf einer Schulleiterin, die sie darüber informierte, dass ihr ein Bachelorstudent einen ähnlichen Fragebogen geschickt und sie gebeten hatte, ihn an ihre Schüler zu verteilen. Claus Beyerlein und Antonia Stieger stellten fest, dass der Student sowohl im Fragebogen als auch im Anschreiben Textpassagen verwendete, die ihren eigenen teilweise sehr ähnelten oder identisch waren. Das Problem daran ist: Der Bachelorstudent hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er sich Passagen aus ihrer Arbeit entliehen hatte. Nachdem dieser Fall ans Licht kam, untersagte die Hochschule dem Studenten, den Fragebogen für seine Abschlussarbeit zu verwenden.

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Gedanken unrechtmäßig angeeignet

Ein solcher Sachverhalt heißt „Plagiat”. Ein Plagiat ist – nach der Definition des Dudens – die „unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen o. Ä. eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichen Gebiet und ihre Veröffentlichung”. Ein Plagiat ist ein Vergehen im Rahmen der „Verletzung geistigen Eigentums”. Plagiate kommen in den verschiedensten Formen vor. Beispielsweise zählt auch dazu, wenn sich Textpassagen aus einem Fachbuch auf einmal in einem Kurs- oder Unterrichtsskript wiederfinden – ohne die Angabe der Quelle. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Inhalte einfach nur kopiert oder zusätzlich auch der Wortlaut verändert wurde.

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Sich die juristischen Folgen klarmachen

Viele sind sich der Schwere ihres Vergehens gar nicht bewusst. Der Grund dafür ist häufig Unwissenheit. Manche Menschen halten dieses Vergehen jedoch auch für ein Kavaliersdelikt. Deren Meinung würde sich sicher ändern, wenn sie sich die möglichen Folgen einer solchen Kopie vor Augen hielten. Denn neben der unangenehmen Situation, sich wegen eines entdeckten Plagiats rechtfertigen zu müssen, drohen auch juristische Schritte. Diese können sich von arbeitsrechtlichen Strafen wie Abmahnungen oder außerordentlichen Kündigungen bis hin zu akademischen Konsequenzen erstrecken. Dazu gehören der Entzug der Lehrbefugnis oder des Doktorgrads. Zivilrechtlich kann ein derartiges Vergehen unter Umständen mit Schadenersatzansprüchen geahndet werden, und selbst strafrechtliche Auswirkungen sind in schwerwiegenden Fällen denkbar.

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Gute wissenschaftliche Praxis befolgen

Im Therapiebereich sind rechtliche Schritte sicherlich selten. Viel bedeutender als der juristische Verstoß ist hier ein anderer: der gegen die „gute wissenschaftliche Praxis”. Viele Institutionen haben sich dieses Themas angenommen, beispielsweise die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und Universitäten, unter anderem die Uni Ulm. Gute wissenschaftliche Praxis wäre im vorliegenden Beispiel gewesen, wenn der Bachelorstudent Claus Beyerlein und Antonia Stieger um Erlaubnis gefragt hätte, bevor er den Fragebogen verwendet, oder wenn er zumindest in einer Quellenangabe genannt hätte, woher die Textpassagen und der Bogen stammen. Eigentlich ganz einfach.

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Vorarbeit würdigen

Trotzdem gibt es auch im Therapiebereich immer wieder Plagiate. Gegen die Meinung, es handele sich um ein Kavaliersdelikt, hilft vielleicht, sich die rechtlichen Konsequenzen klarzumachen. Beim Kampf gegen die Unwissenheit sind diejenigen gefordert, die wissenschaftliches Arbeiten unterrichten, und diejenigen, die Forschungsarbeiten betreuen. Ihre Aufgabe ist es, gute wissenschaftliche Praxis zu vermitteln. Und denen, die selbst forschen, muss klar sein, dass niemand verlangt, dass sie das Rad neu erfinden – sie können auch das einer anderen Firma verwenden, ihr selbst entwickelter Wagen fährt damit nicht schlechter. Im Gegenteil: Quellen anzugeben zeugt von guter Recherche und würdigt die Vorarbeit derjenigen, ohne die viele Themen gar nicht erst entstanden wären.