Rofo 2010; 182(8): 720-722
DOI: 10.1055/s-0029-1245387
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mechanischer Ileus nach Dünndarmprolaps in eine gefensterte Nierenzyste

T. Breining, M. S. Juchems, S. Feuerlein
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Publication History

eingereicht: 24.1.2010

angenommen: 1.4.2010

Publication Date:
27 April 2010 (online)

Fallbeschreibung

Der in diesem Bericht beschriebene Patient (männlich, 81 Jahre) wies in der Vorgeschichte ein Adenokarzinom des Colon sigmoideum, ein Adenokarzinom der Prostata sowie ein Bronchialkarzinom im rechten Unterlappen auf. Diese Malignome wurden in kurativer Intention zu verschiedenen früheren Zeitpunkten operativ versorgt. Der in diesem Bericht beschriebene stationäre Aufenthalt diente der rechtsseitigen Nephroureterektomie bei vorab bioptisch gesichertem Malignom des Nierenbeckens. Die postoperative histopathologische Aufarbeitung des Resektionspräparats ergab ein gering differenziertes Urothelkarzinom des Nierenbeckens mit Infiltration des peripelvinen Fettgewebes, mikroskopischem Tumoreinbruch in einen Nierenvenenseitenast sowie Ausbreitung per continuitatem in den proximalen rechten Ureter. Zudem wurde im Rahmen des operativen Eingriffs eine vorbekannte, unkomplizierte Zyste (Bosniak 1) des linken Nierenunterpols nach peritoneal gefenstert.

Im Rahmen des stationären Aufenthalts entwickelte der Patient eine zunehmende Obstipation, woraufhin am 9. postoperativen Tag eine konventionelle Übersichtsaufnahme des Abdomens im Stehen im p.–a. Strahlengang durchgeführt wurde. Der klinische suspizierte Ileus konnte jedoch nicht verifiziert werden, stattdessen bestand eine Koprostase im rechten Mittelbauch. Da sich die Symptomatik des Patienten am 12. postoperativen Tag mit mehrfachem Erbrechen und zunehmender abdomineller Schmerzsymptomatik akut verstärkte, wurde die Indikation zur kontrastmittelgestützten Computertomografie des Abdomens gestellt. Diese wurde mit einem 16-Kanal-Multidetektor-Spiral-CT (Philips Brilliance 16, Philips Medizin-System Hamburg) und standardisiertem Protokoll (Kollimation: 16 × 1,5 mm; Inkrement: 1,0 mm; Schichtdicke 2 mm; Pitch: 0,938; Röhrenstrom: 146 mAs; Röhrenspannung: 120 kV) in venöser Kontrastmittelphase durchgeführt. Nach Abschluss der Untersuchung erfolgten multiplanare Rekonstruktionen (MPR) mit einer Schichtdicke von 4 mm.

Der Magen stellte sich massiv flüssigkeitsgefüllt und distendiert dar, die typische Faltenbildung des intraluminalen Reliefs war nicht mehr erkennbar. Auch das nachgeschaltete Duodenum und proximale Jejunum wiesen eine Flüssigkeitsfüllung und Distension auf bis zu 45 mm Durchmesser auf, umgebend befanden sich mäßige Mengen freier intraabdomineller Flüssigkeit ([Abb. 1]). Etwa 40 cm distal des Treitz’schen Bandes konnte im linken Mittelbauch eine Transitionszone ausgemacht werden ([Abb. 2]), der nachgeschaltete Dünndarm zeigte eine unauffällige Konfiguration ohne Ileuszeichen. Ursächlich für die Transitionszone war jedoch keine Bridenbildung, sondern eine Herniation von Dünndarmschlingen in einen scharf abgrenzbaren Raum unmittelbar kaudal der verbliebenen linken Niere ([Abb. 3]). Dieser konnte in Korrelation mit Voraufnahmen eindeutig als die verbliebene Höhle der nach peritoneal gefensterten Nierenzyste identifiziert werden ([Abb. 4]). Die Ausdehnung des Bruchsacks war mit 115 × 108 × 89 mm nur geringfügig kleiner als das ursprüngliche Zystenausmaß. Diese zeigte in einer CT-Abdomen, welche 25 Monate vor der geschilderten Operation aus anderen Gründen durchgeführt wurde, eine Größe von 123 × 105 × 104 mm. Die Weite der Bruchpforte betrug 45 mm.

Abb. 1 Koronare MPR der CT-Abdomen mit Aszites subdiaphragmal und interenterisch, prall gefüllter Magenblase und flüssigkeitsgefüllten, distendierten Darmschlingen.

Abb. 2 Axiale MPR der CT-Abdomen mit Transitionszone (Pfeil) des Jejunums in Höhe der Eintrittspforte des Dünndarms in den Sack der ehemaligen Nierenzyste.

Abb. 3 Koronare und axiale MPR der CT-Abdomen mit Darstellung des Dünndarmprolaps in die Zystenhöhle.

Abb. 4 Koronare und axiale MPR der vorausgegangenen CT-Abdomen mit Darstellung der großen Zyste am linken Nierenunterpol.

In der aktuellen Bildgebung wies der prolabierte Darmabschnitt einen in die Länge gezogenen Verlauf der vor allem im Bereich des Eintritts in den Bruchsack eng aufeinanderliegenden mesenterialen Gefäße auf, des Weiteren bestanden venös betonte Gefäßerweiterungen sowie geringe Mengen freier Flüssigkeit im mild imbibierten Fettgewebe innerhalb des Bruchsacks. Nach interdisziplinärer Befundbesprechung wurde der Patient noch am selben Tag einer notfallmäßigen Relaparotomie zugeführt. Hierbei wurden 50 cm vitaler Dünndarm aus der Zystenloge reponiert, bei fehlenden Zeichen einer Darmwandischämie war keine Notwendigkeit zur Segmentresektion gegeben. Die Bruchpforte wurde mittels resorbierbarer Naht verschlossen. Der Patient konnte 7 Tage nach dem letztgenannten Eingriff bei allgemeinem Wohlbefinden aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Thomas Breining

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