Die Teleradiologie, die als "Untersuchung eines Menschen mit Röntgenstrahlung unter
der Verantwortung eines Arztes nach § 24 Abs. 1 Nr. 1, der sich nicht am Ort der technischen
Durchführung befindet und der mithilfe elektronischer Datenübertragung und Telekommunikation
insbesondere zur rechtfertigenden Indikation und Befundung unmittelbar mit den Personen
am Ort der technischen Durchführung in Verbindung steht" definiert ist, ist in der
Röntgenverordnung (RöV) in den §§ 2 Nr. 24, 3 Abs. 4 und § 24 geregelt. Diese Normen
enthalten u. a. die Voraussetzungen, unter denen die Teleradiologie zulässig ist.
Sie sind vor dem Hintergrund des Hauptzwecks des Strahlenschutzes, dem Gesundheitsschutz,
besonders streng ausgestaltet. So müssen gemäß §§ 3 Abs. 4, 24 RöV alle Beteiligten
die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz vorweisen können; nicht nur der hauptverantwortlich
handelnde Vollradiologe, der sich nicht am Ort der technischen Durchführung befindet,
sondern außerdem grundsätzlich sowohl die mit der technischen Durchführung betraute
Person als auch der am Ort der technischen Durchführung anwesende Arzt. Dadurch wird
zur Stärkung der Gefahrenabwehr die fehlende Anwesenheit des verantwortlichen Vollradiologen
vor Ort durch erhöhte Qualifikationsanforderungen an das mit der technischen Durchführung
betraute Personal kompensiert.
Teleradiologie und persönliche Leistungserbringung
Teleradiologie und persönliche Leistungserbringung
Die Teleradiologie ist eine Disziplin der Telemedizin, deren Triebkraft häufig eine
räumliche Trennung von Arzt und Patient oder Arzt und Facharzt ist, wie sie in der
Raumfahrt, bei Expeditionen und in militärischen Einsätzen zu beobachten ist. Auch
großflächige Länder mit einer geringen Einwohnerzahl in entlegenen Gebieten haben
früh einen Bedarf für telemedizinische Anwendungen gesehen. In Deutschland wird die
Telemedizin vor allem bei Notfällen, insbesondere während Nacht- oder Feiertagsdiensten,
zur Überbrückung von räumlichen oder zeitlichen Distanzen oder zur Erweiterung der
medizinischen Möglichkeiten z. B. hinsichtlich teurer Geräte genutzt.
Allerdings muss beachtet werden, dass grundsätzlich der Arzt, mit dem ein Patient
einen Behandlungsvertrag schließt, die persönliche Behandlung schuldet. Hierbei handelt
es sich schon aufgrund des für diese Konstellation typischen Vertrauensverhältnisses
um eine persönliche Leistungspflicht des Arztes, die dieser nicht einfach an einen
anderen Arzt übertragen kann. Diesem Umstand trägt auch das generelle Verbot von individuellen
Fernbehandlungen und Ferndiagnosen gem. § 7 Abs. 3 MBO-Ä Rechnung. Der Patient muss
sich demnach dem Arzt mindestens einmal persönlich in Zusammenhang mit der konkreten
Behandlung vorgestellt haben, falls nicht für die Art der Untersuchung/Behandlung
etwas anderes geregelt ist. Derartige Ausnahmeregelungen finden sich u. a. vor dem
Hintergrund der Verringerung des Transportrisikos der Patienten für Fälle der Anwendung
einer Röntgeneinrichtung in der RöV.
Personelle Anforderungen
Personelle Anforderungen
Der bayerische Verwaltungsgerichtshof München hat sich in 3 Urteilen vom 14.04.2008
(Az: 9 B 08.81/ 9 B 08.80/ 9 B 08.94) mit der Frage befasst, ob die o. g. Voraussetzungen
hinsichtlich der Qualifikation des medizinischen Personals auf die Teleradiologie
per Computertomografieanlage (CT) übertragen werden können oder in solchen Fällen
reduzier- oder erweiterbar sind.
In den entschiedenen Fällen soll die CT-Anlage teleradiologisch insbesondere zu Notfalluntersuchungen
während der Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienste genutzt werden. Dabei sollte immer
einer der Kläger als nicht am Ort der technischen Ausführung anwesender Vollradiologe
fungieren, während das jeweilig diensthabende Krankenhauspersonal die technische Durchführung
und die ärztliche Aufsicht sowie die medizinische Betreuung gewährleisten sollte.
Die hierfür erforderliche Genehmigung wurde allerdings von dem Gewerbeaufsichtsamt
nicht erteilt, da in den betreffenden Krankenhäusern kein Personal mit der erforderlichen
Fachkunde hinsichtlich der CT-Anlage beschäftigt sei, woraufhin Verpflichtungsklage
gegen das Gewerbeaufsichtsamt erhoben wurde.
Die Kläger verwiesen u. a. auf das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sozialrecht gemäß §
12 SGB V und den Grundsatz der Spezialisierung der Fachärzte bzw. die Tatsache, dass
bestimmte Leistungen gem. § 135 Abs. 2 SGB V den Fachärzten vorbehalten sind, zu deren
Kerngebiet diese Leistungen gehören. Außerdem werde der am Ort der technischen Durchführung
agierende Arzt von dem Vollradiologen "am anderen Ende der Leitung" unterstützt, der
die volle Verantwortung für den Ablauf trägt. Zudem verlange § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV,
dass der Vollradiologe immer in der Lage sein müsse, bei Notfällen in einer bestimmten
Zeit die CT-Anlage zu erreichen, um in den Ablauf eingreifen zu können, sodass die
anfängliche Abwesenheit des Experten für den Bereich des CT durch dieses Erfordernis
kompensiert wird. Der Einwand der Gegenseite, dass die technische Durchführung einer
CT-Untersuchung ohne einen anwesenden verantwortlichen Radiologen unter Strahlenschutzgesichtspunkten
risikoreicher als eine solche durch medizinisch-technisches Fachpersonal sei, wird
somit bestritten.
Schließlich wurde angeführt, dass die Regelungen über die Teleradiologie hinsichtlich
der Verwendung einer CT-Anlage andernfalls letztendlich leer liefen, da es – vorausgesetzt,
es gäbe überhaupt Teilgebietsradiologen mit der erforderlichen Fachkunde bezüglich
einer CT-Anlage – keines per moderner Kommunikationstechnik mitwirkenden Vollradiologen
mehr bedürfe, wenn der Arzt vor Ort bereits alle Voraussetzungen für die konkrete
Untersuchung erfüllt.
Erhöhte Anforderungen in der Computertomografie
Erhöhte Anforderungen in der Computertomografie
Der bayerische Verwaltungsgerichtshof München vertrat die Auffassung, dass die von
den Klägern begehrte Genehmigung zu Recht versagt worden ist.
Zwar stehe der Genehmigungsfähigkeit der Anlage nicht die Tatsache entgegen, dass
sie nicht ausschließlich für den Einsatz zu Nacht- und Wochenenddiensten genutzt werden
solle, da das Gesetz dies aufgrund eines entsprechenden Bedürfnisses zulasse. Allerdings
beziehe sich das Merkmal der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz gem. § 24
Abs. 1 Nr. 2 RöV für den Teilgebietsradiologen auf das konkrete, gerätbezogene Untersuchungsverfahren;
hier also der Computertomografie. In Fällen, bei denen ein CT-Gerät eingesetzt werde,
reiche die Tatsache, dass in anderen Fällen der Teleradiologie eine ergänzende Zusammenarbeit
zwischen der mit der technischen Durchführung betrauten Person und dem anwesenden
Arzt durchaus genüge, nicht aus. Dies ergebe sich aus der für dieses Verfahren typischen
gesteigerten Strahlenbelastung und der höheren Gefahr, die auch von modernsten Geräten
dieser Art ausgeht. So wurden in den USA z. B. 2008 und 2009 eine Vielzahl von Patienten
aufgrund einer falschen Bedienung der CT-Anlage verstrahlt und leiden immer noch an
den Folgen.
In den den Urteilen zugrunde liegenden Fällen war über die fehlende Fachkunde der
diensthabenden Ärzte konkret bezogen auf die CT-Technik hinaus auch die Voraussetzung
gem. § 3 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. § 24 Abs. 2 Nr. 1 und 2 RöV – die Mitwirkung einer/s
MTRA oder MTA mit Zusatzqualifikation – nicht gegeben.
Fachkundiger Arzt vor Ort
Fachkundiger Arzt vor Ort
Auch eine andere Auslegung von § 3 Abs. 4 Nr. 26 und 3 RöV sei aufgrund des eindeutigen
Wortlauts weder erforderlich noch möglich. So würden die von den Klägern angeführten
alternativen Schulungsmaßnahmen des Krankenhauspersonals z. B. nicht die in § 24 Abs.
2 Nr. 1 und 2 RöV festgesetzten Anforderungen erreichen. Hinsichtlich der oben erwähnten
Fachkunde bezogen auf das konkrete, gerätbezogene Untersuchungsverfahren ist auf den
Sinn und Zweck des Erfordernisses abzustellen. So soll der anwesende Arzt zum einen
ein plötzlich notwendiges medizinisches Eingreifen gewährleisten und zum anderen in
der Lage sein, die Anweisungen des verantwortlichen Arztes ordnungsgemäß zu verstehen
und umzusetzen. Hierfür ist eine umfassende Kenntnis in Bezug auf alle Risiken und
damit auch eine solche des konkreten Verfahrens erforderlich.
Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur Teleradiologie
Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur Teleradiologie
Die in Rede stehenden Normen sind auch nicht nichtig. Eine solche Nichtigkeit könnte
sich aus einem Verstoß der Bestimmungen der RöV gegen Verfassungsrecht ergeben. In
Betracht kommt eine Verletzung der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG, da die Anforderungen
an die Qualifikationen des zur Arbeit mit der CT-Anlage berechtigten Personals und
das damit in den vorliegenden Fällen verbundene Verbot an die Kläger, als Teleradiologen
zu fungieren, die Betroffenen in ihrer Berufsfreiheit und somit auch in ihren Erwerbsaussichten
beeinträchtigt. Die Vorschriften stellen mithin sog. Berufsausübungsregeln dar. Solche
können jedoch durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden,
sofern sie geeignet und erforderlich sind.
Die Bestimmungen zur Teleradiologie, wie die Regelungen der RöV insgesamt, dienen
in erster Linie um den Gesundheitsschutz der Patienten und darum, sie vor gravierenden
Schäden durch eine zu hohe Strahlenexposition zu bewahren. Vermeidbare Strahlenbelastungen
für alle Beteiligten können sich z. B. durch eine unsachgemäße Handhabung der Geräte
oder daraus ergeben, dass Fehlfunktionen nicht oder zu spät erkannt oder abgestellt
werden. Auch überflüssige oder unbrauchbare Untersuchungen können einen solchen Effekt
haben. Damit ist die Vorschrift in § 3 Abs. 4 RöV offensichtlich zur Legitimation
von Eingriffen in die Berufswahlfreiheit geeignet. Die Abwägung zwischen den in Rede
stehenden Rechtsgütern muss so eindeutig zugunsten des Gesundheitsschutzes ausfallen,
dass über diese Normen hinaus wesentlich empfindlichere Beeinträchtigungen gerechtfertigt
werden könnten.
Auch sind die hohen Anforderungen an das Personal vor Ort geeignet, die gesteigerte
Gefahr, die von einer CT-Anlage typischerweise ausgeht, durch Kompetenz auszugleichen.
Letztere ist darüber hinaus das mildeste Mittel, das zur Strahlenminimierung während
der Abwesenheit des verantwortlichen Vollradiologen ersichtlich ist. Hinzu kommt,
dass der allgemeine Versorgungsauftrag der Krankenhäuser, wie er z. B. in Art. 51
Abs. 3 Nr. 1 BayLKrO zum Ausdruck kommt, nicht durch die Anforderungen, die an das
Personal gestellt werden, gefährdet ist. Weitere Nachteile z. B. wirtschaftlicher
Art für Ärzte und Krankenhäuser sind vor dem Hintergrund der Abwägung mit dem Gesundheitsschutz
irrelevant. Außerdem besteht durchaus die Möglichkeit, entsprechend qualifiziertes
Personal zu finden.
Ergebnis
Ergebnis
Die Tatsache, dass ein zur Bedienung einer CT-Anlage qualifizierter Voll- oder Teilgebietsradiologe
der Teleradiologie nicht mehr bedarf, sondern die entsprechenden Untersuchungen eigenverantwortlich
durchführen kann, kann keine Herabsetzung der Voraussetzungen begründen, unter denen
die Teleradiologie insbesondere an einer CT-Anlage betrieben werden darf. Diese Vorgehensweise
kann nämlich trotzdem hilfreich und sinnvoll sein, um z. B. eine 2. Fachmeinung einzuholen,
sodass die Teleradiologie unter Verwendung einer CT-Anlage zwar nicht nötig, aber
doch möglich ist. Jedenfalls hat das Wohl der Patienten stets über allen medizinischen
Überlegungen zu stehen; auch über denen der Telemedizin. Dies kann demnach auch bedeuten,
dass ihr Anwendungsbereich eingeschränkt werden muss, um Gefahren zu verringern, die
von bestimmten Untersuchungsverfahren ausgehen.