DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2010; 8(01): 1
DOI: 10.1055/s-0030-1248150
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Osteopathisches Babylon?

Rainer Breul
,
Marina Fuhrmann
,
Karl-Ludwig Resch
,
Peter Wührl
Further Information

Prof. Dr. rer. nat. med. habil. Rainer Breul
Doctor of Osteopathic Education (h.c.), A. T. Still University of Health Science, USA

Publication History

Publication Date:
26 January 2010 (online)

 

Machen wir ein Heft über Faszien! Faszien sind ein schönes Thema und interessieren jeden. Wir kennen die Aussagen A.T. Stills wie: „Mir ist kein Bereich des Körpers bekannt, welcher den Faszien als Jagdrevier gleichkommt” oder: „Bei jedem Blick, den wir auf die Faszien werfen, erscheint ein neues Wunder” [1].

Faszien sind also ein Thema, das an Wichtigkeit kaum zu übertreffen ist – doch nein! Jane Stark hat es in ihrem Buch über Stills Faszienkonzepte gnadenlos widerlegt. Denn Still hat sich in der gleichen enthusiastischen Art auch über andere Körperpartien geäußert. Noch niederschmetternder fällt der 2. Teil ihrer Arbeit aus: Sie befragte die Crème de la Crème der internationalen osteopathischen Szene, wie sie Stills Faszienkonzepte bewertet. Das Ergebnis ist deprimierend: „Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, ließ sich eine allgemeine Nichtübereinstimmung bei der treuen Fortführung von Stills Faszienkonzepten feststellen” [2].

So problematisch ist es also um unsere osteopathische Fachsprache bestellt. Wir benutzen Termini, die uns so herrlich von anderen Fachsprachen abgrenzen, beziehen uns auf Still, dessen Denksystem angeblich all das beinhaltet, worüber wir heute kommunizieren.

Kulturelle Unterschiede? Übersetzungsprobleme? Ein immer problematischer werdendes Berufsbild? Einflüsse anderer Heilmethoden? All das ist anscheinend nicht relevant! Wer jedoch erleben durfte, wie es bei der World Osteopathic Health Organisation, WOHO, zuging, als man sich dort mit der Vereinheitlichung der osteopathischen Nomenklatur im englischen Sprachraum beschäftigte, den beschlich ein ungutes Gefühl. Um etliche Schlüsselbegriffe wurde nämlich verbissen diskutiert, weil plötzlich diese und viele andere Probleme offensichtlich wurden.

Strebt die Osteopathie einen ernst zu nehmenden professionellen Status an, so muss das Problem einer wenig exakten Fachsprache thematisiert und bearbeitet werden. Stimmt die Bedeutung der Begriffe, die gelehrt werden, mit denen überein, auf die man sich international geeinigt hat? Ist es sinnvoll, sich anzupassen oder hat man gute Gründe, den bisherigen Sprachgebrauch beizubehalten? Zur Annäherung an diese Fragen wird die DO bald ein Forum zur Verfügung stellen. Außerdem bietet sich hier ein reiches Feld osteopathischer Forschung an. Der Entwicklung eines osteopathischen Babylons müssen wir entgegenwirken!

Zurück zu den Faszien: Vom 27.–30. Oktober 2009 fand in Amsterdam der 2. Internationale Faszienkongress statt. Das Problem der unterschiedlichen Auslegung dieses Begriffs wurde hier ausgiebig thematisiert [3].

Für uns gehören z. B. Peritoneum oder Dura mater mit zu den Faszien. Das wird aber nicht überall so gesehen. Ein Heft, nein gleich zwei, über Faszien machen wir trotzdem, denn das Thema ist wirklich spannend.

Dankeschön!

Wir wollen uns herzlich bedanken bei Marina Horbatsch, die diese Zeitschrift immer mit großer Sorgfalt redaktionell betreut hat und sich künftig eigenen Aufgaben widmet. Ein herzliches Dankeschön geht auch an Dr. med. Roger Seider, der als Mitherausgeber ganz wesentlich Profil und Inhalt der DO geprägt hat und nun dieser Tätigkeit leider nicht mehr nachkommen kann. Schön, Roger, dass du uns als redaktioneller Beirat erhalten bleibst!

Die Herausgeber


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Prof. Dr. rer. nat. med. habil. Rainer Breul
Doctor of Osteopathic Education (h.c.), A. T. Still University of Health Science, USA