Der Klinikarzt 2010; 39(1): 9
DOI: 10.1055/s-0030-1248735
Medizin & Management

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Krankenhaus-Report 2010

Ambulante Öffnung birgt hohes Potenzial
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Publication Date:
01 February 2010 (online)

 
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Der jährlich vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegebene Krankenhaus-Report hat sich diesmal das Schwerpunktthema "Krankenhausversorgung in der Krise?" gesetzt. Seit der DRG-Einführung 2003 haben die Krankenhäuser Kapazitäten abgebaut und ihre Produktivität gesteigert. Die Zahl der Betten ist von 2003 bis 2007 um 7,1 % zurückgegangen, die Verweildauer parallel um 8,3 % gesunken. Gleichzeitig erhöhte sich die Fallzahl um 1,3 %.

Herausgeber Jürgen Klauber weist im Krankenhaus-Report 2010 auf überdurchschnittliche Kapazitäten in der stationären Versorgung hin: Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 5,7 Betten je 1 000 Einwohner auf dem dritten Rang im OECD-Vergleich hinter Japan und Österreich.

Effizienzanalysen weisen darauf hin, dass gegenwärtig von 2 bis 4 Mrd. Euro Effizienzreserven auszugehen ist. Weitere Effekte werden dadurch erwartet, dass die bestehende sektorale Trennung der Krankenversorgung weiter gelockert und Möglichkeiten für Selektivverträge geschaffen werden.

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Effizienzanalyse: Deutschland im Vergleich mit EU-Ländern

Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt nach Ansicht der Krankenhausexperten Prof. Günter Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München, und Andreas Beivers, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, dass die Optimierung der Krankenhausversorgung in Deutschland nur relativ ist. In den Nachbarländern werden wesentlich weniger Patienten vollstationär - und mit einer kürzeren Verweildauer - behandelt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass viele Leistungen stationsersetzend erbracht werden.

Um diese Effizienzvorteile auch in Deutschland zu generieren, müssten jedoch die schwierigen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Investitions- und Kapazitätsplanung der Bundesländer, aber auch die strikte Trennung des stationären und ambulanten Vergütungssystems, angepasst und reformiert werden.

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Abb. 1 Entwicklung zentraler Krankenhausindikatoren 2003-2008.

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Flexibilisierung des Vertragsrechts statt staatliche Preisvorgabe

Kritik äußern Neubauer und Beivers an der Einführung eines bundeseinheitlichen Basisfallwertkorridors. Mit der Vorgabe eines Einheitspreises verliere der Preis seine Funktion, das Gleichgewicht zwischen Versorgungsbedarf und -angebot herzustellen. Das führe zwangsläufig zu Über-, Unter- und Fehlversorgung und keineswegs zu mehr Wettbewerb. Anstelle einer staatlichen Preisvorgabe sei vielmehr eine Flexibilisierung des Vertragsrechts notwendig. Kassen und Krankenhäuser sollten mehr Möglichkeiten erhalten, Leistungen und Preise individuell zu vereinbaren.

Im Diskussionsteil des Krankenhaus-Reports befasst sich eine empirische Abschätzung von PD Markus Lüngen, und Dr. Thomas Rath, beide vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie am Klinikum der Universität zu Köln, mit der Frage, welchen Anteil Krankenhäuser durch ihre ambulante Öffnung in der onkologischen Versorgung abdecken können. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde den Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet, ambulante hoch spezialisierte Leis tungen zu erbringen (§ 116b SGB V). Die beiden Experten haben errechnet, dass sich potenziell 553 000 onkologische Krankenhausfälle aus dem stationären Bereich in die ambulante Versorgung des Krankenhauses überführen ließen. Hinzu kommen rund 3,8 Millionen derzeit ambulant erbrachter Quartalsfälle, die für die ambulante hoch spezialisierte Versorgung auch im Krankenhaus geeignet erscheinen. Insgesamt ergäbe sich somit ein Potenzial von rund 4,3 Millionen Fällen.

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Bild: CD 03 Health & Medicine

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Inwieweit wird Flexibilität genutzt?

Die Autoren stellen fest, dass der Gesetzgeber eine beachtliche Flexibilität bei der Wahl des Leistungsortes zumindest theoretisch eröffnet hat. Ob dieser von Krankenhäusern und auch Patienten und einweisenden Ärzten genutzt wird, ist jedoch noch offen. Sollte dies in großem Umfang der Fall sein, wird eine Neuordnung des Budget- und Abrechnungssystems zwischen Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern unumgänglich sein.

Im Statistikteil des Reports finden sich die aktuellen Krankenhausdaten des Statistischen Bundesamts, darunter Ergebnisse der fallpauschalen-bezogenen Krankenhausstatistik nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz, sowie im Krankenhaus-Directory zentrale Budget- und Leistungsinformationen für ca. 1 600 Krankenhäuser.

Klaus Schmidt, Planegg

Quelle: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J (Hrsg.). Krankenhaus-Report 2010. Schwerpunktthema: Krankenhausversorgung in der Krise?; Stuttgart: Schattauer-Verlag 2010; brosch. 54,95 €

 
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Abb. 1 Entwicklung zentraler Krankenhausindikatoren 2003-2008.

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Bild: CD 03 Health & Medicine