Der jährlich vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegebene Krankenhaus-Report
hat sich diesmal das Schwerpunktthema "Krankenhausversorgung in der Krise?" gesetzt.
Seit der DRG-Einführung 2003 haben die Krankenhäuser Kapazitäten abgebaut und ihre
Produktivität gesteigert. Die Zahl der Betten ist von 2003 bis 2007 um 7,1 % zurückgegangen,
die Verweildauer parallel um 8,3 % gesunken. Gleichzeitig erhöhte sich die Fallzahl
um 1,3 %.
Herausgeber Jürgen Klauber weist im Krankenhaus-Report 2010 auf überdurchschnittliche
Kapazitäten in der stationären Versorgung hin: Im internationalen Vergleich liegt
Deutschland mit 5,7 Betten je 1 000 Einwohner auf dem dritten Rang im OECD-Vergleich
hinter Japan und Österreich.
Effizienzanalysen weisen darauf hin, dass gegenwärtig von 2 bis 4 Mrd. Euro Effizienzreserven
auszugehen ist. Weitere Effekte werden dadurch erwartet, dass die bestehende sektorale
Trennung der Krankenversorgung weiter gelockert und Möglichkeiten für Selektivverträge
geschaffen werden.
Effizienzanalyse: Deutschland im Vergleich mit EU-Ländern
Effizienzanalyse: Deutschland im Vergleich mit EU-Ländern
Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt nach Ansicht der Krankenhausexperten
Prof. Günter Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München,
und Andreas Beivers, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, dass die Optimierung
der Krankenhausversorgung in Deutschland nur relativ ist. In den Nachbarländern werden
wesentlich weniger Patienten vollstationär - und mit einer kürzeren Verweildauer -
behandelt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass viele Leistungen stationsersetzend
erbracht werden.
Um diese Effizienzvorteile auch in Deutschland zu generieren, müssten jedoch die schwierigen
Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Investitions- und Kapazitätsplanung der
Bundesländer, aber auch die strikte Trennung des stationären und ambulanten Vergütungssystems,
angepasst und reformiert werden.
Abb. 1 Entwicklung zentraler Krankenhausindikatoren 2003-2008.
Flexibilisierung des Vertragsrechts statt staatliche Preisvorgabe
Flexibilisierung des Vertragsrechts statt staatliche Preisvorgabe
Kritik äußern Neubauer und Beivers an der Einführung eines bundeseinheitlichen Basisfallwertkorridors.
Mit der Vorgabe eines Einheitspreises verliere der Preis seine Funktion, das Gleichgewicht
zwischen Versorgungsbedarf und -angebot herzustellen. Das führe zwangsläufig zu Über-,
Unter- und Fehlversorgung und keineswegs zu mehr Wettbewerb. Anstelle einer staatlichen
Preisvorgabe sei vielmehr eine Flexibilisierung des Vertragsrechts notwendig. Kassen
und Krankenhäuser sollten mehr Möglichkeiten erhalten, Leistungen und Preise individuell
zu vereinbaren.
Im Diskussionsteil des Krankenhaus-Reports befasst sich eine empirische Abschätzung
von PD Markus Lüngen, und Dr. Thomas Rath, beide vom Institut für Gesundheitsökonomie
und Klinische Epidemiologie am Klinikum der Universität zu Köln, mit der Frage, welchen
Anteil Krankenhäuser durch ihre ambulante Öffnung in der onkologischen Versorgung
abdecken können. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde den Krankenhäusern die
Möglichkeit eröffnet, ambulante hoch spezialisierte Leis tungen zu erbringen (§ 116b
SGB V). Die beiden Experten haben errechnet, dass sich potenziell 553 000 onkologische
Krankenhausfälle aus dem stationären Bereich in die ambulante Versorgung des Krankenhauses
überführen ließen. Hinzu kommen rund 3,8 Millionen derzeit ambulant erbrachter Quartalsfälle,
die für die ambulante hoch spezialisierte Versorgung auch im Krankenhaus geeignet
erscheinen. Insgesamt ergäbe sich somit ein Potenzial von rund 4,3 Millionen Fällen.
Bild: CD 03 Health & Medicine
Inwieweit wird Flexibilität genutzt?
Inwieweit wird Flexibilität genutzt?
Die Autoren stellen fest, dass der Gesetzgeber eine beachtliche Flexibilität bei der
Wahl des Leistungsortes zumindest theoretisch eröffnet hat. Ob dieser von Krankenhäusern
und auch Patienten und einweisenden Ärzten genutzt wird, ist jedoch noch offen. Sollte
dies in großem Umfang der Fall sein, wird eine Neuordnung des Budget- und Abrechnungssystems
zwischen Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern unumgänglich
sein.
Im Statistikteil des Reports finden sich die aktuellen Krankenhausdaten des Statistischen
Bundesamts, darunter Ergebnisse der fallpauschalen-bezogenen Krankenhausstatistik
nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz, sowie im Krankenhaus-Directory zentrale Budget-
und Leistungsinformationen für ca. 1 600 Krankenhäuser.
Klaus Schmidt, Planegg
Quelle: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J (Hrsg.). Krankenhaus-Report 2010. Schwerpunktthema:
Krankenhausversorgung in der Krise?; Stuttgart: Schattauer-Verlag 2010; brosch. 54,95
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