Der Klinikarzt 2010; 39(1): 44
DOI: 10.1055/s-0030-1248736
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mTOR-Hemmung als zentrales Target - Neue Therapieoption beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom

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01 February 2010 (online)

 
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Weltweit erkranken jährlich etwa 200 000 Menschen neu an Nierenzellkarzinomen, etwa 50 % der Erkrankten sterben an diesem Tumor. "Derzeit zählt das Nierenzellkarzinom zu den eher seltenen Karzinomen, die Inzidenz nimmt allerdings zu", erklärt Prof. Kurt Miller von der Charité Berlin. Bei etwa 75 % der betoffenen Patienten lässt sich ein Defekt im Von-Hippel-Lindau (VHL)-Gen nachweisen. Das inaktivierte Gen sorgt für eine Akkumulierung des Hypoxie-induzierbaren Faktors HIF-1α, was zu einer vermehrten Ausschüttung angiogener Wachstumsfaktoren wie VEGF führt und damit das Tumorwachstum verstärkt. Zur Früherkennung gibt es laut Miller kein generelles Screening, 50 % der Nierentumoren werden zufällig entdeckt.

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Everolimus nach Therapie mit einem Tyrosinkinasehemmer

Die unbefriedigenden Therapieresultate bei Nierenzellkarzinom konnten in den letzten Jahren durch Tyronsinkinase-Hemmer (TK-I) verbessert werden. Diese gegen VEGF gerichteten Therapien sind in Deutschland inzwischen zur Standardtherapie in der Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms geworden. Schreitet die Erkrankung weiter fort, bietet sich die Blockierung des mTOR-Signalwegs an (mTOR = mammalian Target of Rapamycine). Dieses Schlüsselenzym reguliert das Tumorwachstum, -teilung, -stoffwechsel sowie die Tumorangiogenese. Die einzige oral verfügbare Therapie, die gezielt mTOR hemmt, ist Everolimus (Afinitor®), das im August letzten Jahres EU-weit zugelassen wurde. "Everolimus ist bisher die einzige Substanz, die ihre Wirksamkeit in einer Phase-III-Studie nach Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor gezeigt hat", betont Miller, "daher empfehlen die internationalen urologischen und onkologischen Fachgesellschaften Everolimus in ihren Therapieleitlinien mit Evidenzlevel 1 für dieses Setting." [1], [2]. Auch die amerikanischen Guidelines führen Everolimus bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit einer Kategorie-1-Empfehlung auf [3].

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Ergebnisse der RECORD-1-Studie führen zur Zulassung

Die Zulassung von Everolimus erfolgte aufgrund der Ergebnisse der internationalen, placebokontrollierten Phase-III-Studie RECORD-1 (REnal Cell cancer treatment with Oral RAD001 given Daily). An der Studie nahmen 416 Patienten mit gesichertem fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom und einer vorangegangenen Therapie mit einem VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinse-Inhibitor teil. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben. Die im Verhältnis 2:1 randomisierten Studienteilnehmer erhielten entweder täglich oral 1 Tablette mit 10 mg Everolimus oder Placebo, jeweils in Kombination mit "best supportive care". Die Studie zeigte, dass Everolimus im Vergleich zu Placebo das mediane progressionsfreie Überleben mehr als verdoppelte (4,9 vs. 1,9 Monate) (Abb. [1]). Zugleich reduzierte der oral verfügbare mTOR-Inhibitor signifikant das Risiko von Krankheitsprogression oder Tod um 67 % (p < 0,001; HR 0,33; 95 %-Konfidenzintervall 0,25-0,43). In allen Subgruppen verlängerte Everolimus die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung, unabhängig von Geschlecht, Alter, Vorerkrankung und MSKCC-Risikogruppe (MSKCC = Memorial Sloan-Kettering Cancer Center). Weiterhin wurde in der Zulassungsstudie nachgewiesen, dass nach 10 Monaten Therapie mit Everolimus mehr als 25 % der Patienten progressionsfrei waren. Der oral verfügbare mTOR-Inhibitor hat zudem ein günstiges Nebenwirkungsprofil. Die Nebenwirkungen verlaufen zumeist mild oder moderat und sind gut therapierbar [4], Everolimus erhielt den Allgemeinzustand länger aufrecht als Placebo (Karnofsky Perfomance-Index) (Abb. [2]).

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Abb. 1 RECORD-1-Studie: Progressionsfreies Überleben.

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Abb. 2 RECORD-1-Studie: Lebensqualität und Erhalt des Allgemeinzustands.

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Weitere Einsatzmöglichkeiten geprüft

Nach den erfreulichen Resultaten der Zulassungsstudie beim Nierenzellkarzinom werden derzeit über die RECORD-1-Studie hinaus weitere Einsatzmöglichkeiten von Everolimus geprüft. Beispielsweise wird die Wirksamkeit und Verträglichkeit der mTOR-Inhibitoren in Mono- und Kombinatiostherapie auch in der Erstlinientherapie des Nierenzellkarzinoms sowie bei anderen Tumorentitäten untersucht.

stta

Quelle: Launch-Presseveranstaltung "Zulassung von Afinitor® beim Nierenzellkarzinom: Therapeutische Lücke nach Tyrosinkinase-Inhibitor-Therapie geschlossen", 17. August 2009 in Nürnberg. Veranstalter: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Die Autorin ist Redakteurin im Georg Thieme Verlag KG.

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Literatur

  • 01 Ljungberg et al . European Association of Urology. 2009;  23
  • 02 De Reijke et al . European Journal of Cancer. 2009;  45 765-773
  • 03 NCCN-Clinical Practice Guidelines in Oncology . Kidney Cancer. 2009;  V.2
  • 04 Motzer et al . Lancet. 2008;  372 449-456
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Literatur

  • 01 Ljungberg et al . European Association of Urology. 2009;  23
  • 02 De Reijke et al . European Journal of Cancer. 2009;  45 765-773
  • 03 NCCN-Clinical Practice Guidelines in Oncology . Kidney Cancer. 2009;  V.2
  • 04 Motzer et al . Lancet. 2008;  372 449-456
 
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Abb. 1 RECORD-1-Studie: Progressionsfreies Überleben.

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Abb. 2 RECORD-1-Studie: Lebensqualität und Erhalt des Allgemeinzustands.